ReformvorschlagSeehofer will Bundespolizei mehr Spielraum für Abschiebungen geben

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Seehofer Bundespolizei

Innenminister Horst Seehofer spricht mit Polizisten einer Spezialeinheit (Archivbild)

Berlin – Die Zahl der Asylanträge geht zurück - trotzdem dringt vor allem die Union darauf, dass Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung schneller außer Landes gebracht werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will dafür jetzt die Abschiebe-Zuständigkeit der Bundespolizei massiv ausweiten. Die Bundespolizisten sollen sich künftig auch für bestimmte Fälle zuständig erklären können, die bislang Sache der Länder sind.

Im Entwurf seines Hauses für ein neues Bundespolizeigesetz, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, die Zuständigkeit der Bundespolizisten für Fälle von unerlaubter Einreise solle sich künftig nicht nur auf Bahnhöfe und den 30-Kilometer-Bereich an der Grenze beschränken. Sie soll demnach auch sogenannte Hauptverkehrsrouten umfassen, falls „aufgrund von Lageerkenntnissen anzunehmen ist, dass diese Verkehrswege zur unerlaubten Einreise genutzt werden“. Also zum Beispiel Parkplätze an der Autobahn, auf denen Schleuser Migranten absetzen, oder Haltepunkte von Fernbussen. An diesen Orten sind bislang die Länder-Polizeibehörden zuständig.

Die Bundespolizei soll sich, da wo sie ihre Aufgaben wahrnimmt, auch um die Abschiebung von schon lange Ausreisepflichtigen kümmern dürfen. Wenn ihr also beispielsweise bei einer Kontrolle am Bahnhof oder Flughafen jemand auffällt, dessen Touristenvisum schon lange abgelaufen ist. Bundespolizei-Präsident Dieter Romann erinnnert dabei gerne an den Fall des späteren Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri. Der abgelehnte Asylbewerber aus Tunesien war im Juli 2016 in Friedrichshafen von Bundespolizisten in einem Fernbus angetroffen worden. Der polizeibekannte Islamist trug gefälschte italienische Personaldokumente bei sich. Er wurde festgenommen und später zuständigkeitshalber der Landespolizei übergeben. Die Ausländerbehörde Friedrichshafen ordnete zwar Abschiebehaft an. Da man davon ausging, eine Abschiebung könne wegen fehlender Papiere nicht innerhalb von drei Monaten bewerkstelligt werden, kam er wieder frei. Am 19. Dezember 2016 tötete Amri in Berlin zwölf Menschen.

Zuständigkeit soll nach sechs Monaten übergehen

Der Entwurf sieht vor, dass die Zuständigkeit nach spätestens sechs Monaten auf die Ausländerbehörde übergeht, falls der Bundespolizei eine Abschiebung bis dahin nicht gelungen ist. Ob die Länder den Eingriff als Entlastung sehen oder ablehnen, wird sich zeigen. Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle sieht das Vorhaben skeptisch. „Kein Landes-Innenminister, der bei Trost ist, kann das gutheißen“, sagte er der dpa. „Besser wäre es, eine transparente Föderalismuskommission einzurichten, mit der die Aufgabenverteilung im Bereich der Inneren Sicherheit insgesamt evaluiert und neu aufgestellt wird.“

Es geht in der Gesetzesnovelle auch noch um ganz andere Fragen. Der Entwurf, der aktuell zwischen den Ressorts der Bundesregierung abgestimmt wird, erlaubt Bundespolizisten die Verwendung von Elektroimpulsgeräten. Diese sogenannten Taser, die schon in einigen Bundesländern genutzt werden, verschießen Strom-Pfeile, die über dünne Drähte mit der Waffe verbunden sind. Die elektrischen Impulse sollen einen Angreifer vorübergehend außer Gefecht setzen.

Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, sagte, man müsse die Möglichkeit jetzt analysieren. „Einige Kollegen sagen uns, dass sie das vor allem zur Eigensicherung verwenden würden.“

Neu ist auch der Vorschlag, die Bundespolizei solle verdeckte Ermittler in Zukunft auch präventiv einsetzen dürfen. Bisher ist ihr das nur im Zuge von Ermittlungsverfahren gestattet. Denkbar wäre ein solcher Einsatz etwa, um Schleuserbanden auf die Schliche zu kommen. So könnte beispielsweise ein Polizist als Fernbusfahrer anheuern. Bisher darf die Bundespolizei nur einen Busfahrer als sogenannte Vertrauensperson gewinnen, die über unerlaubte Einreisen berichtet.

„Finaler Rettungsschuss“ in Ausnahmesituationen

Das Innenministerium will außerdem, dass eine rechtliche Grundlage für den „finalen Rettungsschuss“ in besonderen Situationen wie Geiselnahmen und Terroranschlägen ins Gesetz aufgenommen wird. Diese Frage betrifft vor allem die Spezialeinheit GSG 9.

Für aufgeregte Debatten hatte der Entwurf bisher aus anderem Grund gesorgt. In einer früheren Fassung war die Möglichkeit der automatisierten Gesichtserkennung an Flughäfen und Bahnhöfen enthalten. Dabei können Aufnahmen aus Videokameras sozusagen live mit Gesichtsbildern aus Datenbanken der Polizei abgeglichen werden. Kurz vor Beginn der Ressortabstimmung hatte Seehofer diesen Passus gestrichen. Unionspolitiker möchten ihn wieder einfügen. (dpa)

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