Ende der Maskenpflicht im UnterrichtSchüler und Eltern reagieren gespalten

Lesezeit 5 Minuten
262886269

Schülerinnen und Schüler dürfen selbst entscheiden, ob sie im Unterricht eine Maske tragen.

Köln – Mit gemischten Gefühlen hat an vielen Schulen in Nordrhein-Westfalen am Dienstag der Unterricht ohne Mund-Nasen-Schutz begonnen. Die Abschaffung der Maskenpflicht sorgt für jede Menge Polarisierung bei Schülern, Eltern und Lehrkräften: „Die Elternschaft ist in der Haltung der Maskenpflicht sehr gespalten“, erläutert Nathalie Binz, Vorsitzende der Stadtschulpflegschaft Köln. Diese vertritt 150 000 Kölner Eltern.

Aus Sicht der Stadtschulpflegschaft wälzt die Politik die Verantwortung mit der Entscheidung für die Abschaffung der Maskenpflicht auf die Schulen ab. Vor Ort in den Schulen müssen sie nun die Debatten darüber führen, ob die Maske von allen aus Solidarität weiter getragen werden soll. Sie müssen sich auseinandersetzen mit Eltern, die ihre Kinder jetzt aus Angst nicht mehr in die Schule schicken wollen, und mit aufgebrachten Eltern, die befürchten, dass ihre Kinder jetzt moralisch unter Druck gesetzt werden, doch weiter die Maske zu tragen.

Blitzumfrage am Wochenende

Um die Stimmung besser einschätzen zu können, hat die Stadtschulpflegschaft an diesem Wochenende eine Blitzumfrage gestartet, die sie über die Schulpflegschaften aller Schulen an die Eltern weiterleiten lässt. Obwohl die Umfrage noch läuft und diese ja über die Pflegschaften erstmal bei den Eltern landen muss, hatten schon innerhalb von zwei Tagen 12 400 Kölner Eltern mitgemacht. „Man sieht daran, dass die Eltern beteiligt werden möchten“, sagt Binz.

Bei der Haltung der Eltern müsse man unterscheiden zwischen Eltern von Kindern über zwölf Jahren und den Eltern jüngerer Kinder, sagt Binz: Die Eltern von Kindern ab zwölf Jahren seien entspannter, weil sie ja für ihre Kinder ein Impfangebot bekommen hätten. „Sie konnten sich entscheiden, wie sie damit umgehen. Wenn alle die Gelegenheit hatten, ein solches Angebot anzunehmen, ist der Schutz von Seiten des Staates auch nicht mehr zu rechtfertigen.“

Sorge vor Quarantäne

Bei den Unter-Zwölfjährigen sieht Binz jedoch bei den Eltern eine sehr zugespitzte, aufgeheizte Lagerbildung. Da seien diejenigen, die auf keinen Fall möchten, dass ihre Grundschulkinder Maske tragen müssen und die auch schon im Vorfeld massiv dafür gekämpft hätten. Und da seien auf der anderen Seite diejenigen, die Sorge haben vor einem massiven Anstieg der Infektionen und viel mehr Quarantänefällen an den Grundschulen – zumal ja ab jetzt auch die Sitznachbarn von infizierten Schülerinnen wieder mit in Quarantäne gehen, sofern sie nicht genesen oder geimpft sind.

Viele überlegten, ob sie ihre Kinder nicht weiter freiwillig die Maske tragen lassen. An einigen Schulen wandten sich die Schulleitungen in Briefen an Eltern und Schüler mit der Bitte um freiwilliges Maskentragen im Sinne des Infektionsschutzes und um den Präsenzunterricht nicht zu gefährden.

Landesschülerinnenvertretung kritisiert Ende der Maskenpflicht im Unterricht

Genau das müsse jetzt vermieden werden, sagte die Kölnerin Nina Hoppe, Mit-Initiatorin der Petition „Abschaffung der Maskenpflicht am Platz an Grundschulen in NRW“. Die Vorgaben der Landesregierung dürften nun nicht durch moralischen Druck der Lehrkräfte und Schulleitungen umgangen würden „und die Kinder wirklich frei entscheiden können“. Und so haben sie in beiden Lagern gleichermaßen Sorge vor dem Konformitätsdruck und der Gruppendynamik: Vor dem Druck die Maske zu tragen, ebenso wie vor dem Gruppendruck, sie auszuziehen.

