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HandwebmuseumBeim Flachsfest in Rupperath haben die Besucher viel gelernt

4 min
Marianne Bank-Regener zieht ein Bündel Flachsstängel durch eine Art Kamm, damit die Körner abfallen.

Riffeln nennt man es, wenn die Körner von den Halmen getrennt werden, wie es hier Marianne Bank-Regener zeigt.

Beim Flachsfest im Handwebmuseum Rupperath ging es nicht nur um altes Handwerk, sondern auch um Nachhaltigkeit beim Kleidungskauf.

Die Anbaufläche war denkbar klein. Auf zwei Quadratmetern hat das Team des Handwebmuseums Rupperath Flachs gesät. Er ist gut gediehen über die Sommermonate. Und das ganz ohne Dünger. Denn den brauche die alte Kulturpflanze nicht, erklärt Barbara May: „Vor allem mag er kein Nitrat.“ Jetzt hängen die Halme samt Wurzeln auf einem zweckentfremdeten Wäschereck zum Trocknen.

Wie es dann weitergeht, erfahren die interessierten Besucherinnen – Männer sind klar in der Minderzahl – beim Flachsfest. Wobei deutlich mehr gearbeitet als gefeiert wird. Bis aus den holzigen Halmen ein feiner Faden geworden ist, sind viele mühsame Schritte nötig.

Auf einem hölzernen Gestell sind Spitzen angebracht. Eine Hand zieht die Fasern darüber, um sie von holzigen Teilen zu befreien.

In langwieriger Handarbeit werden die Halme über die Hechel gezogen, bis nur noch die Fasern übrig sind.

Christiane Seufferlein ist Handwerksvermittlerin und Dozentin im Textilen Bereich. Sie ist Gründerin des Vereins Bertas Flachs und treibt das Projekt „1 qm Lein“ in Österreich und Deutschland voran. In Schweden, so erzählt sie, sei die Aktion seit Jahren populär, mittlerweile gebe es Teilnehmer in neun europäischen Ländern. Und eben in Rupperath.

Seufferlein ist aus dem Oberen Mühlviertel in Österreich angereist. Um für ihr Herzensprojekt zu werben, ist ihr kein Weg zu weit. Ihr geht es nicht nur darum, dass Flachsanbau und -verarbeitung nicht komplett aussterben. Sie denkt größer: „Das Projekt ist eine Möglichkeit zu zeigen, dass Fast Fashion keine Lösung ist.“

Es gibt kaum ein Material, das so viele Geschichten erzählen kann.
Christiane Seuffert

Im Gepäck hat sie einige „Zöpfe“, gedrehte Stränge aus langen Flachsfasern. Vor einigen Jahren habe sie eine ganz Kiste davon geschenkt bekommen. Sorgsam nimmt sie einen Zopf in die Hand: „Der ist aus dem Jahr 1877, und wenn er richtig aufbewahrt wird, hält er noch einmal 200 Jahre.“ Was nicht nur für die Haltbarkeit der Naturfaser spricht, sondern auch für ihre Bedeutung in früheren Zeiten.

Flachs-Zöpfe waren ein beliebtes Hochzeitsgeschenk für die Braut, die sie in einer Truhe verwahrte. „Es war ein feministisches Geschenk“, sagt Christiane Seufferlein – viel Geld wert und damit die eiserne Reserve der Hausfrau. Gerade in Gegenden mit kargen Böden sei Flachs die „Brotfaser“ gewesen: für viele Bauern die einzige Möglichkeit, Geld in die Hand zu bekommen.

Christiane Seufferlein steht auf dem Hof vor dem Handwebmuseum in Rupperath. Im Hintergrund sind zwei Frauen zu sehen und die Vorrichtung, um Flachs zu rippeln.

Christiane Seufferlein will mit dem Flachsprojekt den Blick auf das Konsumverhalten in Sachen Kleidung richten.

Teresa Funhas hat eine Spindel in der Hand und spinnt einen Faden aus Flachsfasern.

Ganz einfach sieht es aus, wie Teresa Funhas spinnt und den Faden um die Spindel wickelt.

„Es gibt kaum ein Material, das so viele Geschichten erzählen kann“, sagt die Expertin. Seine Geschichten gibt der Flachs, der den Grundstoff für das Leinen liefert, nur gegen harte Arbeit preis. Ein Bündel Halme durch den Riffelkamm zu ziehen, damit die Samen abfallen, macht ja noch Spaß. Aber schon bald spürt Marianne Bank-Regener, die es ausprobiert, ihre Arme.

Bei der Könnerin sieht Spinnen kinderleicht aus

Das gilt für den großen Hebel der Breche, in dem die Stängel zerknickt werden, ebenso wie für die Hechel, über deren Spitzen die Fasern immer und immer wieder gezogen werden müssen. Und auch das Spinnen ist ein mühsames Geschäft, auch wenn es kinderleicht aussieht, wie Teresa Funhas die Spindel rotieren lässt.

Gerade die Mühsal ist es, was Christiane Seufferlein den Menschen vermitteln möchte. Deshalb ist sie an Universitäten und an Schulen unterwegs. Wobei sie sich keinen Illusionen hingibt: „Wenn ich von 15 Schülern und Schülerinnen zwei dazu bringe, mal über die Nachhaltigkeit beim Kleidungskauf nachzudenken, ist das schon ein Erfolg.“

Beim Publikum in Rupperath muss sie keine Überzeugungsarbeit leisten. Das sind durch die Bank Menschen, die sich längst mit dem Wert handgeschaffener Textilien beschäftigt haben, die Wolle spinnen oder färben, die stricken, häkeln oder weben. Die dadurch aber wichtige Mitstreiterinnen sind bei dem Ziel, mehr Leuten einen anderen Blick auf den Konsum zu eröffnen. So war das Flachsfest im Handwebmuseum nicht nur eine nostalgische Veranstaltung, sondern eine mit Blick in die Zukunft.

Da wurde nicht nur über historisches Werkzeug gesprochen, sondern auch über die globalen Verflechtungen der Textilindustrie. So ziemlich alles Leinen, das heute auf dem Markt sei, komme aus China. Und es sei längst nicht mehr so unverwüstlich wie früher. Bleibt vielleicht wirklich nur, den Flachs selbst anzubauen, zu brechen, zu hecheln, zu spinnen und zu weben.