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Experte widerspricht BauministerinWas es wirklich bringt, sein Haus besser zu dämmen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Hausfassade wird von außen neu gedämmt.

Durch das Dämmen eines Hauses lässt sich viel Energie sparen – trotzdem ist es nun in die Diskussion geraten.

Der Bund will Heizungen klimafreundlicher machen, Bauministerin Geywitz stellt das Dämmen infrage: Was lohnt sich für Klima und Geldbeutel?

Das Haus dick einpacken, damit es die Wärme hält – ist das wirklich das Beste für den Klimaschutz? Bauministerin Klara Geywitz hat ihre Zweifel. Immer schärfere Dämmvorschriften hätten das Bauen sehr teuer gemacht, sagte die SPD-Politikerin vor einigen Tagen. Es gebe Fragezeichen, ob zusätzliche Kosten für Dämmung in einem sinnvollen Verhältnis zur eingesparten Energie stünden. Und bei der Produktion der Dämmstoffe entstünden ja auch Treibhausgase.

Damit macht die Ministerin mitten in der aufgeregten Heizungsdebatte ein neues Fass auf und riskiert einen möglichen Konflikt mit Klimaminister Robert Habeck (Grüne). Immerhin stehen schärfere Anforderungen für energiesparsame Gebäude im Koalitionsvertrag. Auf EU-Ebene werden ebenfalls ehrgeizige Ziele debattiert. Für Hausbesitzer wird die Lage damit nicht unbedingt übersichtlicher. Experten können aber etwas Licht ins Dunkel bringen.

„Energetische Sanierungen bieten enormes Potenzial“

Christian Handwerk, Referent für energetisches Bauen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät, zunächst mal zwischen neu gebauten Häusern und älteren Immobilien zu unterscheiden. Aus Handwerks Sicht geht es bei der Dämmdebatte vor allem um Bestandsgebäude: „Unser Problem ist da größer als beim Neubausektor.“

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Die Deutsche Energieagentur Dena hat die Zahlen. Die rund 22 Millionen Gebäude stehen demnach für 35 Prozent des deutschen Energieverbrauchs. Etwa drei Viertel des Bestands wurde vor 1979 errichtet, ohne Vorgaben für den Wärmeschutz. Alte Gebäude brauchen laut Dena unsaniert für Raumwärme und Warmwasser das Drei- bis Fünffache von dem, was heute technisch möglich. „Energetische Sanierungen bieten damit ein enormes Potential, um unseren Energieverbrauch zu reduzieren“, bekräftigt die Energieagentur

Geywitz hat Rückendeckung der Länder

Aber lohnt sich wirklich eine sehr dicke Fassadendämmung? Geywitz sagte bei einem Baukongress: „Am Anfang ist das noch sehr sinnvoll, weil das, was ich dämme, spare ich ein, durch das, was ich dann an Nebenkosten nicht habe. Aber spätestens ab EH55 haben sehr viele Fragezeichen, ob das Geld, was man zusätzlich in Dämmung steckt, in einem sinnvollen Verhältnis steht zur eingesparten Energie.“ EH55 heißt: ein Bedarf von 55 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus.

Geywitz erhielt prompt Zuspruch aus den Ländern. „Was Klara Geywitz jetzt ausspricht, ist seit langem meine Haltung“, erklärte Nicole Razavi (CDU), Vorsitzende der Bauministerkonferenz. „Wir müssen es schaffen, Bezahlbarkeit und Klimaschutz beim Wohnungsbau zusammenzubringen.“ NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (ebenfalls CDU) hob hervor, man müsse „vermehrt Lösungen für Wohnviertel in den Blick nehmen (...) und sich nicht nur auf einzelne Häuser verengen“.

„Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel“

Energieexperte Handwerk sieht das anders und sagt: „Sinnvolles Dämmen nutzt auch dem Geldbeutel.“ Um EH55 zu erreichen, brauche ein älteres Haus zum Beispiel eine Fassadendämmung von 16 bis 18 Zentimetern. Diese Investition amortisiere sich bei einem Energiepreis von 14 Cent je Kilowattstunde binnen zwölf Jahren. Die Lebensdauer der Dämmung sei jedoch länger, vielleicht 40 Jahre. Blickt man auf diese Spanne, rechne sich sogar eine noch dickere Dämmung, meint Handwerk. Dies erhalte den Wert der Immobilie – ungedämmte Gebäude würden in Zukunft schwerer verkäuflich.

Der Experte widerspricht auch Bedenken, dass der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der Dämmstoffe den Nutzen infrage stelle. „Das ist wirklich Quatsch.“ Die Dämmung spare viel mehr Emissionen, als die Produktion verursache – um einen Faktor 15 bis 20, sagt Handwerk. So stellt es auch ein Gutachten des Forschungsinstituts für Wärmeschutz dar, das allerdings die Industrie selbst in Auftrag gegeben hat.

Gestritten wird erstmal in Brüssel

Die politische Debatte dürfte sowohl im Bund als auch auf EU-Ebene noch Fahrt aufnehmen. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz (GEG): „Zum 1. Januar 2024 werden für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden im (Gebäudeenergiegesetz) die Standards so angepasst, dass die auszutauschenden Teile dem EH70 entsprechen; im GEG werden die Neubau-Standards zum 1. Januar 2025 an den KfW-EH 40 angeglichen.“

Diese Abmachungen seien weiter gültig, betont das Haus von Klimaminister Habeck. Dämmen bleibe wichtig, selbst wenn mit Erneuerbaren Energien geheizt werde – denn auch die seien nur begrenzt verfügbar. Nach einer Studie der Agora Energiewende muss der Wärmebedarf in Gebäuden um 39 Prozent sinken, damit die Rechnung für ein klimaneutrales Deutschland insgesamt aufgeht.

Offene Konfliktlinien vermeidet Habecks Haus aber vorerst. Die Dämmanforderungen, die bisher für Fördermittel der KfW-Bankengruppe gelten, werde man nicht eins zu eins übernehmen, erklärt eine Sprecherin. Nötig sei eine neue „Anforderungssystematik“, die „der aktuell verhandelten Fortschreibung der europäischen Gebäuderichtlinie folgen wird“. Heißt wohl: Man wartet erstmal auf den europäischen Rahmen, bevor sich Bau- und Klimaministerium streiten.

In Brüssel haben die EU-Staaten und das Europaparlament bisher unterschiedliche Pläne für das Energiesparen in Gebäuden und mögliche Sanierungspflichten. Eine rasche Einigung sei nicht zu erwarten, sagt ein Sprecher der schwedischen Ratspräsidentschaft. Jedenfalls nicht vor Mitte des Jahres, wenn Schweden den Vorsitz an Spanien abgeben. (dpa)

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