Bundesweites PilotprojektWie die Euskirchener ihren Müll sorgfältiger trennen sollen

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Eine Recyclingquote von 50 Prozent beim Verpackungsmüll lässt sich bei den Dualen Systemen nur erreichen, wenn die Kreisbürger sorgfältiger als bisher sortieren.

Eine Recyclingquote von 50 Prozent beim Verpackungsmüll lässt sich bei den Dualen Systemen nur erreichen, wenn die Kreisbürger sorgfältiger als bisher sortieren.

Kreis Euskirchen – In den kommenden drei Monaten werden sich die Augen der Müllrecyling-Experten der acht Dualen Systeme in Deutschland auf die Bürger im Kreis Euskirchen richten. Wenn es gelingt, diese mit einer dreimonatigen Test-Kampagne dazu zu bringen, ihren Gelben Müll sorgfältiger als bisher zu sortieren, soll die Kampagne ab 2020 zwei Jahre lang bundesweit die Menschen überzeugen.

Die Dualen Systeme haben den Landkreis Euskirchen zur Modellregion gekürt, weil er besonders repräsentativ ist. Die demografischen Strukturen seien nahezu identisch mit denen Gesamt-Deutschlands. Für den Kreis Euskirchen sprechen auch ein vielseitiges mediales Informationsangebot sowie die Tatsache, dass der Verpackungsmüll aus dem Kreisgebiet bei der Firma Hündgen in Swisttal sortiert wird, die eine der modernsten Recycling-Anlagen in Deutschland betreibt.

An die 450 000 Euro lassen sich die Unternehmen ihre Informationsoffensive im Kreis Euskirchen kosten. Läuft der Test gut, wollen die Dualen Systeme von 2020 bis 2022 jedes Jahr 7,5 Millionen Euro in die bundesweite Kampagne stecken.

Zu viel Restmüll in der Gelben Tonne

Der Grund: In Deutschland lande zu viel Restmüll in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack. In manchen Gebieten liege die Quote der Fehlwürfe bei bis zu 60 Prozent. Und es sei keineswegs nur die tote Katze, die Probleme bereite, so Axel Subklew als Vertreter der Dualen Systeme in der Auftaktveranstaltung am Montagmorgen im Kreishaus. Organische Anhaftungen machten der Sortieranlage ebenso zu schaffen wie etwa Autoreifen oder ein massiver Stein, die in Gelben Tonnen aus dem Kreis Euskirchen schon gefunden wurden.

Probleme auch beim Biomüll

Probleme gibt es auch im Kompostwerk des Kreises, wo der Biomüll angeliefert wird. Auch hier werden jährlich 750 Tonnen Störstoffe aussortiert, was pro Jahr rund 100 000 Euro an Kosten verursacht.

Falsch entsorgter Restmüll in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack behindern das Verpackungsrecycling oder machten es gar unmöglich. Im Gegenzug landen nach Einschätzung der Dualen Systeme auch zu viele Verpackungen im Restmüll und würden mit diesem verbrannt. Diese Umstände machten es den Dualen Systemen schwerer, die vom Verpackungsgesetz seit dem 1. Januar 2019 vorgeschriebenen Recyclingquoten zu erreichen: Die Hälfte des Verpackungsmülls in der Gelben Tonne oder im Gelben Sack muss nun wieder verwertet werden.

„Nur Verpackungen, die korrekt von anderem Abfall getrennt werden, können recycelt werden“, sagte Subklew. Er nannte den Joghurtbecher. Der wandere idealerweise „löffelrein“ in die Gelbe Tonne, wobei die Aluminiumfolie und die Banderole schon abgezogen seien.

Doch wie läuft die Testkampagne ab? Vor dem Start wurde ermittelt, wie hoch die Quote der Fehlwürfe in den Gelben Tonnen im Kreis Euskirchen ist.

Alle Haushalte erhalten Post

In den kommenden Wochen und Monaten wird kaum ein Kreisbürger an den Botschaften der Kampagne „Recycle deine Meinung: Mülltrennung wirkt“ vorbeikommen. In eindringlichen Zeitungsanzeigen, Radiospots, auf Plakaten und Leuchtwänden versuchen die Macher der Informationsoffensive bis Ende Juni, mit Vorurteilen und Fehlinformationen in der Bevölkerung aufzuräumen.

Jeder Haushalt im Kreis wird zweimal Post erhalten. In einer ersten Postwurfsendung wird es Trennanleitungen für Verpackungen geben, die so gestaltet sind, dass man sie sich an die Küchenwand heften kann. In einer zweiten Postwurfsendung gibt es dann noch mal spezielle Hinweise zu Glassammlungen und zur Papiertonne. Zwei kleine Elektro-Scooter werden mit Videobotschaften in die Innenstädte und zu Straßenfesten rollen. Ein wichtiger Bestandteil ist auch die zentrale Homepage der Kampagne, auf der unter anderem Infomaterialien zu finden und herunterzuladen sind.

