„Hart aber fair“ zur SprachePlasberg startet mit „Zigeunersauce“ und „Mohrenstraße“

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Stephan Anpalagan (l.) und Frank Plasberg

  • Ein heikles Thema und doch so wichtig, dass darüber geredet wird: Was darf man noch sagen oder was besser nicht? Und warum?
  • Die Talk-Runde bei „Hart aber fair“ diskutierte am Montag diskriminierende Sprache, jüngstes Beispiel: „Zigeunersauce“.
  • Hat sich dabei jemand im Ton vergriffen? Die Kritik.

Köln – Wenn man das Thema der aktuellsten „Hart aber fair“-Ausgabe liest, dann könnte man meinen, dass Moderator Frank Plasberg und die Gesprächsrunde besonders gerne einen Drahtseilakt vollführen: „Streit um die Sprache – Was darf man noch sagen und was besser nicht?“, so die Frage der Sendung.

Die Debatte um diskriminierende Sprache polarisiert. Auf der einen Seite Verfechter einer sich weiterentwickelnden Sprache, die rassistische, sexistische oder anders diskriminierende Worte ausmerzt. Auf der anderen Seite das Lager der Maxime: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Als Beispiel der jüngsten Sprach-Diskussion bebilderte die Redaktion das Thema mit einem Glas „Zigeunersauce“ und dem Schild der umstrittenen Haltestelle „Mohrenstraße“ – vielversprechende Vorschau auf den TV-Abend. Positiv ist, dass nicht nur weiße Deutsche an der Diskussionsrunde teilnahmen – sondern auch Betroffene von Ressentiments. Ob sich die Gäste im Ton vergriffen oder das nötige Fingerspitzengefühl bewiesen, lesen Sie in der Kritik.

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Bei „Hart aber fair“ wurde über Sprache diskutiert.

Die Gäste des Abends

Jürgen von der Lippe, der bekannte Comedian und Moderator ist ein Verfechter von einer Sprache ohne Einschränkungen. In einem Interview mit dem „Spiegel“ machte er schon 2014 deutlich, dass er Anreden wie „Liebe Kolleginnen und Kollegen“ für „Gender-Scheiße“ hält. So deutlich wurde er in der Sendung nicht, aber er beharrte auf seinem Standpunkt, dass er sich keine Einschränkungen der Sprache vorschreiben lassen will.

Stefanie Lohaus ist Publizistin, Gründerin und Mitherausgeberin des „Missy Magazine“, das sich selbst als feministisches Magazin für Politik und Popkultur bezeichnet. Hatte und teilweise nahm sie sich viele Redeanteile in der Diskussion und vertrat eine Sprache frei von Diskriminierung.

Stephan Anpalagan ist Theologe und hat die Beratungsorganisation „Demokratie in Arbeit“ gegründet, die demokratische Werte in Unternehmenskulturen stärken will. Der gebürtige Singhalese machte sich ebenfalls für eine diskriminierungsfreie Sprache stark.

Jan Weiler ist Schriftsteller, Kolumnist und arbeitete unter anderem fünf Jahre als Chefredakteur des „Süddeutsche Zeitung Magazin“. Er machte sich dafür stark, der Gesellschaft nicht Sprachregeln aufzuzwingen, sondern Probleme wie unterschiedliche Bezahlung der Geschlechter anzupacken.

Svenja Flaßpöhler ist Philosophin und Chefredakteurin des „Philosophie Magazin“. Außerdem leitet sie das Philosophie-Festival „Phil.Cologne“ mit, das seit 2013 jährlich in Köln stattfindet.

Im Einzelgespräch mit Moderator Plasberg: Andrew Onuegbu. Er wurde in Nigeria geboren und zog 1992 nach Deutschland. In Kiel eröffnete der gelernte Koch ein Restaurant mit dem Namen „Zum Mohrenkopf“. Er erhielt viel Zuspruch für den selbstbewussten Umgang mit dem schwierigen Begriff. Es gab jedoch auch Kritik – wie so oft in der Sendung fanden die Gäste nicht zu einer gemeinsamen Linie.

