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FamilienaufstellungIn Hellenthal helfen Pferde bei der Therapie

5 min
Zwei Pferde stehen von der Kamera abgewandt, drei Frauen schauen einander an.

Die Pferde suchen sich ihre Position und greifen auch aktiv in die Aufstellung ein.

Fee Fontier aus Sieberath bietet Familienaufstellung mit Pferden an. Sie nutzt das feine Gespür ihrer Tiere, um Problemen auf die Spur zu kommen.   

Felicitas Fontier ist vieles, vom Klinikclown bis zur Schamanin. Die Liste ihrer Qualifikationen ist zu lang, um sie hier wiederzugeben. Deshalb nur die an dieser Stelle wichtigsten: Sie ist Coach für Systemische Familien- und Konfliktaufstellungen und ehemals erfolgreiche Vielseitigkeitsreiterin. Fast logisch, dass sie diese beiden Leidenschaften – für die Menschen und die Pferde – zusammengeführt hat. Fontier, die meist Fee genannt wird, bietet Systemische Pferdeaufstellungen an .

Familienaufstellungen sind in der Systemischen Therapie ein etabliertes Verfahren. Teilnehmer schlüpfen in die Rollen bestimmter Familienmitglieder, um so die Verwicklungen und Konflikte zu ergründen. Dazu kommen nun die Pferde, als Mediatoren gewissermaßen. Die Methode komme aus Amerika, berichtet Fee Fontier, in Deutschland gebe es einige Leute, die damit arbeiteten. Sie selbst sei eine der ganz wenigen, die auch künftige Leiterinnen der Systemischen Aufstellung mit Pferden ausbilde.

Teilnehmerinnen sind pferdeaffin und haben Bezug zur therapeutischen Arbeit

Gerade hat ihr erster Kursus angefangen, tatsächlich sind ausschließlich Frauen dabei. Die meisten von ihnen haben einen Bezug zur therapeutischen Arbeit. Eine ist ursprünglich als Patientin zu Fee gekommen, eine ist Heilpraktikerin, eine Lebensberaterin. Und alle sind pferdeaffin. „Pferde als Herdentiere spüren Energie“, erklärt Fee. „Sie merken, was stimmt und wer authentisch ist.“

Vier Frauen sitzen im Halbkreis, davor agieren zwei Pferde und drei weitere Frauen.

Konzentriert verfolgen die Teilnehmerinnen des Lehrgangs, wie Johanna das Geschehen auf dem Platz steuert. Immer wieder erklärt Fee das Verhalten ihrer Pferde.

Eine Frau übergibt einer anderen einen Stein.

Am Ende darf Birte die Last, die sie mit sich getragen hat, abgeben. Der schwere Stein ist dafür ein Symbol.

Sie nutze das natürliche Verhalten der Pferde, sagt aber auch: „Das ist Magie, was da stattfindet.“ Herausfordernde Bedingungen für die beobachtende Journalistin, die selbst Pferdefrau und eher rational gestrickt ist. Fee Fontier wohnt mit Pferden und Familie in Hellenthal-Sieberath, viermal binnen eines Jahres treffen sich die Teilnehmerinnen ihres Lehrgangs für jeweils fünf Tage im Haus Eifelsonne in Ramscheid.

Alle sitzen in Halbkreis, die Pferde schlendern entspannt umher. Mika, ein Trakehner, bleibt bei der Gruppe stehen, hustet, gähnt. Stauballergie und Magenprobleme, tippt die rationale Pferdefrau. Doch Fee kennt ihre Tiere besser. Mika zeige damit eine Reaktion auf das, was zwischen den Menschen vorgehe.

Die Lebensumstände werden erfragt

Birte will heute der Ursache ihrer Rückenschmerzen auf den Grund gehen. Orthopädisch sind die längst abgeklärt, weg sind sie davon nicht. Johanna führt durch die Aufstellung, stellt Fragen nach den Lebensumständen, der Familie. Was Birte sich von der Aufstellung erhoffe, will sie wissen. Die Antwort ist logisch: „Schmerzfreiheit.“ Mika hat sich Birte genähert, er kaut, atmet tief. Und wird deshalb heute die Rolle der Freiheit spielen.

Später wird die zweijährige Stute Sanni „die Wärme“, Sannis Mutter Tinke ist „das Ereignis“. Die Pferde schlendern eher entspannt zwischen den sitzenden Frauen umher, die rationale Pferdefrau sieht mit Besorgnis harte Hufe neben nackten Zehen in Sandalen. In einem Genogramm wird Birtes Familie dargestellt, bis zur Großelterngeneration.

