StilkolumneDieses Kleidungsstück gehört im Herbst in jeden Schrank

Lesezeit 3 Minuten
GettyImages-813581426

Weil das Oktoberfest in diesem Jahr ausfällt, gibt es zumindest für das Gefühl eine Art Dirndl-Ersatz. Jedenfalls ist er genauso modisch.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Woche: Eva Reik über den neuen Trendsetter in jeder Herbstkollektion – den Lederrock. Sie verrät, was es damit auf sich hat.

Köln – Von Menschen, die fest im Society-Sattel sitzen, hörte man kürzlich ein leises, aber doch deutlich wahrnehmbares Aufatmen. „Venedig“, hauchten sie, „Filmfestspiele! Kultur! …“. Was sie meinten, sind: Roter Teppich, glitzernde Roben, bombastisches Staraufgebot. Wonach sie dürsteten: Leichtigkeit, Prunk, gefüllte Champagnergläser – in diesem verkorksten 2020, in dem sich selbst Anna Wintour (ja, die Chefin der US-Vogue) in Jogginghosen am heimischen Schreibtisch fotografieren ließ und das Jahr bislang so prickelt wie stilles Mineralwasser.

Schwamm drüber! Es gab ja Venedig. Immerhin. So könnte es weiter gehen. Tut es aber nicht. Es droht schon die nächste Lücke im sonst gespickt vollen September-Kalender: Keine Wiesn, kein Käferzelt, nichts. Tatsächlich ist das Oktoberfest auch vielen Rheinländern jedes Jahr eine Reise wert, allein um den Münchnern zu zeigen, wie kölsches Liedgut geht. Aber diesmal: Statt Maß oder Schampus die reine Leere.

Lederrock ohne Schamesröte

Wenn also Dirndl und Krachlederne im Schrank bleiben müssen – gibt es denn irgendetwas, einen winzigen Ersatz, womit sich die Lust auf zünftige Gaudi und die Sehnsucht nach dem modischen Wald- und Wiesengefühl ein bisschen befriedigen ließe? In der Tat! Als hätten es die Modedesigner, während sie vor zwei Jahren über die Herbstkollektion 2020 nachdachten, im Kollektiv geahnt, mit welch erbärmlicher Kulisse wir es aktuell zu tun haben würden, entwarfen sie – den Lederrock.

Jetzt bloß nicht nicht an die rattenscharfen Dinger in Schwarz denken, die ein, höchstens zwei Handbreit unterm Po enden und die Beine maximal frei legen; die in der Regel mit einem Schlitz versehen sind, damit man sich in der hautengen Bedeckung überhaupt fortbewegen kann, und die den Männern bei solch einem Anblick nicht selten die Schamesröte ins Gesicht treiben, weil sie jetzt zwischen den – sagen wir mal – Supermarktregalen an alles denken, nur nicht an die Bio-Milch, die ihnen die Gattin für den Einkaufszettel diktiert hat.

Moralisch verwerflich, aber elegant und sportlich

Nein, von jener Sorte Rock, die man niemals fürs Vorstellungsgespräch wählen würde, ist nicht die Rede. Es hat sozusagen ein Paradigmenwechsel stattgefunden beim Lederrock-Design: Er ist jetzt lang und weitschwingend mit einem Saum auf mittlerer Wadenhöhe und folgt einer A-Linie. Entscheidend, er sitzt auf Taille, nicht Hüfte. Ergibt also mit den unbedingt dazu zu wählenden engen Oberteilen eine klassische, elegante Sanduhrenoptik. Unter veganen Gesichtspunkten ist er noch viel verwerflicher, weil pro Stück wenigstens fünf Ziegen oder Lämmer ihre Haut lassen mussten, damit diese dann butterweich gegerbt in schmeichelnden Cognac- und Bordeaux-Tönen zur Schau getragen werden können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Jene Sorte Rock gibt es diesen Herbst in nahezu jeder Kollektion. Man trägt ihn mit Stiefeln oder Turnschuhen. Sportlich oder elegant, mit T-Shirt, Rollkragenpullover oder Schluppenbluse. Grober Strick eignet sich nicht so, Sanduhr… Günstig ist er selten, da es sich ja um luxuriöses Material handelt, aber fürs Wald- und Wiesengefühl eignet er sich ziemlich gut. Wer in Sachen Stil auf Nummer sicher gehen will, kombiniert eine Seidenbluse dazu oder sieht sich bei „0039 Italy“ um. Die Landesvorwahl, falls man nach Venedig telefonieren will, aber eben auch ein schönes, deutsches Label – garantiert mit Lederrock.

KStA abonnieren