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Proteste in BelarusFrauen demonstrieren nun auch tagsüber gegen Lukaschenko

Lesezeit 3 Minuten
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Frauen bilden am Donnerstag mit Blumen in der Hand im Stadtzentrum von Minsk eine Menschenkette. 

Minsk – Nach der von schweren Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Belarus (Weißrussland) haben die Proteste in der Hauptstadt Minsk wieder begonnen. Frauen versammelten sich am Donnerstagmorgen im Zentrum zu friedlichen Solidaritätsaktionen und bildeten Menschenketten, wie in Kanälen des Nachrichtendienstes Telegram zu sehen war. Viele trugen weiße Kleidung und hielten Blumen in den Händen.

Die Aktionen, die bisher vor allem am Abend und in der Nacht liefen, richten sich gegen den autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko. Der 65-Jährige hatte sich in einer umstrittenen Präsidentenwahl nach 26 Jahren im Amt zum sechsten Mal in Folge zum Sieger erklären lassen.

Bei den Protesten am Mitttwoch nahm die Polizei nach offiziellen Angaben am Mittwoch rund 700 Menschen fest. Wie das Innenministerium am Donnerstag mitteilte, wurden sie wegen ihrer Teilnahme an „illegalen“ Protestversammlungen festgenommen. Damit ist die Zahl der Festnahmen der vergangenen Tage auf mindestens 6700 gestiegen. 

Polizei bestätigt Tod eines Demonstranten

In der Nacht zum Donnerstag gab es neue Proteste mit weiteren Festnahmen, allerdings nach Meinung von Beobachtern mit weniger Polizei-Gewalt als an den Vortagen. Die Polizei in der Stadt Gomel bestätigte am Mittwochabend den Tod eines jungen Mannes, der am Sonntag festgenommen worden war.

Die Mutter des 25-Jährigen hatte den Sicherheitskräften Willkür vorgeworfen und sie verantwortlich gemacht für den Tod. Ihr Sohn, der eine Herzkrankheit gehabt habe, sei am Wahlsonntag auf dem Weg zu seiner Freundin festgenommen worden und dann in Polizeigewahrsam im Krankenhaus gestorben. Die Polizei teilte mit, dass die Gerichtsmedizin die Todesursache klären müsse.

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Nach Darstellung der Ermittler hatte der Mann an nicht genehmigten Protesten teilgenommen und sei dann mit 10 Tagen Arrest bestraft worden. Sein Gesundheitszustand soll sich im Gewahrsam verschlechtert haben, weshalb er in ein Krankenhaus gekommen sei. Dort starb er den Behördenangaben zufolge. 

Bei den Protesten wurden insgesamt bereits zwei Menschen getötet und dutzende weitere verletzt. 

Scharfe Kritik an Lukaschenko aus EU-Staaten

Deutschland und andere EU-Staaten haben die neue „Repressionswelle“ unter Lukaschenko scharf kritisiert. Die EU-Außenminister wollen an diesem Freitag bei einer außerordentlichen Videokonferenz über die Lage in der Ex-Sowjetrepublik beraten.

Dem amtlichen Wahlergebnis zufolge hatte der seit 26 Jahren mit harter Hand regierende Lukaschenko mehr als 80 Prozent der Stimmen geholt. Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die bei ihren Wahlkampf-Auftritten großen Zulauf hatte und nach der Wahl nach Litauen flüchten musste, soll demnach nur auf rund zehn Prozent gekommen sein. An dem offiziellen Wahlergebnis gibt es auch in der EU erhebliche Zweifel.

Der tschechische Außenminister Tomas Petricek bestellte den belarussischen Botschafter in Prag ein, um gegen die aus seiner Sicht „undemokratischen Wahlen“ in der Ex-Sowjetrepublik zu protestieren. Das teilte der Sozialdemokrat am Donnerstag bei Twitter mit. 

Belarus ist Mitglied in der östlichen Partnerschaft der EU. In der Diskussion ist die Wiedereinführung von Sanktionen gegen Lukaschenkos Machtapparat.

US-Außenminister Mike Pompeo sagte dem von Washington finanzierten Radiosender Radio Free Europa/Radio Liberty, dass auch sein Land neue Sanktionen prüfen könne. „Wir wollen gute Ergebnisse für die Menschen in Belarus und werden entsprechend agieren“, sagte er. Die USA und Belarus haben gerade erst wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen nach jahrelanger Eiszeit. (dpa,. afp)

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