Berge von PlastikGetränkemarkt-Chef rechnet auf Facebook mit seinen Kunden ab

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Stuttgart – Zwölf Wochen lang hat das Team eines Getränkemarkts in Stuttgart Einwegplastikflaschen und -dosen gesammelt. Und nun ein Foto des riesigen Plastik-Müllbergs auf Facebook gepostet. Jetzt rechnet der Markt auf Facebook öffentlich mit seinen Kunden ab. 

Zum Hintergrund: In Deutschland werden Einwegplastikflaschen für Säfte und Nektare nach wie vor nicht bepfandet. Jedes Jahr landen deshalb Millionen Flaschen in der Restmülltonne oder direkt in der Umwelt. In zwölf Wochen hat allein der Getränkemarkt in Stuttgart 10.400 Stück Leergut gesammelt. Die gesammelten Einwegplastikflaschen und Dosen hat das Team auf dem firmeneigenen Hof zusammengetragen – heraus kam ein riesengroßer Müllberg aus Plastik.

Getränkehandel Stuttgart: Geschäftsführer schreibt offenen Brief an die Kunden

Am vergangenen Montag postete Geschäftsführer Hans-Peter Kastner das Bild des Müllbergs auf der Facebook-Seite des Getränkemarkts. Dazu schrieb er einen offenen Brief, in dem er sich direkt an „alle Kunden und Nichtkunden” wandte, und an ihr Umweltbewusstsein appellierte. Eine Botschaft, die auf Facebook offenbar ankam: Innerhalb weniger Tage wurde der Post über 3.000-mal kommentiert und fast 40.000-mal geteilt (Stand 24. Juni 2019).

Der Geschäftsführer zeigte sich entsetzt darüber, dass so viele Menschen noch Einweg-Plastikprodukte kaufen.

„Geiz ist Geil und nach mir die Sintflut”

Er wies darauf hin, dass wir in Zeiten leben, „wo viele von Umweltschutz und Nachhaltigkeit reden, wo eine kleine Schwedin es schafft, die ganze Welt zum Zuhören zu bringen”. Gemeint ist natürlich die junge Aktivistin Greta Thunberg. „Wo Freitag die Schule zweitrangig ist und wir täglich Gedanken austauschen, wie wir das Klima und die Umwelt retten können“´, fährt er fort.

Doch obwohl das Thema Umwelt so heiß diskutiert wird, herrsche eben Bequemlichkeit vor. „Umweltschutz? Unterstützung der Nahversorgung? Nachhaltiges Denken? Nein, es geht um Bequemlichkeit, Geiz ist Geil und nach mir die Sintflut”, schimpfte der Chef. 

Getränkemarkt musste 500 Euro in 12 Wochen zahlen

Der kleine Stuttgarter Getränkemarkt selbst lehne es aus Prinzip ab, Einwegflaschen zu verkaufen. Trotzdem sei er gesetzlich dazu verpflichtet, auch anderes Pfand anzunehmen.

Aus Bequemlichkeit gäben also viele Kunden ihr Pfand nicht beim Automaten im Supermarkt ab, wo sie die Flaschen gekauft haben, sondern in seinem Getränkemarkt. Für ihn würden rund fünf Cent pro Flasche für die Entsorgung anfallen – innerhalb von 12 Wochen belaufen sich die Kosten für das „Fremd-Pfand“ also auf rund 500 Euro für den Unternehmer.

Getränkemarkt verbannt Plastik komplett aus dem Sortiment

Der Unternehmer Kastner zieht nun Konsequenzen und verbannt das Plastik komplett aus seinem Sortiment. Der „Bild-Zeitung“ sagte der Händler: „Ich habe heute einen Aushang gemacht, dass wir ab dem 1. August komplett auf Plastik verzichten werden. Damit sind wir definitiv der erste Getränkehändler in Deutschland, der das macht, wenn nicht weltweit. Ich werde versuchen, mit den Kunden ins Gespräch zu kommen und sie aufzuklären, denn ich werde auch auf Mehrweg-Plastikflaschen verzichten.“

Wie kommt er zu dieser Entscheidung? „Das Problem ist: Wenn ich die PET-Flaschen behalte, bin ich weiterhin verpflichtet, den Discounter-Müll anzunehmen. Also gehe ich komplett weg.“

„Fordern alle Kunden auf, diesen Wahnsinn zu beenden!“

Die Entscheidung für die Umwelt, könnte für ihn persönlich weitreichende Folgen haben. Denn er verzichtet damit auch auf 30 bis 35 Prozent seines Umsatzes. „Wenn ich betriebswirtschaftlich an den Punkt komme, dass ich Plastikmüll verkaufen muss, um zu überleben, dann schließe ich meinen Betrieb“, fasst der Chef zusammen. Denn er wolle seinen Kindern nicht sagen müssen, dass er nichts gegen Umweltverschmutzung getan habe.

„Wir fordern alle Kunden auf diesen Wahnsinn zu beenden! Es liegt in Ihren Händen und Sie haben die Wahl: Stärken Sie den Fachhandel! Kaufen Sie Mehrweg anstatt Einweg! Helfen Sie mit die Umwelt zu verbessern! Reduzieren Sie unnötigen Plastikmüll! Sichern Sie die Nahversorgung und somit auch die Nachhaltigkeit”, fordert Kastner.

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Deutsche Umwelthilfe fordert Mehrwegquote für Getränkeverpackungen 

Der EU-Ministerrat verabschiedete erst im Mai ein Verbot von Plastikstrohhalmen, Einweg-Besteck und Tellern zur Verringerung von Plastikmüll. Die Deutsche Umwelthilfe hat in diesem Zusammenhang ebenfalls betont, noch mehr gegen unnötige Abfallberge zu tun: Zur Lösung des Gesamtproblems von zu viel Plastikabfall reiche das Verbot einiger Einwegprodukte nicht aus.

Hierzu sei ein verbindliches Abfallvermeidungsziel, die Umsetzung der Mehrwegquote für Getränkeverpackungen, Wiederverwendungsquoten für alle Verkaufsverpackungen und eine deutliche Verteuerung von Kunststoffen aus Neumaterial notwendig. (mg)

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