Schimmel, Staub, vergilbte FarbenReetzer Kirche wird restauriert – dringend nötig

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Alize Nowack kümmert sich um die Figur der Namenspatronin, die hl. Margaretha.

  • Sieben angehende Restauratorinnen reinigen die Heiligenfiguren und barocke Altäre in der Pfarrkirche St. Margareta und das in nur 14 Tagen.
  • Die Restaurierung ist dringend nötig: Farben sind verblichen, Figuren sind beschädigt, stellenweise sogar schon von Schimmel befallen.
  • Die Restauratorinnen machen sich Sorgen. Ein Besuch.

Blankenheim-Reetz – 14 Tage lang erhält die Pfarrkirche St. Margareta im übertragenen Sinne himmlische Hilfe: Sieben angehende Restauratorinnen reinigen Heiligenfiguren und barocke Altäre. Für manche sind sie die sieben Engel, die nun mit der dringend nötigen Restaurierung der Innenausstattung beginnen.

Ob sie nun tatsächlich zu den sieben Engeln für St. Margareta gehören? Da müssen Alize Nowack und Simone Garsbauer doch schmunzeln. Die beiden angehenden Restauratorinnen am Cologne Institute of Conservation Sciences der Technischen Hochschule Köln (TH) haben, wie ihre fünf Kommilitoninnen, gerade keine Zeit, intensiv über derartige Fragen nachzudenken. Denn das Septett der Mittzwanzigerinnen hat im 14-tägigen Praktikum reichlich zu tun.

Mehrere Notfälle in Reetzer Kirche

Im Altarraum sind Arbeitstische aufgebaut. Darauf liegen beispielsweise vor Nowack und Grasbauer unter den Arbeitslampen und umgeben vom nötigen Besteck ihres Handwerks die barocke Figur der Namenspatronin Margareta und ein kleiner Christus mit der Weltkugel. Es sind zwei Figuren aus dem Hochaltar. Beide verfügen über eine farbige Fassung über dem Holzkern. Die Farben sind jedoch stellenweise verblichen oder gerissen. Die Figuren sind beschädigt und vom Staub verschmutzt. Sie sind zwei von mehreren Notfällen.

Nowack und Garsbauer haben feine Pinsel und winzige Bohrer in der Hand. Kleine Gläser mit Lösungsmitteln und Farben stehen vor ihnen. Ein Laptop ist aufgeklappt. Behutsam entfernen sie oberflächlichen Schmutz und säubern die Fassungen.

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Manche nennen sie „Die sieben Engel für St. Margaretha“: Die angehenden Restauratorinnen von der TH Köln in der Reetzer Pfarrkirche.

Was sie und ihre fünf Kolleginnen zuerst bei der Befundsichtung an den beiden barocken Seitenaltären, dem Hochaltar vom Ende des 17. Jahrhunderts und dem „Personal“ in den Altarnischen dokumentiert haben, macht den Studierenden im sechsten Semester ihres Bachelor-Studiums Sorgen.

Schimmelbefall soll gestoppt werden

Stellenweise sind die Figuren und die drei Altäre in dem Gotteshaus sogar schon von Schimmel befallen und überall haben sich so genannte Schollen gebildet. Das Holz von Altären und Figuren arbeitet – aber anders als die aufgetragenen Farben. Die Folge: Die Fassung hebt sich stellenweise ab, wird bewegungsempfindlich, droht zu brechen und abzublättern. Das ist nichts Ungewöhnliches für eine barocke Innenausstattung in einer alten Kirche, die über Jahrhunderte Temperaturschwankungen und wechselnden Luftfeuchten ausgesetzt ist.

So kamen die Restauratorinnen nach Reetz

Um ihren Studierenden das nötige Praktikum begleitend zur Theorie in der Fachrichtung Gemälde und gefasste Skulptur zu ermöglichen, ist das wissenschaftliche Team um Diplom-Restauratorin Theresa Neuhoff und Dekanin Professor Dr. Regina Urbanek an der Fakultät für Kulturwissenschaften der TH Köln auch auf die Zusammenarbeit mit dem Amt für Denkmalpflege im Rheinland des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) angewiesen.

