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Der verschwiegene WeihbischofWie es zur Anklage wegen Untreue kam

Lesezeit 5 Minuten
Johannes Bündgens

„Der Bischof handelte stets in ihrem Interesse und mit ihrer Zustimmung“, sagt Bündgens Strafverteidiger über dessen Verhältnis zu der 78-Jährigen. (Archivbild)

  • Die Staatsanwaltschaft Köln hat gegen den Aachener Weihbischof Johannes Bündgens Anklage wegen Untreue erhoben.
  • Das Bistum zeigte sich entsetzt.
  • Die Affäre wirft erneut ein schlechtes Licht auf katholische Kirchenträger.

Aachen – Die alarmierende Nachricht seines Anwalts erreichte den Weihbischof Johannes Bündgens, 63, während seiner Dienstreise nach Kolumbien. Der Geistliche wollte als Beauftragter des Aachener Bistums einem Partnerprojekt einen Besuch abstatten. Doch was sein Kölner Strafverteidiger Gottfried Reims ihm mitzuteilen hatte, hörte sich alles andere als beruhigend an.

Ein Spiegel-Reporter hatte Wind von einer delikaten Angelegenheit bekommen. Von jener heiklen Finanzaffäre, von der man hoffte, sie still und leise beerdigen zu können, ehe die Öffentlichkeit oder die Bistumsspitze davon erfahren würden. Bereits im Juni hatte die Kölner Staatsanwaltschaft Bündgens wegen Untreue angeklagt. Die Strafverfolger werfen dem Geistlichen vor, knapp 128 000 Euro von den Konten der dementen Rentnerin Marga K. aus Kerpen abgezweigt zu haben.

Weihbischof wollte öffentlichen Prozess vermeiden

Monatelang verschwieg der Weihbischof sowohl dem Aachener Bischof Helmut Dieser als auch dessen Generalvikar Andreas Frick die Probleme mit der Justiz. Schließlich bestand Hoffnung, dass es nie zu einem öffentlichen Prozess kommen würde. Zuletzt hatte Anwalt Reims in einer Einlassung für seinen Mandanten erklärt, warum der angeklagte geistliche Würdenträger sich keiner Untreuehandlung schuldig gemacht haben könne.

Die Medienanfrage änderte die Lage. Bündgens weihte die Bistumsspitze vergangenen Dienstag ein und lässt seither seine Ämter ruhen. Aachens Bischof Dieser zeigte sich entsetzt und bestellte Bündgens umgehend zum Rapport. Am Freitag und am Wochenende werde es Gespräche mit dem Weihbischof geben, um zu entscheiden, wie es nun weitergehen soll, sagte ein Bistumssprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Aachens Bischof zeigte sich entsetzt

Die Affäre wirft erneut ein schlechtes Licht auf katholische Kirchenträger. Immer neue Missbrauchsskandale werden bekannt. Und auch wenn Geistliche die Finanzen ihres Sprengels in die Hand nehmen, entstehen mitunter Millionenverluste. So geschehen etwa im Bistum Eichstätt, wo durch riskante Immobilienspekulationen in den USA 50 Millionen Euro versenkt worden sein sollen. Oder zuletzt im Fall des Bonner Stadtdechanten Wilfried Schumacher. Unter seiner Ägide sollen rund 3,5 Millionen Euro aus dem Substanzvermögen verwendet worden sein, um Liquiditätsengpässe im laufenden Haushalt der Bonner Münsterpfarrei zu stopfen. Schumacher akzeptierte inzwischen eine Strafzahlung in fünfstelliger Höhe.

Eine Million Katholiken

Das Bistum Aachen ist eines von fünf Bistümern in NRW. Im Gebiet, das dem Bischof untersteht, leben gut eine Million Katholiken, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von gut 50 Prozent.