So lief die Diskussion

Schon in der Einleitungsmoderation machte Moderator Frank Plasberg deutlich, dass es eben nicht nur um „Zigeunersauce“ oder ein Halteschild „Mohrenstraße“ geht, sondern um die Wirkung von Sprache. Nach kurzem Geplänkel mit Svenja Flaßpöhler wurden die Fronten des Abends recht schnell geklärt – wie praktisch für den Zuschauer, auch nach Sitzen im Studio geordnet.

Anpalagan und Lohaus sprachen sich klar für eine gendergerechte und diskriminierungsfreie Sprache aus, inklusive Gendersternchen und der Veränderung von klassischer Literatur. Auf der anderen Seite standen Weiler und von der Lippe – sicher nur zufällig beide weiß, deutsch und männlich. Flaßpöhler nahm mit Plasberg fast eine Moderatorinnen-Rolle in der Mitte ein.

Die Lager besprachen zunächst die Frage, ob Sprache auch das Bewusstsein formt. Schriftsteller Jan Weiler meinte: „Die Sprache ist unschuldig. Es geht darum, die Diskriminierten von ihren Diskriminierungen zu befreien.“ Anpalagan und Lohaus stellten sich klar dagegen, die Publizistin meinte: „Das Gegenteil ist der Fall. Sprache konstituiert unser Denken, ja, sogar unsere Emotionen.“

Dann wurde es hitziger: Publizistin Lohaus und Philosophin Flaßpöhler gerieten aneinander und legten erstmal grundlegende Regeln für ein Diskussion fest. Sie einigten sich darauf, dass es wichtig sei, zuzuhören.

Danach kühlte die Diskussion wieder etwas ab. Moderator und Gäste hangelten sich an diversen Beispielen für diskriminierende Sprache entlang. Wie man mit dieser umgehen soll, das blieb größtenteils unbeantwortet. Jedes Lager wurde bedient.

Zum Schluss versuchte es Moderator Plasberg harmonisch zu beenden, es gelang jedoch nur halb. Zu weit lagen die Positionen der Gäste auseinander. Erschwert wurde ein versöhnlicher Abschluss durch die ständigen gegenseitigen Unterbrechungen, als Publizistin Lohaus ihren Punkt machen wollte, sie fühlte sich offenbar ungerecht behandelt.

Der Moment des Abends

Kurz nach Sendungsbeginn, noch in der Vorstellungsrunde der Gäste, wollte Moderator Frank Plasberg offenbar einen Knall erzwingen: „Welches Tabu-Wort würde für Sie einen Shitstorm auslösen“, fragte er Svenja Flaßpöhler. Doch auch nach mehrfachem Nachhaken blieb die Philosophin cool und ließ sich nicht aufs Glatteis führen. Ein diskriminierendes Wort sprach sie nicht aus, weil sie eine Diskussion fördern wollte und am Ende nicht nur über den Tabu-Bruch lesen wollte – gut gelöst.

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Umso ärgerlicher ist es, dass die Gesprächsrunde später in der Diskussion über Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ doch mehrfach den äußerst umstrittenen und rassistischen Begriff für Pippis Vater, den Südseekönig, nannte. Aber das fand wohl auch nur ein Diskussions-Lager ärgerlich.

Das Fazit

Auch nach mehr als einer Stunde „Hart aber fair“ mit klugen Gästen kommen die Lager nicht zueinander. Die Sprache polarisiert – auch in der TV-Talkrunde. Immerhin ergab sich eine teils spannende Diskussion.

Doch eine Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit diskriminierender Sprache bleibt aus. Dass die Debatten-Lager so auf ihren Positionen beharren, zeigt wohl auch, dass das Thema schon so komplex ist, dass dies auch mit Gästen, die sich viel mit dem Thema auseinander gesetzt haben, nicht in einer TV-Sendung zu beantworten ist.

Was die Sendung aber geschafft haben könnte, ist der erste Schritt zu einer Weiterentwicklung der Sprache: Und das ist das Bewusstsein, dass es überhaupt diskriminierende Sprache gibt. Wie jeder und jede mit diesem Bewusstsein umgeht – und sich damit indirekt einem Lager zuordnet – bleibt wohl jedermann und jederfau selbst überlassen, bis eine Antwort auf die Sendungsfrage gefunden ist.

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