Die Sprecherin, der Landesschülerinnenvertretung, Xueling Zhou, forderte nun sogar öffentlich Toleranz für Kinder und Jugendliche, die sich weiter für die Maske entschieden. Auch sie werde weiterhin Maske tragen, sagt Zhou und appelliert an ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, dasselbe zu tun. „Das Ende der Maskenpflicht ist für uns eine sehr fahrlässige Entscheidung, da viele Kinder der ersten bis sechsten Klasse noch keine Möglichkeit zur Impfung haben“, so Zhou. Die Sorge vor einem Ende des Präsenzunterricht scheint groß: „Als wir das letzte Mal im Herbst die Maskenpflicht aufgehoben haben, waren wir kurzerhand wieder im Distanzunterricht“, sagt Zhou. „Da möchten wir nicht wieder hin.“

Sabine Mistler schlägt Kompromiss vor

Sabine Mistler vom Philologenverband warnt derweil vor Experimenten. „Wir halten den Zeitpunkt für unglücklich“, sagt Mistler. Die Temperaturen würden sinken, noch immer fehlen Luftfilter an Schulen. „Angesichts der steigenden Zahlen kommt die Lockerung der Maskenpflicht möglicherweise zu früh.“ Allein in Köln haben sich die Infektionszahlen an Schulen innerhalb von weniger als einer Woche nach Angaben der Stadt verdoppelt von 250 auf aktuell 510 infizierte Schülerinnen und Schülern.

Natürlich wünscht sich auch Mistler ein Ende der Maske im Unterricht: Sie beeinträchtige die Schülerinnen und Schüler, die Lehrer können die Mimik nicht sehen. Gleichzeitig, gibt sie zu bedenken, müssen Sitznachbarn von positiv getesteten Schülern nun wieder in Quarantäne. „Wir sorgen uns, dass durch die Quarantänemaßnahmen der Präsenzunterricht leidet.“ Zudem müssen nun Lehrer wird dokumentieren, welche Sitznachbarn die Schüler haben - was wiederum Unterrichtszeit kostet. Das Verlangen nach Ruhe und Verlässlichkeit sei an Schulen ernorm groß, so Mistler. Es sei wichtig, dass sich Schülerinnen und Schüler mit einem geregelten Unterricht aufs Lernen konzentrieren können.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nun gelten in Schulen ähnliche Regelungen wie in einigen Großraumbüros: Auf den Fluren herrscht Maskenpflicht, bei Sitzen am Arbeitsplatz darf die Maske abgelegt werden. Der große Unterschied sei der Platz: „Eine Abstandsregelung von eineinhalb Metern können wir in der Schule nicht umsetzen, das ist völlig unrealistisch.“ Sie schlägt einen Kompromiss vor: In kleineren Kursen, wo pro Schüler eine gewisse Quadratmeterzahl Platz ist und regelmäßig gelüftet wird, könne die Maskenpflicht am Platz fallen. „Geht man aber in einen schlecht durchlüfteten, kleinen Klassenraum mit 30 Leuten, dann wird das schwierig.“

Bei der Umfrage der Stadtschulpflegschaft zeichnet sich bereits eine Tendenz ab: Von den bislang 12 400 mitmachenden Eltern befürwortet ein Drittel die Beibehaltung der Maskenpflicht zum jetzigen Zeitpunkt. „Uns hat überrascht, dass es so viele sind“, sagt Binz. Sie und ihr Vorstandsteam sehen die Abschaffung der Maskenpflicht gerade zu Beginn des Winters sehr kritisch. „Die Kinder tragen jetzt schon so lange Masken. Warum konnten wir nicht noch die paar Wochen warten, bis der Impfstoff für die Fünf- bis Elfjährigen, der ja jetzt in Sicht ist, zur Verfügung steht.“ Aber die Stadtschulpflegschaft sei ja nur ein Gremium aus sieben Personen. Um für die gesamte Elternschaft sprechfähig zu sein, sei diese Umfrage wertvoll.  

KStA abonnieren