GroßbüllesheimUltracyclist Torsten Weber tüftelt gerne an seinem Rennrad

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Trainiert fast täglich für extreme Rennen: Ultracyclist Torsten Weber.

Trainiert fast täglich für extreme Rennen: Ultracyclist Torsten Weber.

Großbüllesheim – Wer, wenn nicht jemand, der tagelang, mehr oder weniger nonstop, quer durch Deutschland oder rund um Österreich radelt, könnte Rede und Antwort stehen, wenn es um die Verbindung eines Radrennfahrers zu seinem Sport geht? „Ja, ich habe auf gewisse Art und Weise definitiv eine Beziehung zu meinem Sport“, lacht Torsten Weber und ergänzt: „Ich verbringe viel Zeit auf dem Rad und mit dem Sport, da bleibt das wohl oder übel nicht aus.“

Der Großbüllesheimer, seines Zeichens Ultracyclist, hat im Zuge von unzähligen Trainings- und Rennkilometer seine eigenen Erfahrungen gesammelt: „Radsport kann schon auch eine eigene Wissenschaft sein. Letztlich geht aber nichts über das eigene Probieren.“

Das richtige Rad

Wenn Torsten Weber (43) über seine Räder spricht, dann meint er heute Rennräder. „Früher bin ich Mountainbike gefahren, heute ist es primär der Sport auf der Straße.“ Dass auch ein Rennrad nicht gleich Rennrad ist, dürfte jedem klar sein, der schon verschiedene Wettkampfformate vor dem TV-Gerät verfolgt hat. „Ich habe tatsächlich unterschiedliche Rennräder. Ein leichtes Rad beispielsweise insbesondere für die Anstiege am Berg oder ein aerodynamisches Zeitfahrrad für lange, flache Abschnitte.“ Je nach Streckenprofil wechselt Weber im Rahmen seiner Wettkämpfe zwischen den Rädern. „Aber ich wechsle auch im Training. Muskeln und Sehnen müssen sich individuell an jedes Rad gewöhnen. Das gilt auch für Hobbyradfahrer.“

Tausende Trainingskilometer absolviert Torsten Weber (r.) mit Ex-Profi Christian Knees.

Tausende Trainingskilometer absolviert Torsten Weber (r.) mit Ex-Profi Christian Knees.

Entsprechend wichtig sind für Weber die personengenauen Einstellungen eines Rads. „Meine Räder sind natürlich preislich relativ hoch angesiedelt und ich lasse sie entsprechend gut und regelmäßig auf mich einstellen. Aber ich würde auch jedem Hobbyradfahrer raten, öfters ein Bike-Fitting machen zu lassen.“ Im Rahmen eines solchen Bike-Fittings werden beispielsweise Sattelhöhe, Sitzposition und Schuhplatten der jeweiligen Person angepasst.

„Es muss an der Stelle nicht immer um Effizienz und Aerodynamik gehen. Der eigene Körper dankt es einem, so kann man Sehnenverletzungen, Gelenkproblemen oder auch Nackenschmerzen vorbeugen.“ Weber schaut sich mehrmals im Jahr seine Position auf dem Rad an: „Im Januar verhalten sich Sehnen und Muskeln anders als beispielsweise im Juni nach diversen Trainingsmonaten.“

Der Freund namens Sattel

Das Problem eines schmerzenden Hinterteils kennt wohl jeder, der schon mit unpassender Bekleidung auf einem vermeintlich harten Sattel saß. „Alles eine Frage der Gewöhnung“, stellt Weber zur Sattelthematik fest. Und erklärt anschließend: „Je weicher der Sattel, desto bequemer erscheint es im ersten Moment. Doch auf Dauer beziehungsweise bei längeren Strecken bringen weiche Sättel Nachteile, wie beispielsweise Druck- oder Scheuerstellen.“

Der Sattel des Großbüllesheimers ist genau angepasst.

Der Sattel des Großbüllesheimers ist genau angepasst.

Dass harte Sättel zu Beginn Schmerzen hervorrufen, das gilt nicht nur für Freizeitsportler: „Ich merke das auch nach der Pause im Winter und habe die erste Woche Probleme. Aber das ist tatsächlich ein Trainingseffekt. Das Hinterteil gewöhnt sich daran“, so Weber.

Jeder, der Radfahren sportlich betreibt, sollte sich mit der Wahl des Sattels beschäftigen: „Ich weiß nicht, wie viele Sättel ich schon gekauft und verkauft habe. Aber es macht wirklich Sinn, sich durchzuprobieren. Und weiche Sättel als bequem anzusehen ist tatsächlich ein Trugschluss.“

Helm, Schuhe und Co

„Ich fahre nie ohne Helm“, betont der erfahrene Sportler. „Sicherheit geht immer vor. Mir ist beispielsweise vor ein paar Wochen bei 60 km/h die Kette abgesprungen und ich bin gestürzt. Das Rad kaputt und der Helm gebrochen. Was ohne Helm gewesen wäre, will ich mir gar nicht ausmalen.“ Für Torsten Weber ist beim Thema Helm klar: „Darauf würde ich nicht verzichten. Und einen vernünftigen gibt es schon für 50 bis 60 Euro.“

Die Schuhe spielen für Radrennfahrer eine wichtige Rolle. Gerade bei Rennen, die sich über mehrere Tage erstrecken.

Die Schuhe spielen für Radrennfahrer eine wichtige Rolle. Gerade bei Rennen, die sich über mehrere Tage erstrecken.

