Motordoping oder Lebensqualität?Sind Pedelecs und E-Bikes eine gute Idee?

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E-Bikes boomen.

  • Sie versprechen Langstreckenausflüge und Bergbezwingung auch bei mangelnder Fitness. Aber: Werden wir dadurch noch fauler? Und was ist eigentlich mit den Akkus?
  • Michael Greuel, 39, leitet den Regio-Desk. Mit seinem Rennrad fährt er in seiner Eifeler Heimat lieber bergauf als bergab, auch wenn es manchmal wehtut. Aber er hält das E-Bike für eine gute Alternative.
  • Stephan Klemm, 53, leitet die Abteilung zentrale Planung und Produktion. Er ist leidenschaftlicher Rennradfahrer und weiß daher, was es bedeutet, sich den Elementen auszusetzen – mit seiner eigenen Kraft, nicht mit der von Akkus.

Köln – Ich selbst besitze kein Pedelec – obwohl ich mir manchmal heimlich einen kleinen Motor am Rahmen meines Rennrads wünsche, wenn ich im Schweiße meines Angesichts eine der zahlreichen Steigungen in der heimischen Eifel hochstrample. Und ich grummele auch schon mal böse Wörter in meinen Bart, wenn mich jemand auf so einem Gefährt scheinbar mühelos und fröhlich summend überholt. Aber wie heißt es im Rheinland so schön: Mer muss och jünne künne. Und das kann ich in dem Fall sehr gut.

Insbesondere dort, wo die Landschaft nicht flach ist, benötigt es nun mal eine gewisse Grundkondition, wenn man mit dem Rad unterwegs sein will. Diese Ausdauer ist jedoch nicht jedem gegeben und der dazugehörige sportliche Ehrgeiz auch nicht – aus welchen Gründen,  ist  unerheblich. Da ist das Pedelec  eine wundervolle Möglichkeit, trotzdem auf einem Zweirad durch die Natur zu fahren und an der frischen Luft zu sein –  wenn gewollt auch über eine längere Strecke.

Die Alternative ist oft das Auto

Was ist denn die Alternative?  In den meisten Fällen wohl das Auto. Da sind mir Pedelec-Fahrer definitiv lieber – zumal sie ja auf diese Weise auch etwas für ihre Gesundheit tun: Die Hilfe durch den Elektro-Motor, der bis zu einer Geschwindigkeit von 25 km/h unterstützt, ist nur gewährleistet, wenn in die Pedale getreten wird. Ohne Bewegung geht da  nichts.

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Michael Greuel

Insbesondere für nicht so mobile Menschen ist es also ein echter Zugewinn an Lebensqualität. Sie können ihren Bewegungsradius erheblich ausweiten und ihre Grundlagenausdauer viel einfacher verbessern. Ein Pedelec kann man außerdem  als Lastenrad nutzen und das Auto auch für den Einkauf stehen lassen. Von der entfallenden Parkplatzsuche will ich gar nicht reden. 

Sicherheit und Vernunft sind Voraussetzung

Dass sich die- oder derjenige mit dem Gefährt erst einmal vertraut machen sollte, um sich mit der Technik und bei der Geschwindigkeit sicher zu fühlen, setze ich als selbstverständlich voraus.

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Die Fahrradbranche profitiert ebenfalls von den E-Rädern. Sie verzeichnete in den vergangenen Jahren teils zweistellige Wachstumsraten beim Absatz – auch schon vor der Corona-Krise. Nun hilft  das Geschäft mit E-Bikes den Fahrradhändlern,  wirtschaftlich einigermaßen unbeschadet durch die Pandemie zu kommen. 2020 wurden rund fünf Millionen Fahrräder und E-Bikes in Deutschland verkauft. 16,9 Prozent mehr als 2019. Treiber dieser Entwicklung sind ganz entscheidend die E-Bikes. Mit rund zwei Millionen Stück beträgt ihr Anteil am Gesamtabsatz fast 40 Prozent. Das sind stolze 43,4 Prozent mehr als 2019.

Konzept E-Bike zu verdammen, ist der falsche Weg

Dass Wachstum meist eine Kehrseite hat, trifft selbstverständlich auch hier zu. Für E-Motoren werden Batterien benötigt, in diesen wiederum werden seltene Erden verbaut, deren Gewinnung alles andere als unproblematisch für Natur und Mensch ist. Auch die Recycling-Frage ist noch nicht  geklärt. Deswegen jedoch das Konzept E-Bike  zu verdammen, ist der falsche Weg. Vielmehr müssen – wie für E-Autos – verträglichere Lösungen gefunden werden. Dann lasse ich mich auch weiterhin gerne in den Eifeler Bergen von fröhlich summenden Pedelec-Fahrern überholen.

