Das Handwebmuseum in Rupprath nimmt an dem europäischen Projekt „1 qm Lein“ teil und hat Flachs angebaut, der später in mühsamer Handarbeit zu Garn wird.
Flachs-AnbauBad Münstereifeler Museum will alte Kulturpflanze ins Blickfeld rücken

Sorgsam eingezäunt und akkurat in Reihe gesät, gedeiht der Flachs im Garten des Handwebmuseums. Auf dem Zaunpfahl hängt ein Büschel der Fasern, wie sie später aus den Pflanzen gewonnen werden.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Für ein Tischtuch wird es nicht reichen. Vermutlich nicht mal für ein Hemd. Aber immerhin für eine Spule Garn, selbst gemacht von der Aussaat bis zum Spinnen – hinter der alten Schule in Rupperath wächst seit neustem Flachs. Und Webstühle, um ein Leintuch herzustellen, wenn irgendwann genug Garn da ist, gibt es natürlich reichlich im Handwebmuseum.
In akkuraten Reihen sprießen die Pflänzchen, sorgsam eingezäunt, jedes Beet exakt einen Quadratmeter groß. Denn das Handwebmuseum macht mit beim Projekt „1qm Lein“. Das findet in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland statt, auf mehr als 2000 Quadratmetern in Gärten, auf Balkonen, vor Schulen oder eben hinter Museen wird Faserlein, auch Flachs genannt, gesät. Die deutsche Community ist Teil einer europaweiten Bewegung, die die alte Kulturpflanze wieder ins Blickfeld rücken will.
Flachsernte steht Anfang August an
Warum es in Rupperath zwei Quadratmeter Anbaufläche sind, erklärt Barbara May: Sie hatte sich um ein Starterpaket beworben, aber weil das Museum Kooperationspartner der Initiative ist, bekam es automatisch ebenfalls eines. Das verdoppelt zwar im besten Fall die Ausbeute, aber die bleibt immer noch gering: „Aus einem Kilo Stroh kann man ungefähr 80 Gramm Garn gewinnen“, berichtet Oskar Ferber. Er und Barbara May gehören zu den Ehrenamtlern, die das Museum betreuen.
Sie schildern den langen Weg von der Aussaat bis zum Spinnen. Derzeit muss lediglich Unkraut gejätet werden zwischen den kleinen Flachspflanzen. Die sollen gut hüfthoch wachsen und irgendwann zartblau blühen. Nach alter Sitte soll die Aussaat am 100. Tag des Jahres erfolgen. Das hat in Rupperath nicht ganz geklappt, es sei der 116. Tag gewesen, gesteht Barbara May. Nach 100 Stunden soll das erste Grün aus dem Boden schauen – so sei es auch gewesen. 100 Tage später wird geerntet, also Anfang August.
Mähen kann man Flachs nicht
Die Pflanzen werden mit der Wurzel aus der Erde gezogen. „Mähen kann man den Flachs nicht, an den Fasern würde jede Sense stumpf“, sagt Oskar Ferber. Die herausgerissenen Pflanzen trocknen, anschließend werden die Samenkapseln abgestreift. Bei der Ernte auf zwei Quadratmetern wäre das notfalls noch mit der Hand machbar, doch im Museum kann man den Riffelkamm anschauen, der früher die Arbeit etwas erleichtert hat.
Das anschließende Rösten ist nicht das, was der Begriff vermuten lässt, sondern ein Gärungsprozess, bei dem Bakterien für das Aufbrechen der Leimschichten zwischen den Bastfasern, dem holzigen Kern und der äußeren Rinde sorgen. Dafür braucht es Feuchtigkeit, also ganz das Gegenteil. Entweder wurde dazu der Flachs auf feuchte Wiesen gelegt – dann heißt es Tauröste – oder mit Steinen beschwert in wassergefüllte Kuhlen versenkt – Wasserröste genannt. Danach wurden die Stängel getrocknet, entweder in der Sonne oder auf Flachsdarren über dem Feuer.
Viele Worte aus Leinenproduktion noch heute im Sprachgebrauch
Der nächste Schritt ist das Brechen, um die holzigen Teile der Halme zu zerkleinern. Ob mit der Handbreche oder der Rollenbreche, es bleibt eine mühsame Arbeit. Die Holzteilchen, die so entstehen, heißen Schäben. Wenn sie nicht ordentlich aus den weichen Fasern entfernt werden, werden das Garn und später auch der Stoff eben schäbig. Und das ist nicht das einzige Wort aus der Welt der Leinenproduktion, das sich bis in den heutigen Sprachgebrauch erhalten hat. Um die anstrengende, aber auch eintönige Arbeit ein bisschen aufzulockern, machten die Menschen schon mal Scherze: Sie flachsten. Und bis heute werden Themen, wenn sie kritisch oder spöttisch beleuchtet werden, durchgehechelt.