Bei anderen Ausrüstungsgegenständen wie Schuhen, Handschuhen, Hosen oder Trikots gilt für Weber die Prämisse: „Ausprobieren. Da hat jeder individuelle Vorlieben. Es muss in jedem Fall nicht immer das Teuerste vom Teuren sein.“

Weber etwa hat Vorlieben bei Handschuhen: „Ich mag es, wenn sie möglichst keine Polster haben. Das finden andere grausam.“ Für den Ultracyclisten spielen Schuhe und Socken eine größere Rolle, insbesondere bei mehrtägigen Wettkämpfen: „Ich habe immer mehrere Schuhpaare dabei, weil die Füße je nach Hitze unterschiedlich stark anschwellen. Und rutschige Socken, gepaart mit nicht passenden Schuhen, führen beispielsweise zu sehr unangenehmen Blasen.“

Was darf nicht fehlen?

„Die digitalen Extras.“ Torsten Weber muss bei dieser Frage lachen und erklärt: „Ohne die Online-Plattform Strava kann ich mir Radfahren kaum noch vorstellen. Auf der Plattform kann man absolvierte Strecken hochladen, Kommentare verfassen oder direkte Vergleiche anstellen: Wer fährt welchen Berg wie schnell hoch?“ Gerade für den vermeintlich individuellen Radsport bieten derartige Plattformen Abwechslung. „Das ist eine Mischung aus Instagram und Facebook für Radsportler und macht halt einfach Spaß“, so Weber.

Durch die USA

Im Juni 2023 soll es so weit sein. Torsten Weber wird sich, sofern nichts Gravierendes dazwischenkommt, einen Traum erfüllen: „Ich werde beim 5000 Kilometer langen Race Across America starten und damit fast zwölf Tage nonstop von der West- bis zur Ostküste Rad fahren.“ Der 43-Jährige sagt: „Ich habe lange überlegt und festgestellt, dass es wohl nie den passenden Zeitpunkten geben wird. Ein Team zusammenstellen, Sponsoren suchen – das muss ich, egal, in welchem Jahr ich starte. Ich brauchte jetzt eine gewisse Dringlichkeit, um realistisch an dem Projekt zu arbeiten.“

Ein erster Plan, was bis zum Start ansteht, ist bereits erstellt: „Ich muss ein Team finden, das mit mir in die USA reist. Und natürlich ist das Rennen eine finanzielle Herausforderung für mich als Familienvater. Gut 25 000 Euro werde ich über Sponsoren, Unterstützer und Crowdfunding benötigen.“

Von der sportlichen Vorbereitung und den mentalen Herausforderungen, die auf Torsten Weber zukommen, ganz zu schweigen. „Es wird spannend werden. Aber andere haben es auch geschafft. Warum also wir nicht auch?“, sagt er. (vju)

Ähnlich verhält es sich mit der online betriebenen Plattform Zwift. „Insbesondere im Winter oder bei schlechtem Wetter trainieren Radfahrer häufig zu Hause auf der Rolle. Mit Zwift können virtuelle Strecken abgefahren und Wettkämpfe ausgetragen werden oder man verabredet sich online mit anderen. Das bringt Abwechslung und verkürzt die ansonsten schon mal lang werdende Zeit auf der Rolle“, so Weber. Dabei lassen sich digital auch Missionen erfüllen, Level erklimmen und vieles mehr. Weber hat schon festgestellt: „Ich kenne keinen mehr, der mit Zwift angefangen und dann aufgehört hat. Es hat was von Spiel und Spaß und gleichzeitig geht es um Bewegung.“

Straßenverkehr

Besonders am Herzen liegt Torsten Weber das Verhältnis der unterschiedlichen Straßenverkehrsteilnehmer. „Ich bin selbst Autofahrer und Radfahrer, kenne also beide Perspektiven. Mittlerweile gibt es jedoch kaum eine Trainingsfahrt ohne grenzwertiges Aufeinandertreffen. Hupen, Scheibenwischergesten – das ist leider keine Seltenheit.“

Weber geht es dabei nicht um generalisierende Aussagen oder Verurteilungen. „Eine stärkere Sensibilisierung und mehr Aufklärung der Verkehrsteilnehmer für die unterschiedlichen Perspektive würden vermutlich schon helfen“, sagt er und nennt einige Beispiele: „Ich fahre mit meinem Rad in Ortsdurchfahrten, wo Autos an der Seite parken, eher mittig orientiert. Das tue ich nicht, um Autofahrer am Überholen zu hindern, sondern aus Selbstschutz. Wenn plötzlich Autotüren aufgehen, habe ich als Radfahrer keine Chance.“

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Der Großbüllesheimer erklärt auch, warum Rennradfahrer häufig Straßen nutzen und nicht parallel verlaufende Fahrradwege: „Oft sind Radwege von Schlaglöchern durchzogen oder voller Laub und Dreck – das ist fast unmöglich zu befahren für Rennradfahrer.“

Den Unmut von Autofahrern über Radfahrer, die auf viel befahrenen Straßen nebeneinander unterwegs sind, kennt Weber auch: „Das ist nichts, was ich befürworte.“ Sein Appell ist eindeutig: „Wir sollten uns häufiger in die Perspektiven der jeweilig anderen versetzen, bevor wir hochemotional reagieren – egal, ob im Sattel oder am Auto-Lenkrad.“

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