Recht und OrdnungDarf ich mich auf das Assistenzsystem im Auto verlassen?

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Immer mehr Autos verfügen über Assistenzsysteme.

  • In unserer Serie „Recht und Ordnung“ wollen wir uns mit juristischen Themen aller Art befassen – und vor allem Ihnen mehr Durchblick im Paragrafen-Dschungel verschaffen.
  • Dafür haben wir eine Staatsanwältin, einen Rechtsanwalt und eine Jura-Professorin gewinnen können. Ihre Kolumnen können und wollen keine Rechtsberatung sein und im konkreten Fall den Gang zu einem Anwalt ersetzen
  • In dieser Folge geht Rechtsanwalt Martin Huff der Frage nach, ob man sich auf Assistenzsysteme im Auto verlassen darf.

Darf ich mich auf Assistenzsysteme im Auto verlassen?

In  immer mehr Autos sind moderne Assistenzsysteme eingebaut. Den Tempomat gibt es schon länger, inzwischen aber auch Systeme, die den Abstand zum Vordermann stabil halten. Doch was passiert bei Verstößen gegen die Verkehrsregeln?

Zum Autor

Martin Huff

Martin W. Huff, geboren 1959 in Köln, ist seit 2008 Geschäftsführer und Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer Köln. 

Foto: Uwe Weiser

Martin W. Huff, geboren 1959 in Köln, ist seit 2008 Geschäftsführer und Pressesprecher der Rechtsanwaltskammer Köln. Er war lange Jahre Mitglied der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefredakteur der Neuen Juristischen Wochenschrift, der größten Fachzeitschrift für Juristen. Er befasst sich als Rechtsanwalt in der Kanzlei LLR Rechtsanwälte intensiv mit dem Medienrecht und dem Recht der Freiberufler. Er ist zudem Mitglied der Expertenrunde Recht der Stiftung Warentest. 

Zunächst: Vom autonomen Fahren sind wir noch weit entfernt, und die entsprechenden Rechtsfragen werden unter Juristen intensiv diskutiert. Fertige Lösungen gibt es hier noch nicht. Daher trägt momentan der Fahrer die volle Verantwortung dafür, dass die Verkehrsvorschriften eingehalten werden. Dieses Risiko kann er nicht auf die Technik abwälzen. Dies sehen die Richter bisher nahezu flächendeckend so. Sie dürfen sich also auf die elektronische Hilfe nicht verlassen. So hat etwa das Oberlandesgericht Bamberg in einem Verfahren klare Worte gefunden. Das Amtsgericht als Vorinstanz hatte einen Autofahrer wegen fahrlässiger Nichteinhaltung des Mindestabstands zu einem vorausfahrenden Fahrzeug, geregelt in Paragraf 4 der Straßenverkehrsordnung, zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Fahrverbot bedeutet übrigens, dass der damit Belegte für einen bestimmten Zeitraum kein Fahrzeug führen darf. Im Gegensatz dazu steht der Entzug der Fahrerlaubnis, bei dem man den Führerschein verliert und ihn nach Ablauf einer Sperrfrist wieder neu beantragen muss.

Das könnte Sie auch interessieren:

Den Ermittlungen zufolge war der Fahrer auf der Autobahn A 9 in Richtung München unterwegs. Bei Kilometer 1636 hielt er mit bei einer Geschwindigkeit von 132 Kilometern pro Stunde einen Abstand von nur 14 Metern und damit von weniger als 3/10 des halben Tachowerts zum vorausfahrenden Fahrzeug.  Wie nah er aufgefahren war, wird klar, wenn man bedenkt, dass die Pfosten am Seitenrand jeweils 50 Meter auseinander stehen, der Abstand damit nur ein Drittel der Distanz zwischen zwei Pfosten ausmachte.

Geldbuße und Fahrverbot

Dafür sind nach den Bußgeldvorschriften eine Geldbuße, insbesondere aber das Fahrverbot als Regelstrafe vorgesehen. Der Fahrer argumentierte, dass ihn kein Vorwurf treffe, da er den „Abstandsradar“ in seinem Fahrzeug eingeschaltet hatte. Er war der Meinung, dass zumindest das Fahrverbot bei dieser Sachlage überzogen sei und ging in die Berufung.

Zu unserer Serie

Haben auch Sie eine Frage an unsere Experten? Schreiben Sie per Mail an:

recht-und-ordnung@dumont.de oder per Post an: „Kölner Stadt-Anzeiger“ z.Hd. Joachim Frank Stichwort „Recht und Ordnung“ Neven DuMont Haus, 50590 Köln. 

Die Richter der höheren Instanz aber hielten an Geldbuße und Fahrverbot fest. Nach ihrer Ansicht konnte der Hinweis auf den „Abstandspiloten“ von vornherein nicht verfangen, weil der Fahrer die Verkehrssituation selbst wahrnehmen konnte und musste. Wenn er hier einem Abstandspiloten mehr „vertraute“ als dem eigenen Augenschein, ist dies mit der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten am Steuer nicht einmal im Ansatz zu vereinbaren.

Versagen im Augenblick

Von einem „Augenblicksversagen“ konnte bei den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen, so die Richter in Bamberg, schon gar nicht die Rede sein. Dieser Begriff wird in der Rechtsprechung zum Verkehrsrecht verwendet, wenn ein Fehlverhalten eigentlich nicht erklärlich ist. So etwa, wenn ein Autofahrer an einer roten Ampel ordnungsgemäß anhält und dann während der Rotphase plötzlich ohne erkennbaren Grund losfährt. Oder wenn man am Steuer plötzlich durch die Sonne so geblendet wird, dass man ein Verkehrsschild übersieht. Die Missachtung des Abstandsgebots fällt, so die Richter, nicht in diese Kategorie. Umso weniger, als die Polizei in der Regel den Abstand über eine gewisse Distanz hinweg misst. Die Beweisfotos sind heute meistens gut und dokumentieren das Vergehen deutlich, auch wenn man dies als Autofahrer nicht immer einsehen will.

Jetzt muss der Autofahrer die Verfahrenskosten beider Instanzen tragen. Da ihm kein Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit vorgeworfen wurde, hat er die Chance, dass seine Rechtsschutzversicherung einspringt und für die Kosten aufkommt. Der Monat ohne Auto bleibt dem Drängler aber nicht erspart. (OLG Bamberg Beschluss vom 6.11.2018 – 3 Ss OWi 1480/18)

KStA abonnieren