Erbschaften an Kirchengemeinden werden nach Auskunft des Bistums nicht zentral erfasst. Auf Anfrage erklärt man aber, dass Nachlässe „in der Regel mit Auflagen versehen sind“, zum Beispiel für „Gebäude oder soziale Zwecke“ verwendet werden müssen. (cll) 

Für Schlagzeilen sorgten auch etliche betrügerische katholische Priester. So soll ein Pfarrer aus der Gemeindekasse Hückelhoven 120 000 Euro entnommen haben. Bereits im März 2018 hatte das Bistum Aachen den Fall öffentlich gemacht. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen den Geistlichen, zog aber die Anklage aus unbekannten Gründen zurück. Ein vorbestrafter früherer katholischer Priester aus Unna wurde 2017 verurteilt, weil er einen sechsstelligen Betrag aus dem Kirchenetat eingestrichen hatte. Er kam mit einer Geldstrafe davon, wurde aber auf Schadenersatzzahlung von 100 000 Euro an die Kirche verklagt.

Reiche Witwe übertrug Bündgens Vollmacht

In Ballenstedt nahe Magdeburg kam ein 64-jähriger Priester im Sommer 2019 mit einem Strafbefehl von elf Monaten auf Bewährung wegen Untreue davon. In zehn Fällen hatte der Geistliche 110 000 Euro aus der Gemeindekasse geplündert. Das Geld überwies er zwischen Juli und September 2018 auf spanische Konten. „In der Hoffnung, so einen vermeintlichen Millionengewinn zu erhalten“, so ein Gerichtssprecher. Um sein ausschweifendes Leben zu finanzieren, zockte ein Dekan beim Caritasverband Lahr und dem Pfarramt Lahr-Dillingen 200 000 Euro mittels fingierter Rechnungen ab. 2018 musste er für vier Jahre in Haft.

Im Aachener Bistum schlug die Nachricht von der Anklage gegen Bündgens ein wie eine Bombe. Die Vorgeschichte soll sich folgendermaßen zugetragen haben: Der Angeklagte und die Rentnerin Marga K. kennen sich schon seit Jahrzehnten. Sie ist eine vermögende Witwe und strenggläubig. Im Jahr 2016 überträgt sie Bündgens eine Vollmacht über ihre Konten.

Bündgens schaltete spät Strafverteidiger ein

Im Jahr darauf diagnostizieren die Ärzte eine fortschreitende Demenz bei der 78-Jährigen. Ihr wird ein Betreuer zur Seite gestellt. Im Dezember 2017 und im Januar 2018 überweist sie dem Weihbischof Bündgens knapp 128 000 Euro auf sein Konto. Das Geld dient dem Ankauf eines dreistöckigen Mehrfamilienhauses, in dem auch Bündgens offenbar beabsichtigt, seinen Lebensabend zu verbringen. Zudem will er der Rentnerin ein lebenslanges Wohnrecht für eine der beiden anderen Wohnungen eingeräumt haben. Die Immobilie kostet 600 000 Euro. Der Betreuer der Rentnerin moniert den Geldtransfer und fordert die Summe zurück. Schließlich fehlt es an einer schriftlichen Vereinbarung oder einer Eintragung im Grundbuch. Die Staatsanwaltschaft kommt ins Spiel und beginnt zu ermitteln.

Zu guter Letzt einigt sich der Betreuer mit dem Weihbischof auf eine Rückzahlung des Betrages zu je 1000 Euro. Dennoch scheint sich der Geistliche nicht über den Ernst seiner Lage im Klaren. Erst später schaltet er zwei Strafverteidiger ein. Und diese raten ihm, umgehend den gesamten Betrag zurückzuzahlen, so dass zumindest die strafrelevante Frage des Schadens vom Tisch ist.

Richter entscheiden, ob es zum Prozess kommt

Die Anklage gegen den katholischen Würdenträger liegt nun beim Amtsgericht Kerpen. Dort müssen die Richter entscheiden, ob es zum Prozess kommt. Bündgens Verteidiger hoffen, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage vom Eis zu bekommen. Anwalt Reims betont, dass sein Mandant Frau K. ein lebenslanges Wohnrecht garantiert habe. Ferner weist er den Vorwurf zurück, Bündgens habe illegal Geld von den Konten der Rentnerin genommen. „Der Bischof hat stets in ihrem Interesse und mit ihrer Zustimmung gehandelt.“

Bleibt abzuwarten, wie die Bistumsspitze verfahren will. Wie es heißt, ist Bündgens ohnehin nicht wohlgelitten bei seinem Vorgesetzten Bischof Dieser.

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