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Nach dem Ende der Kampagne wird es weitere Stichproben und Analysen geben. So soll festgestellt werden, ob die Botschaften die Bürger erreicht und sich das Sortierverhalten im Kreis Euskirchen verbessert haben. Fällt der Test positiv aus, steht der bundesweiten Kampagne nichts mehr im Wege.

Hilfestellungen für das Sammeln und das korrekte Trennen von Verpackungsabfällen stehen den Bürgern auf der Kampagnenseite zum Download zur Verfügung.

Abfallwirtschaft im Kreis Euskirchen

Auch wenn der Kreis Euskirchen sich aus Kostengründen in der Vergangenheit gegen die Einführung der Wertstofftonne entschieden hat, in die etwa die Bürger vieler deutscher Großstädte im Gegensatz zur Gelben Tonne auch den Plastik- und Metallabfall werfen können, bei dem es sich nicht um Verpackungen handelt, so betreibt der Kreis seit langem eine gut funktionierende Abfallwirtschaft auf hohem Niveau.

Für die Abfallwirtschaft des Kreises skizzierten Karen Beuke und Lothar Mehren in der Auftaktveranstaltung zur Testkampagne „Recycle deine Meinung: Mülltrennung wirkt“ den Status quo im Kreis.

Seit Mitte der 1980er-Jahre wurden in einigen Kommunen Altglas und Altpapier separat gesammelt. Ende der 80er-Jahre wurden im Kreis Stellen für Abfallberater eingerichtet und das erste Abfallwirtschaftskonzept des Kreises erstellt, das seitdem regelmäßig fortgeschrieben wird.

In Modellbezirken wurden 1990 Biotonnen ausgeliefert, die es seit 1995 im Kreis flächendeckend gibt und deren Inhalt im Kompostwerk in Strempt verwertet wird. 1990 wurden außerdem eine Schadstoff- und eine Grünabfallsammelstelle eingerichtet.

Den nächsten Schritt bildete 1993 die Einrichtung zentraler Altglassammelstellen in den Kommunen sowie die Einführung der Gelben Tonnen oder Gelben Säcke für Verpackungsabfall sowie der Blauen Tonne (oder der Vereinssammlungen) für Papier.

2005 folgte die Einführung eines kombinierten Hol- und Bringsystems für Elektroschrott.

Aktuell wird über die Blaue Tonne/Altpapiersammlungen der Vereine vierwöchentlich Papier eingesammelt. Bio- und Grünabfälle können die Bürger selbst kompostieren oder in der Biotonne alle zwei Wochen abholen lassen (im Sommer teilweise wöchentlich). Leichtverpackungen werden alle 14 Tage über die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack abtransportiert. Sperrmüll wird in regelmäßigen Abständen (alle vier bis sechs Wochen), ebenso wie Elektrogroßgeräte, nach vorheriger Anmeldung abgeholt. Elektrokleingeräte können am Schadstoffmobil abgegeben werden.

Die einzige Müllsorte, die durch diese Systeme nicht erfasst wird, sind Renovierungs- und Baustellenabfälle.

Gut angenommen wird auch die Möglichkeit, Mehr- und Sondermengen an Abfällen direkt am Abfallwirtschaftszentrum (AWZ) in Strempt (teilweise kostenlos) anzuliefern. 300 bis 500 Kleinanlieferer, so Lothar Mehren, machten freitags und samstags von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Einhergehend mit den Angeboten ist der Kreis seit Jahrzehnten in der Abfallberatung aktiv. Um mit „vielen Mythen“ oder Vorurteilen in der Bevölkerung im Hinblick auf Mülltrennung aufzuräumen, so Karen Beuke, starten die Abfallberater mit Projekten schon in den Kitas und Grundschulen. Führungen im Abfallwirtschaftszentrum in Strempt (18 pro Jahr) gehören ebenso dazu wie Infokampagnen, etwa gegen Störstoffe im Bioabfall, Aktionstage oder -wochen.

Für die 2018 durchgeführte Europäische Woche im AWZ waren der Kreis und das DHB-Netzwerk Haushalt e.V. mit dem Thema „Abfallmeidung bei Haushaltsreinigern“ gar für einen EU-Award nominiert, wurden aber auf der Zielgeraden von Projekten aus Belgien und Spanien überholt. Zum Entsetzen von Landrat Günter Rosenke. Ihm sei in den vergangenen zwei Wochen beim Urlaub auf den Kanaren noch mal bewusst geworden, wie weit andere Länder bei Mülltrennung und -verwertung hinter Deutschland zurücklägen. 

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