Sie haben sich zum Meistertitel geschossen – über ihr Hobby reden die Mitglieder der Allgemeinen Schützengesellschaft Euskirchen trotzdem ungern.
Sport und VorurteilMitglieder der ASG Euskirchen sind die besten Schützen Deutschlands

Maßgenommen: Elena Kapp schießt gerne mit einem Unterhebelrepetierer auf weit entfernte Zielscheiben.
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Mesut Elmas ist deutscher Meister – und kaum einer weiß es. Selbst unter seinen Freunden wisse nur ein ganz kleiner Kreis von seinem Hobby, seiner Leidenschaft, sagt der 40-jährige Euskirchener. Er ist nämlich im Schießverein. „Wir haben sehr viel mit Vorurteilen zu kämpfen, müssen uns immer wieder rechtfertigen“, erklärt Elmas. Darauf habe er keine Lust. Deshalb behalte er sein Hobby lieber für sich und verzichte bewusst auf wahrscheinliches Schulterklopfen, wenn der eine oder andere mehr von den Fähigkeiten des Sportschützen wisse.
Das Mitglied der Allgemeinen Schützengesellschaft (ASG) aus Euskirchen ist bei der deutschen Meisterschaft in Hannover wieder zweifacher Champion geworden. Sowohl in der Mannschaft mit Fabian Hartl und Norbert Machat als auch im Einzelwettbewerb in der Klasse Unterhebelrepetierer setzte sich Elmas durch.
Unterhebelrepetierer? In der Zeit, in der das Wort stolperfrei ausgesprochen wird, hat Elmas schon zweimal geschossen. „Ein Unterhebelrepetierer ist ein Winchestergewehr. Das kennt man wahrscheinlich vor allem aus Karl-May-Filmen. Wenn Old Shatterhand durch die Prärie reitet, hat er auch einen Unterhebelrepetierer dabei“, erklärt Elmas. Die Prärie finden die Mitglieder der ASG regelmäßig in Hannover. Seit sechs Jahren wird dort die deutsche Meisterschaft im Ordonnanzgewehr ausgeschossen. Seit sechs Jahren kommt der deutsche Meister im Einzel aus Euskirchen.
Bei den Wettkämpfen ist höchste Konzentration gefragt
Unterhebelrepetierer? Ordonnanzgewehr? „Ein Ordonnanzgewehr ist ein Gewehr, das als standardmäßige Ausrüstung eines Militärs eingeführt und an Soldaten ausgegeben wurde“, erklärt Frank Fuhrmann, Sportwart der ASG: „Solche Gewehre zeichnen sich durch ihre Robustheit und Zuverlässigkeit aus und werden heute in verschiedenen Disziplinen des Sportschießens, vor allem aber von Sammlern und Sportschützen geschätzt.“

Zielten ziemlich gut: Elena Kapp (v.l.), Gregor Engbrecht, Mesut Elmas und Fabian Hartl von der Allgemeinen Schützengesellschaft Euskirchen.
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220 Mitglieder zählt der Verein, der sein Domizil am Billiger Wald hat. Die meisten haben laut Fuhrmann über Mundpropaganda den Weg zur ASG gefunden. Aktive Werbung betreibe der Verein nicht – Vorurteile und so. Dabei sei das, was auf den Schießbahnen passiere, teilweise Hochleistungssport.
Vor allem bei Wettkämpfen sei höchste Konzentration gefragt, erklärt Elmas: In nur 50 Sekunden müssen fünf Schüsse abgegeben werden – ein enormer Zeitdruck, der Nerven und Technik gleichermaßen fordert. „Manchmal schlägt das Herz so heftig, dass das Gewehr kaum noch ruhig zu halten ist“, beschreibt er die Wettkampfsituation. Dennoch sei genau diese Mischung aus Anspannung und Fokus für ihn und viele Vereinskollegen Teil der Faszination. „Allein das Training ist für mich wie Meditation. Es ist wie Yoga – wenn auch ein ziemlich lautes“, so Elmas.
Vorschriften und Auflagen sind stetig gestiegen
Das Hobby ist aber nicht nur vorurteilsbehaftet, es ist auch teuer. Allein sein Waffenschrank habe mehr als 1600 Euro gekostet, berichtet Fabian Hartl, der im Einzel bei der „Deutschen“ auf dem zweiten Platz hinter Elmas landete.
Die Vorschriften und Auflagen seien in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Wer privat eine Waffe besitzen möchte, muss strenge gesetzliche Vorgaben erfüllen: ein Jahr Mitgliedschaft, eine bestandene Sachkundeprüfung, ein zugelassener Waffenschrank sowie die Genehmigung durch die zuständige Behörde.
Gregor Engbrecht hat die Auflagen schon seit Jahren erfüllt. Und der 49-Jährige ist ebenfalls ein begnadeter Schütze. Bei der deutschen Meisterschaft belegte er in der Altersklasse II im Einzel den ersten Platz. In der Mannschaft kam er auf den dritten Rang – mit Roland Filla und Pascal Hahn.
Elena Kapp hat keine Lust auf Schubladendenken
Und dann ist da noch Elena Kapp. Die 36-Jährige belegte bei der Meisterschaft in Hannover den elften Platz und war damit mit Abstand die beste Frau im Feld. Auch sie geht sehr zurückhaltend mit ihrem Hobby um – unter anderem, weil sie keine Lust auf Schubladendenken hat. „Die Leute reagieren schon komisch, wenn man sagt, dass man schießt“, so Kapp.
Apropos Schubladendenken: Wer im Schießverein ist, geht doch auch bestimmt gerne Paintball spielen? „Nein“, sagt Elmas entschlossen. Allein schon, weil es für Sportschützen verboten ist. „Paintball ist ein kriegsähnliches Szenario, und das darf man als Waffenbesitzer nicht“, ergänzt Fabian Hartl. Wer es dennoch mache, riskiere, seine Waffenlizenz zu verlieren. Ein Risiko, das deutsche Meister wohl nicht eingehen.
Komplettiert wird der Reigen der deutschen Meister aus der ASG von Rudi Schumacher. Der Euskirchener sicherte sich jüngst den Titel über die Distanz von 300 Metern. Eine Disziplin, die man am Schießstand seines Heimatvereins gar nicht trainieren kann. Entsprechend muss sich der Euskirchener helfen, indem er das Ziel verkleinert und so die längere Distanz simuliert.
Vereinsgeschichte der Allgemeinen Schützengesellschaft Euskirchen
Die Allgemeine Schützengesellschaft (ASG) Euskirchen wurde 1858 gegründet, ihre Ursprünge reichen jedoch bis etwa 1700 zurück. Neben der St.-Sebastianus-Bruderschaft existierte damals die Junggesellen-Schützenbruderschaft, die 1725 erstmals erwähnt wurde.
Nach dem Verlust aller Unterlagen bis 1814 traten die Junggesellen ab 1832 wieder auf, feierten Schützenfeste und organisierten Veranstaltungen. Die Mitglieder stammten aus der oberen Bürgerschicht. In den 1840/50er-Jahren kam es zum Streit mit den Sebastianern, was beide Vereine schwächte. 1857 gelang es Bürgermeister Josef Ruhr, beide zu einem gemeinsamen Fest zu bewegen, doch 1858 trennten sie sich wieder.
Viele Junggesellen wechselten zu den Sebastianern. Die verbliebenen beantragten das Korporationsrecht und nannten sich fortan „Allgemeine Schützengesellschaft der Stadt Euskirchen“.