Michael Greuel, 39, leitet den Regio-Desk und ist mitverantwortlich für die Lokalredaktionen im Kölner Umland.

Contra: Eine gute Sache wird verwässert

Natürlich ist es eine faszinierende Vorstellung, auch ohne die vorhandene Fitness  durch die wundervolle, aber eben auch sehr hügelige Provence auf einem Elektro-Fahrrad zu rollen. Oder  auf diese Weise die Pyrenäen zu erkunden, gerne auch den Galibier, einen Alpen-Riesen, dessen Passhöhe von 2642 Metern nach 32 Kilometern erreicht ist. Alles möglich.

Doch gleichzeitig entwickelt sich dagegen bei Radsport-Puristen ein Gefühl der Abwehr und des „Kannst-du-nicht-machen“. Dieses als Pedelec-Radeln getarnte Mofafahren,  ist bei Profis und Jedermännern und sonstigen Hobby-Radlern verpönt. Also bei jenen, die das Erlebnis schätzen und die  das Abenteuer einer Pass-Erklimmung als Bestätigung ihrer körperlichen Fitness mit in den Alltag nehmen, und zwar in Form von außergewöhnlichem Selbstvertrauen.

Das gute Gefühl, alleine etwas geschafft zu haben

Sie haben etwas Wahnwitziges geschafft, alleine, durch Qual und mit Durchhaltevermögen, das ist ein bleibender Wert, von dem sie lange zehren können. Diese an sich ja sehr gute Sache jedoch wird jedoch völlig verwässert, wenn du kurz vor den Passhöhen der hohen Gebirgszüge von einem Opi auf seinem Pedelec überholt wirst, das ihn mit 25 Stundenkilometern den Berg hinaufkatapultiert, schneller als den ja auch schon gedopten Lance Armstrong.

Stephan Klemm

Stephan Klemm

Dieses Motor-Doping nun ist ebenfalls und unbedingt eine Form des Betrugs. An sich selbst. An dem Sport, den man imitiert. An dem Gefühl, etwas mit eigener Kraft geschafft zu haben. Nein, Pedelec-Fahrer sind in Rennrad-Zirkeln keine beliebten  Verkehrsteilnehmer.

Schummel-Akku surrt am Rahmen

Doch ihre Zahl wird stetig größer, auf Fahrradwegen sieht man inzwischen kaum noch normal tretende Menschen, stattdessen surrt es leise – und der erste Blick geht auf den Rahmen: Aha, da ist ja der Schummel-Akku. Selbstredend ist diese Art des Sich-Fortbewegens durchaus erwägenswert, um sich Landschaften mal nicht nur hinter Autoscheiben anzusehen. Allerdings werden solche wegweisenden, wichtigen Erfahrungen wie der verzweifelte Kampf gegen den Gegenwind, also das Sich-Auflehnen gegen Widerstände, auf einem Motor-Rad niemals im wahrsten Sinne des Wortes erfahren.

Radtour wird nur simuliert

Ja, die Fahrrad-Industrie profitiert vom Aufschwung der Pedelecs, und es gilt als zunehmend chic, sich auf einem solchen Ding zu verabreden, um eine Radtour zu simulieren. In Wirklichkeit jedoch handelt es sich um einen Ausflug mit einem Fahrgerät, das von unsichtbaren Kräften angestupst wird, und zwar bisweilen so schnell und für ungeübte Menschen so unbeherrschbar, dass sich neben der Fahrrad-Industrie auch die der Pflaster- und Mullbinden-Hersteller sowie die der Schmerzsalben- und Schmerzmittel-Produzenten freuen kann. Mal ganz abgesehen davon, dass Stürze mit einem derart schweren, massigen und vor allem ja auch rasanten Gerät wie einem Pedelec ganz rasch eben nicht mehr   mit der Hausapotheke zu versorgen sind. Sondern nur noch von der Notfall-Ambulanz.

Nein, ein solches Pedelec ist kein Fahrrad, auch wenn es zwei Räder und Pedalen hat. Es ist eine Maschine wie etwa auch ein Taschenrechner eine Maschine ist. Mit dem lässt sich auch jede Aufgabe lösen. Aber das eigene Rechenvermögen leidet sehr darunter.

Stephan Klemm, 53, leitet die Abteilung zentrale Planung und Produktion

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