Familienaufstellung ist kein Allheilmittel. Aber es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich seine Themen anzuschauen.
Fee Fontier

Dass Traumata über Generationen hinweg weitergegeben werden, ist weitestgehend unbestritten. Und dass es in so ziemlich jeder Familie etwas gibt, worüber nicht gesprochen wird, kennen die meisten Menschen aus eigener Erfahrung. „Familienaufstellung ist kein Allheilmittel“, sagt Fee Fontier. „Aber es ist eine wunderbare Möglichkeit, sich seine Themen anzuschauen.“ Birte selbst bleibt außen vor. Sie wählt aus, wer sie in der Aufstellung vertritt.

Sehr vorsichtig fragt sie Carmen, ob sie die Rolle übernehmen will, und schiebt sie dann, beide Hände von hinten auf deren Schultern, in die Mitte des Sandplatzes. Ex-Partner, Eltern, Großeltern – allmählich entfaltet sich ein ganzes Familienpanorama. Johanna moderiert, bringt die Akteurinnen in Beziehung zueinander. Die fühlen sich in die Figuren ein, entwickeln Emotionen, reagieren aufeinander.

Ein ganzes Familienpanorama wird nachgestellt

„Ich wusste schon noch die ganze Zeit über, dass ich Carmen bin“, erzählt selbige später. Aber emotional versetzt sie sich so stark in Birte hinein, dass sie Schmerzen empfindet, Gänsehaut bekommt, unübersehbar leidet. Fee beobachtet das Geschehen konzentriert, greift manchmal ein. Und lenkt vor allem immer wieder den Blick auf die Pferde, die mehr und mehr ins Geschehen eingreifen und mit den Menschen interagieren.

„Die Freiheit“ allerdings hat ihr Interesse vom Geschehen auf dem Platz in die Ecke mit dem Heuhaufen verlagert. Später übrigens soll sich herausstellen, dass die Benennung nicht ganz stimmig war. Nicht die Freiheit war das Entscheidende am Begriff Schmerzfreiheit, sondern der Schmerz.

Manchmal schiebt ein Pferd jemanden aus der Aufstellung hinaus

„Die Wärme“ sucht zielgerichtet die Nähe derjenigen, die verloren wirkt und Geborgenheit braucht. „Das Ereignis“ wird punktgenau aktiv, als die Dinge der Lösung zustreben. „Manchmal schiebt ein Pferd auch jemanden komplett aus der Aufstellung hinaus“, berichtet Fee. Sani beginnt, energisch mit einem Huf im Sand zu scharren. Sie will sich wälzen, vermutet die rationale Pferdefrau. Will sie aber nicht.

Konzentriert beobachtet Fee Fontier, was die Lehrgangsteilnehmer machen. Das Pferd im Vordergrund scheint eher desinteressiert.

Hochkonzentriert, auch wenn mal ein Pferd im Weg steht: Fee Fontier.

Stattdessen stehen sich später in der kleinen Kuhle, die das Pferd gegraben hat, zwei an der Aufstellung Beteiligte gegenüber – eine Konfrontation, die beiden Frauen sichtbar schwerfällt. Plötzlich wenden sich die Pferde ab, gehen an den Rand des Platzes, entspannen. „Sie haben erkannt, dass es für sie nichts mehr zu tun gibt“, erklärt ihre Besitzerin das Verhalten. Die Menschen sind allerdings noch nicht durch mit ihrem Thema, es wird hochemotional, Tränen fließen.

Sabrina geht es zwischendurch so schlecht, dass sie fast erbrechen muss. Es fällt ihr fast greifbar schwer, sich umzudrehen, um jemandem ins Gesicht zu sehen. Es geht um eine Liebe, die nicht sein durfte, um lebenslange Sehnsucht. Fee Fontier bleibt sachlich. „Das ist das, was wir glauben, herausgefunden zu haben. Ob es wirklich so war, wissen wir nicht.“

Birte wirkt angefasst, sie hat viel erfahren – vor allem über sich selbst. Zum Schluss bekommt sie einen Stein, so schwer, dass sie ihn mit beiden Händen halten muss. Den übergibt sie symbolisch der Person, deren Leid sie mit sich herumgetragen hat. Sie wirkt erleichtert. Ob die Rückenschmerzen damit erledigt sind? Wird sich zeigen.

Was bei dieser Aufstellung vorgegangen ist, lässt sich nur schwer beschreiben. Nicht leugnen lässt sich allerdings, dass etwas passiert ist. Zwischen den Menschen untereinander, aber auch zwischen Menschen und Pferden. Eine Kommunikation, die sich nicht jedem erschließt, die man spüren kann, aber nicht erklären. Die rationale Pferdefrau muss zugeben: „Das ist Magie, was da stattfindet.“