Subjektive Angst in EuskirchenSo sicher sind Bahnhof, Viehplätzchen und Klostergarten

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Der Euskirchener Bahnhof ist für viele ein subjektiver Angstraum – gerade in den Abendstunden.

  • Adi Plickert erkennt als Sicherheitsexperte Angsträume sofort.
  • Der ehemalige Polizist diskutiert in Euskirchen über subjektive Sicherheit.
  • Bei der Planung der City-Süd könnten seine Einschätzungen eine Rolle spielen.

Euskirchen – Adi Plickert genügen wenige Sekunden. Der ehemalige Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei erkennt dank seines geschulten Blicks die Vor- und Nachteile des Euskirchener Bahnhofs sofort. „Zu bestimmten Zeiten ist es hier voll und eng. Das kann Diebstahl fördern. Andererseits sind hier Geschäfte. Die gewährleisten eine gewisse soziale Kontrolle“, sagt Plickert, während er im Bahnhofsgebäude steht, zwischen Haupteingang und Gleis 1.

Auf dem Bahnsteig regt er an, den Standort zweier Informationstafeln zu verändern, damit es keinen Blickbarriere mehr gibt. Die Unterführung bezeichnet er als „gut, weil es eine Sichtachse gibt“. Man wisse, auf was man sich einlasse, wenn man erst einmal die Treppe hinuntergegangen sei. Er habe schon viel angsteinflößendere Bahnhofsunterführungen gesehen, sagt der Experte, der als Polizist Castor-Transporte in Gorleben gesichert und zahlreiche Fußballeinsätze geleitet hat.

Auch dem Bahnhofsvorplatz stellt er bei Aspekten, die das subjektive Sicherheitsgefühl beeinflussen ein gutes Zeugnis aus. Schließlich gebe es praktisch freie Sicht über den gesamten Bereich. Er könne aber verstehen, wenn die auf der Bahnhofstreppe sitzenden Jugendlichen bei so manchem für ein ungutes Gefühl sorgten.

Euskirchener SPD lädt Sicherheitsexperten ein

Die Euskirchener SPD hat Plickert eingeladen, um mit ihm über die Möglichkeiten kommunaler Ordnungs- und Sicherheitspolitik sowie kommunaler Kriminalprävention zu diskutieren. Das passiert nicht etwa im stillen Kämmerlein, sondern an Orten, an denen die Diskrepanz zwischen Polizeistatistik und subjektivem Angstgefühl besonders spürbar ist: dem Bahnhof, dem Viehplätzen und dem Klostergarten.

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Sicherheitsexperte und Ex-Polizist Adi Plickert (l.) in Euskirchen.

9620 Straftaten registrierte die Polizei 2018 im Kreis. 44,5 Prozent aller Straftaten ereigneten sich in Euskirchen – beide Zahlen sind rückläufig. Doch dem steht eine gefühlte Wahrheit gegenüber. Nicht wenige Euskirchener fühlen sich in der Kreisstadt unsicher – gerade abends. „Sicherheit ist ein Gefühl. Da interessieren keine Statistiken“, sagt Thilo Waasem, stellvertretender der Kreis-SPD und Vorsitzender des Polizeibeirats.

Der Bereich des Park-and-ride-Parkplatzes sei ein Problem, da es dort Beschaffungs- und Drogenkriminalität gebe. Den Euskirchener Bahnhof mithilfe von Videokameras zu überwachen oder zu beobachten, sei personell kaum leistbar, meint Plickert: „Videobeobachtung macht nur Sinn, wenn das Bild direkt auf einen Bildschirm übertragen wird und ein Beamter praktisch live die Kollegen verständigen kann.“

Videoüberwachung am Bahnhof nur schwierig umsetzbar

Für eine Videoüberwachung (das Material würde aufgezeichnet und könne im Fall einer Straftat ausgewertet werden) müsse der Bereich ein sogenannter verrufener Ort sein. Waasem ergänzt, dass die Videoüberwachung aus Datenschutzgründen nur schwierig umsetzbar sei.

Sowohl für den Ruhrpark als auch für den Klostergarten und das Viehplätzchen spricht sich Experte Plickert für ein temporäres Alkoholverbot aus: „In Herne haben wir es an gewissen Plätzen und in der Fußgängerzone – also lokal beschränkt und zu bestimmten Zeiten.“ Es sei entscheidend, wie kreativ man versuche, ein Problem zu lösen. Wichtig sei, nicht die Augen davor zu verschließen.

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Markus Hilgers, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei im Kreis Euskirchen, berichtet, dass die Euskirchener Parks spätestens mit Einbruch der Dunkelheit zu Angsträumen würden. Der Klostergarten sei von hohen Gebäuden umgeben, eine soziale Kontrolle finde kaum statt. Zudem ermöglichten die zahlreichen dichten Sträucher in den Beeten vielfältige Versteckmöglichkeiten für Drogendealer. Plickert: „Eine Bepflanzung mit Blumen würde es den Dealern schon schwerer machen. Wenn der Park dann auch noch für Familien attraktiv gestaltet wird, so dass zumindest tagsüber eine soziale Kontrolle stattfindet, dann ist der erste Schritt gemacht.“

Zudem müsse die Polizei – in enger Abstimmung mit dem Ordnungsamt – an solchen Orten schlichtweg Präsenz zeigen. Der Experte spricht sich für einen kriminalpräventiven Rat aus: ein Gremium, das sich aus Ordnungsamt, caritativen Institutionen, Polizei, Politik, Schulen, Vereinen und vor allem Bürgern zusammensetzt. „Die Bürger sind die Seismographen für subjektive Sicherheit. Sie bekommen als Erste mit, wenn etwas schief läuft“, so Plickert.

Neues Sicherheitsgremium für die City-Süd

Michael Höllmann Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion, merkt an, dass ein solches Gremium im Vorfeld der Umgestaltung City-Süd hinter dem Bahnhof wichtig sei, „um bereits bei der Planung potenzielle Angsträume zu identifizieren.“

Ein solcher Angstraum ist seit Jahren für viele Euskirchener das Viehplätzchen-Viertel. „Baulich ist das ganz in Ordnung. In Essen wäre man mancherorts froh über eine solche Bausubstanz“, so Plickert. Er könne sich vorstellen, dass in dem Areal die Behörden präsent sein müssen. Ein Schritt in diese Richtung sei getan, so SPD-Chef Höllmann. Der Rat hat sich jüngst für eine halbe Stelle eines sogenannten Konfliktmanagers ausgesprochen. „Die Stelle wird bei der Caritas eingekauft“, sagt Höllmann. Man dürfe aber nicht die Augen davor verschließen, dass sechs Monate im Jahr niemand diese Aufgabe wahrnehme.

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