Die tief gesunkenen Euskirchener feiern in der Kreisliga C ein Erfolgserlebnis. Trotzdem steht nur ein Punkt auf der Habenseite.
FußballEuskirchener TSC deklassiert den TuS Zülpich III

Zülpichs Torhüter Tim Vogel sichert sich den Ball vor ETSC-Spieler Aykut Demir.
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Kreisliga C: Euskirchener TSC – TuS Zülpich III 6:0 (2:0). Wer zu einem Fußballspiel geht, hat gewisse Erwartungen. Wer zu einem Kreisliga-C-Spiel geht, schraubt diese entweder runter oder vielleicht sogar hoch, weil es eben eine ganz besondere Art von Fußball ist.
Bei der Partie zwischen dem Euskirchener TSC und dem TuS Zülpich klingen die Namen nach Höherem, nach der Top Ten des Fußballs im Kreis Euskirchen. Aber es ist dann doch Kreisliga C, weil der ETSC einen unfassbaren Abstieg hinter sich hat und der TuS mit der dritten Mannschaft in der C-Klasse kickt.
Das Publikum erwartet in der C-Liga, dass gewisse Klischees erfüllt werden
Wer zu einem Kreisliga-C-Spiel geht, hat gewisse Bilder im Kopf, Erwartungen an Klischees, die erfüllt werden müssen, damit es ein gutes Spiel ist. Kreisliga-Bingo sozusagen. So gehört eine Packung Kippen irgendwie in die Stutzen. Eisspray muss zum Einsatz kommen – im Notfall auch bei offenen Wunden, weil Eisspray unverwundbar macht.
Oder der Ausruf „Ich muss morgen arbeiten“, der dann fällt, wenn man zu hart gefoult worden ist. Mindestens genauso klassisch: „Schiri, der hat schon Gelb“ oder „Das ist Not gegen Elend“.
Der ETSC zeigt im Heinz-Flohe-Stadion eine überzeugende Leistung
Vorweg – die Partie zwischen dem ETSC und dem TuS entspricht letztgenannter Floskel nicht. Oder doch? Zumindest sieht das in der 70. Minute Zülpichs Dean Scherer in einer kurzen Verletzungsunterbrechung im Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen so. Also: Ein Punkt kann geistig durchgestrichen werden. Aber deswegen direkt „Bingo“ rufen? Dafür ist die Partie dann doch zu wenig eine Kreisliga-C-Blaupause.
Denn vor allem das, was der ETSC am Freitagabend auf den Kunstrasen am Heinz-Flohe-Stadion bringt, ist überzeugend. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass die Fußballabteilung der Kreisstädter noch vor fünf Wochen klinisch tot war. Selbst Eisspray hätte da nicht geholfen. Aber es gab einen menschlichen Defibrillator in Form von Salih Yavuz.

Aus der Körperhaltung des Zülpichers Dean Scherer spricht seine Enttäuschung.
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Schiedsrichter Ron Fuß hatte die Partie gut im Griff.
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„Die Fußball-Abteilung stand absolut auf der Kippe“, sagt Yavuz. Vor dem Auswärtsspiel der vergangenen Saison in Blessem, das am 1. Juni stattfand, sei dem Team mitgeteilt worden, dass es in der Spielzeit 2025/26 keine Seniorenmannschaft mehr geben werde. Das lag auch daran, dass einige Spieler bereits anderen Vereinen ihre Zusage gegeben hatten. „Das Kapitel Seniorenfußball beim ETSC war zu diesem Zeitpunkt geschlossen“, so Yavuz.
Doch damit wollte sich der 31-Jährige nicht abfinden. „Ich konnte nicht mit ansehen, dass der ehemalige Vorzeigeverein aus der Kreisstadt keine Fußballabteilung mehr hat“, erklärt er seine Beweggründe, nicht nur den Trainerjob zu übernehmen, sondern auch die Vakanz auf dem Abteilungsleiterposten zu füllen. „Ich komme aus Euskirchen, spiele seit Jahrzehnten Fußball im Kreis. Es gab den ETSC schon immer, und das soll auch so bleiben.“
Salih Yavuz stellte doch noch eine Mannschaft für Euskirchen zusammen
Also nutzte er sein Netzwerk und stellte ein Team auf die Beine, das nun in der Kreisliga C kickt – und das gegen den TuS Zülpich durchaus erfolgreich. Dass beim ETSC aber noch vieles in den Kinderschuhen steckt, machen einige Beobachtungen deutlich. Dass es in der Kreisliga C keine offiziellen Linienrichter gibt, ist eingepreist. Auffällig war aber, dass es im Duell zwischen dem ETSC und dem TuS noch nicht einmal Betreuer gab, die mehr oder weniger als Alibi an der Seitenlinie entscheiden, ob ein Ball im Aus gelandet ist oder nicht (und das meist liebevoll mit dem Blick durch die Vereinsbrille tun).

Geschickt schirmt ETSC-Kicker Alen Gojak (r.) den Ball gegen Jerome Deriusseau ab.
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Zudem suchte man Eckfahnen vergeblich. Und wie es der Zufall so wollte, rollte der Ball zweimal tatsächlich so knapp in der Ecke ins Aus, dass Schiedsrichter Ron Fuß Probleme hatte, zwischen Einwurf und Eckball zu entscheiden.
In der 69. Minute gibt es einen echten Champions-League-Moment
Da Fuß aber – entgegen den geläufigen Kreisliga-Vorurteilen – einen großen Bewegungsradius hatte und seine Entscheidung nicht aus dem Mittelkreis verkündete, löste er auch die Situationen äußerst souverän.
Und dann gibt es in der 69. Minute einen echten Champions-League-Moment: Der eingewechselte Tymofii Yarovyi hat erst Glück und dann kommt auch noch Können dazu. Mit viel Willen setzt er sich gegen zwei Zülpicher durch, spielt dem zweiten den Ball durch die Beine und tunnelt dann auch noch TuS-Torhüter Tim Vogel zum 5:0. Auf der geistigen Bingo-Karte wäre das der Moment, in dem man „Der hat mal höher gespielt“ hätte durchstreichen müssen. Aber die Aussage fiel einfach nicht. Es ist eben ein Spiel, das nicht jedes Klischee erfüllt.
Es war ein verdienter Sieg, eine starke Teamleistung und ein Erfolg des Willens.
ETSC-Coach Yavuz, der zwei Treffer selbst erzielte, war zufrieden mit der Leistung: „Heimspiel unter Flutlicht – wir haben von Beginn an dominiert. Es war ein verdienter Sieg, eine starke Teamleistung und ein Erfolg des Willens.“
Die weiteren Treffer zum ersten Saisonsieg erzielten Aykut Demir und Justin Neagu, der einen Doppelpack schnürte.
Durch den Erfolg – und ein Remis am ersten Spieltag – hat der ETSC nun einen Punkt auf dem Konto. Der Grund: Die Euskirchener waren in der abgelaufenen Spielzeit im Saisonendspurt einmal nicht angetreten und hatten deshalb für die jetzige Runde drei Zähler abgezogen bekommen.