Die Kirchengemeinde Reetz hatte sich an das LVR-Amt gewandt und den Restaurierungsbedarf von St. Margareta angemeldet. Und so kam die Kooperation zustande, die sieben angehenden Restauratorinnen reisten nach Reetz.

Untergebracht sind sie in Ferienwohnungen im Ort, die Dorfgemeinschaft übernimmt die Verpflegung, die Kirchengemeinde bezahlt die Anreise. Weitere Kosten fallen nicht an. Und die „sieben Engel“ freuen sich nach Feierabend auch über die Freizeitmöglichkeiten – das Baden im nahen Freilinger See etwa oder auf das Grillfest, zu dem sie eingeladen waren.

Die „Patienten“ von St. Margareta befinden sich daher zum Glück noch bis zum morgigen Freitag in der „Notaufnahme“. Sie sollen konserviert, also der Bestand vor weiterem Verfall gesichert werden. Es wird gereinigt, neu fixiert, getrocknet. Ein wichtiges Ziel der Arbeiten ist auch, den weiteren Schimmelbefall zu stoppen. Das sind zehn Acht-Stunden-Arbeitstage in zwei Wochen für die sieben „Engel“.

Seniorenstammtisch besucht Restauratorinnen in Reetz

Für die Reetzer ist das ein ungewohnter, aber erfreulicher Anblick. Offiziell ist ihre Pfarrkirche für die Dauer der Restaurierungsarbeiten geschlossen. Inoffiziell aber ist der Besuch im hinteren Teil des Kirchenschiffs dann doch nicht streng verboten, um den sieben jungen Frauen einfach einmal bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit zuzusehen.

Gerüste sind vor den Altären aufgebaut, Arbeitstische, Scheinwerfer, die Studierenden tragen zum Teil Schutzmasken. Es herrscht eine konzentrierte Stille.

Auch der „Seniorenstammtisch“ von Reetz will sich das nicht entgehen lassen, so Martin Croé, stellvertretender Vorstand der Kirchengemeinde. Den Reetzer Senioren wie auch Pfarrer Andreas Züll macht die Unterstützung beim Erhalt der Kirchenausstattung Mut: Dass die jungen Frauen dort sind, wird schon als eine Rettung bezeichnet.

Eigentliche Restauration hat noch gar nicht begonnen

Die sind akribisch bei der Arbeit. Laura Altschmied etwa: Neun bis zwölf Stunden hat sie alleine am Hochaltar mit dem Watte-Pützchen, ein kleines Stäbchen mit Wattekopf, getunkt in ein Lösungsmittel, die Simse neben dem Tabernakel gereinigt. „Hier stehen Kerzen im Halter. Über die Jahrzehnte haben sich Wachsspritzer beim Ausblasen abgelagert. Sie müssen alle entfernt werden“, so Altschmied. Ihre Kommilitonin Raffaela Bemeo Tosi zieht währenddessen eine neue Spritze auf. Am linken Seitenaltar müssen aus der Distanz nicht wahrnehmbare, abstehende Schollen der flächigen Farbfassung fixiert werden. Dafür verwendet sie tierischen Glutin-Leim.

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Raffaela Bemeo Tosi injiziert ein Bindemittel um abstehende Farbflächen wieder zu fixieren.

Doch mit einem Pinsel kann sie das Bindemittel nicht auftragen, und es auch nicht vorsichtig unter die Farbschichten legen, ohne diese zu zerstören. Also wird injiziert. Am Freitag werden die sieben Engel für St. Margareta ihre Arbeit beenden. Dann haben sie vor allen Dingen den Bestand gesichert.

Doch die eigentliche Restauration hat noch gar nicht begonnen. Der Kirchengemeindevorstand will beraten, wie es weitergehen soll. Die Wahrscheinlichkeit, dass im kommenden Jahr erneut solch fleißige „Engel“ nach St. Margareta kommen, ist jedoch gering. Und Martin Croé glaubt schließlich nicht an Wunder. Er hofft stattdessen auf Sponsoren, die den Reetzern bei den Arbeiten in der Kirche finanziell helfen.

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