Wie der Flachs: Die Fasern werden wieder und wieder über mit Nägeln besetzte Holzböcke gezogen. Hecheln nennt man diesen letzten Arbeitsgang vor dem Spinnen. Auch für die Hechelblöcke sind in den vergangenen Jahrhunderten diverse Techniken entstanden. Diverse Hecheln – grobe wie feine – kann man im Handwebmuseum anschauen, sich erklären lassen und im Herbst auch selber für den eigenen Flachs verwenden.
Museum will Leinen als Alternative zu Baumwolle bewerben
Die kurzen Fasern bleiben zwischen den Spitzen zurück, sie werden als Werg benutzt, beispielsweise um Rohrverbindungen abzudichten. Die langen Fasern sind überraschend weich und gleichzeitig stabil. Barbara May wirft mit geübter Hand das Spinnrad an, und unter ihren Fingern wird aus dem Faserknäuel auf dem Rocken ein gleichmäßiger, feiner Faden.
„Bei den vielen Arbeitsschritten ist klar, warum die Menschen früher nur ein Hemd hatten, das meist auch noch vererbt wurde“, sagt May, die nicht nur spinnt und webt, sondern auch kunstvolle Dinge aus textilen Materialien schafft. Sie hofft, dass Leinen – nicht zuletzt durch die Ein-Quadratmeter-Aktion – wieder mehr als Alternative zu Baumwolle gesehen werde. Der Anbau verbrauche viel weniger Wasser als bei Baumwolle, Flachs sei resistent gegen fast alle Schädlinge, könne regional angebaut und verarbeitet werden. Wer allerdings hofft, man könne dabei gleichzeitig Leinöl gewinnen, der wird enttäuscht. Das sei eine andere Art der Pflanze, eben der Öllein im Gegensatz zum Faserlein. Der wachse niedriger und habe viel mehr Samenkapseln.
Wer zuhause selbst Flachs angebaut hat, kann ab dem 20. Juli zum Riffeln und am 19. Oktober zur weiteren Verarbeitung ins Handwebmuseum nach Rupperath kommen. Und wenn am Ende alles versponnen ist, reicht es vielleicht wenn schon nicht für ein Tischtuch doch wenigstens für ein Hemd.
Flachsfest und eine neue Ausstellung im Handwebmuseum Rupperath
Elf Künstlerinnen haben gemeinsam den Wandbehang geschaffen, der ab Sonntag, 18. Mai (Internationaler Museumstag und Nordeifel-Aktionstag „Zu Gast in der eigenen Heimat“), in einem kleinen Raum des Handwebmuseums Rupperath zu sehen ist. Das Thema: Eifel-Bodenschätze.
So unterschiedlich die Böden und Gesteine in der Eifel sind, so vielfältig sind auch die Techniken, die sich in den rechteckigen Arbeiten wiederfinden: Da wurde gestrickt und gehäkelt, gewebt, gefilzt und gestickt. Das Material ist ungefärbte Wolle verschiedener Schafrassen, aber auch von Lamas, Alpakas und Mohairziegen. In Grau-, Beige- und Brauntönen kann der Betrachter nicht nur Tonschiefer, Sandstein oder Basalt wiedererkennen, sondern auch Gesteinsschichtungen und Fossilien wie Schnecken oder Muscheln.

Die Bodenschätze der Eifel haben die Textilkünstlerinnen zu diesem Wandbehang inspiriert.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Beteiligt waren Ulla Becker, Teresa Fuinhas, Monika Gornik, Claudia Heuser, Nadja Hormisch, Beate Lambrecht, Barbara May, Maria Michels, Karin Pfennig, Birgit Rössler und Doris Schmitten. Alle sind Mitglieder der Künstlerinnengruppe „Krapp wie Gold“ oder der Spinngruppe des Handwebmuseums. Es ist nicht die erste Arbeit dieser Art: In den Jahren 2010, 2012 und 2015 entstanden im Heimweberei-Museum Schalkenmehren bereits Wandbehänge, die für einen guten Zweck versteigert wurden. Der vierte hat auf sich warten lassen – wegen Umbauarbeiten in Schalkenmehren und dann wegen der Corona-Pandemie– und ist schließlich in Rupperath entstanden.
Im Sommer bietet das Museum zudem eine Ausstellung der Textilkünstlerin Monika Gornik. Unter dem Titel „Drinnen und draußen“ zeigt sie Stoffcollagen und Stickereien. Zu sehen ist die Ausstellung von Sonntag, 1. Juni, bis Mittwoch, 23. Juli. Das Handwebmuseum in Bad Münstereifel-Rupperath, Schulweg 1, ist jeden ersten und dritten Sonntag im Monat, 14 bis 17 Uhr, geöffnet, sowie jeden darauffolgenden Mittwoch, ebenfalls 14 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Die Ausstellung wie auch den Wandbehang können sich auch die Besucher des Flachsfestes anschauen, das am Sonntag, 19. Oktober, im Museum stattfindet. An diesem Tag wird der geröstete Flachs weiterverarbeitet. Das Museum ist von 11 bis 17 Uhr geöffnet, um Anmeldung wird gebeten.