Nach zweijähriger PauseIn Blankenheim sausen die Seifenkisten wieder

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Die jungen Piloten in ihren coolen Kisten werden zum Start hoch hinauf zum „Acker“ geschleppt.

Die jungen Piloten in ihren coolen Kisten werden zum Start hoch hinauf zum „Acker“ geschleppt.

Blankenheim-Ahrdorf – Wie immer war es in der Hubertuskurve. Dort entschied sich auch bei der 27. Auflage des Seifenkisten-Rennwochenendes in Ahrdorf, wer ein echter Könner ist. Nach zweijähriger Corona-Pause waren 33 Piloten in den verschiedenen Altersklassen am Start.

Modifizierte Kettcars und selbstgebaute Seifenkisten

„Jetzt war ich noch schneller!“ Die sechs Jahre alte Abby entstieg ihrer kleinen, bunt bemalten Seifenkiste mit den Schubkarrenrädern und legte entspannt den Helm ab. Sechs Jahre alte Kinder in modifizierten Kettcars oder selbst gebauten Seifenkisten, die die Hubertusstraße hinabsausen – das ist in Ahrdorf eben nichts Besonderes. Dort buchen Familien aus dem Ruhrgebiet eigens zum Rennwochenende einen Stellplatz auf dem örtlichen Campingplatz, damit auch ihre Kinder dabei sein können.

Seit 1974 das erste Seifenkisten-Rennen gestartet wurde, haben die Seifenkisten-Freunde Ahrdorf für ihr Dorf mittlerweile ein unverwechselbares Fest geschaffen. Zunächst fand die Veranstaltung bis 1982 statt, dann wieder seit 2002. Nach der Tour de Ahrtal, die früher im Jahr hier vorbeikommt, ist es der Sommer-Höhepunkt im Dorf.

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Seifenkisten ist das Thema Nummer eins

„In den Wochen vorher wird in so gut wie allen Garagen geschweißt und geflext. Die Seifenkiste ist das Thema Nummer eins – und die Frage: Klappt es? Ist die schneller?“ Ralf Ruland ist Ortsvorsteher von Ahrdorf. Er weiß, wie wichtig das nach zweijähriger Corona-Pause wieder veranstaltete Seifenkisten-Rennen in den vier Altersklassen ab sechs Jahren „und bis 99“ ist: „Das hat für den Zusammenhalt eine große Bedeutung.“

Ein Jahr nach dem Hochwasser, das auch an Häusern im unteren Dorfteil nahe der Ahr und an wilden Zuflüssen von den Hangwiesen erhebliche Schäden anrichtete, erfüllt das Mini-Rennspektakel zudem den Zweck, von der Flut als Thema abzulenken. An die 30 Helfer waren zum Beispiel Tage vor den Rennen mit den Vorbereitungen beschäftigt, 65 waren es am Wochenende selbst.

Hubertuskurve ist traditionell der kritischste Punkt

Die scharfe, hängende Hubertuskurve am gleichnamigen Restaurant, eine Rechtsabbiegung, ist traditionell der kritischste Punkt der für die Kinder 350 und für die ab 16-Jährigen 650 Meter langen Rennstrecke. Daher werden dort Sandsäcke und Altreifen in Reihen gestapelt, um einen möglichen Aufprall der Piloten in ihren rollenden Kisten möglichst gut abzufedern.

Jaro Frings, zehn Jahre alt, kann die Kurve jedoch nicht mehr groß schocken. Er war schon Erster, Zweiter und Vierter in den drei Seifenkisten-Rennen, bei denen er mitgefahren ist. Dabei teilt sich der Junge seine Kiste sogar mit einem weiteren, ungleich älteren Fahrer. Markus Fahs, Zeitnahme-Chef an der mit weißer Kreide dünn auf den Asphalt gezogenen Ziellinie im unteren Teil der Hubertusstraße, hat die Kiste als Nachbau der seines Vaters zusammengeschraubt und gleich zwei Sitze montiert: einen herausnehmbaren vorne für Jaro, einen dahinter für ihn selbst.

Rasante Bergabfahrt durchs Dorf

„Mein Vater hat mich mit dem Seifenkisten-Virus angesteckt“, räumt Fahs freimütig ein und will die rasante Bergabfahrt durchs Dorf einfach nicht lassen. Sein Gefährt ist in diesem Jahr schwerer als sonst: „Da steckt noch jede Menge Schlamm von der Flut drin, den haben wir gelassen.“ Das Kalkül: Schwerer ist bergab schneller.

Damit seine erzielte Zeit wie die der 32 anderen Starter vergleichbar ist, hat das Organisationsteam einige Richtlinien festgeschrieben. „Scheibenbremsen sind nicht erlaubt, bei der Länge gibt es Obergrenzen“, so Ralf Ruland. Eine Gewichtsbegrenzung gibt es aber offenbar nicht. Man hoffe so, Profis des Seifenkistenrennsports von einer Teilnahme abzuhalten. Wer bis zu 5000 Euro, so Rulands Schätzung, für eine rollende Kiste ausgibt, der hat sie mutmaßlich nicht das Jahr über zuvor in seiner Garage zusammengeschweißt, wie es in Ahrdorf schon Tradition ist.

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So kamen die meisten Starter wie immer aus dem rennsportverrückten Dorf und der näheren Umgebung. Am Hubertus-Parcours verfolgten rund 150 Besucher die Formel S – S wie Seifenkiste. Unweit führt die B258 zum Nürburgring, da waren es einmal rund 150000 bei der Formel 1. Die gastiert dort nicht mehr. In Ahrdorf aber sausen sie weiter. Das ist der Unterschied.

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