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Geiselnahmen und HexenprozesseIn der Geschichte vom Kloster Steinfeld in Kall gibt es einige dunkle Kapitel

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Das Kloster Steinfeld von oben.

Die Fenster des Kreuzgangs hatten früher eine aufwendige Verglasung, die 1785 nach England verkauft wurde.

Ein düsteres Kapitel in der Geschichte des Klosters sind auch die Hexenprozesse.

In der 900-jährigen Geschichte von Kloster Steinfeld gab es viele Höhen und Tiefen. Eine besonders bewegte Zeit ist die Epoche zwischen dem 13. und dem 17. Jahrhundert, die durch Aufstieg des Klosters, aber auch durch Kriege, Überfälle, Geiselnahmen und Seuchen gekennzeichnet ist. Nachdem Erzbischof Friedrich I. von Köln die halb verfallene Anlage 1121 vom Grafen Theoderich von Are erworben hatte, folgten rund 200 Jahre, in denen das Kloster immer bedeutender wurde. Doch in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wendete sich das Blatt.

Äbte traten zurück, wurden abgesetzt oder ermordet und das Kloster selbst überfallen und weitgehend zerstört. Die wechselvolle Geschichte der Anlage mit ihren unterschiedlichen Nutzungen, außergewöhnliche Ereignisse, die Schicksale einiger ihrer Bewohner und das Leben des in der Basilika beigesetzten heiligen Hermann-Josef werden in dieser Zeitung in loser Folge vorgestellt. Die ersten 200 Jahre nach dem Bau der neuen Klosterkirche 1142 sind eine Blütezeit für das Stift. „Um 1230 wird der kostbare Potentinus-Schrein, der heute im Louvre in Paris zu sehen ist, in einer Trierer Kunstschmiede-Werkstatt geschaffen.

Die ersten Monumentmalereien entstehen

Knapp 100 Jahre später entstehen auf den beiden östlichen Vierungspfeilern der Basilika die ersten Monumentalmalereien von Potentinus und der Gottesmutter Maria mit Kind“, erzählt Helmut J. Kirfel, der die Geschichte des Klosters erforscht hat. Um 1340 stiftet Markgraf Wilhelm von Jülich den Kreuzaltar, vor dem sich lange Zeit die Begräbnisstätte der Steinfelder Äbte befand. „In der Zeit ab 1350 muss es dann aber einen Niedergang gegeben haben, der ökonomisch begründet war“, erklärt Kirfel.

Zwischen 1362 und 1380 treten vier Äbte zurück oder werden abgesetzt. Noch schlimmer kommt es 1388 für Abt Gottfried II. von Bungenberg. Als die Abtei im Rahmen eines Kriegszugs des französischen Königs gegen Jülich und Geldern ausgeraubt und weitgehend zerstört wird, wird der Abt als Geisel genommen. Da er aber kein Lösegeld zahlen kann, wird er zu Tode gefoltert. „Der moralische Tiefpunkt ist dann das Jahr 1416“, meint Kirfel. Abt Jakob von Rützheim will eine Klosterreform durchsetzen und die Disziplin der Chorherren verbessern. Daraufhin wird er von seinen Mitbrüdern vergiftet.

„Was kann schlimmer sein, als wenn Leute aus dem eigenen Haus zum Gift greifen?“
Helmut J. Kirfel Historiker

„Was kann schlimmer sein, als wenn Leute aus dem eigenen Haus zum Gift greifen?“ Die folgenden drei Äbte setzen dann aber Reformen durch. „1466 wird sogar die strenge Klausur eingeführt“, weiß der Historiker. Die Chorherren mussten schweigen, um Mitternacht an einer Messe teilnehmen und durften das Kloster nur noch für die Seelsorge verlassen. „Zur Verbesserung der Disziplin gab es im Kloster auch einige Arrestzellen. Dorthin kamen Chorherren, die beim Gebet eingeschlafen waren oder geschwätzt hatten“, erzählt Kirfel. In der Zelle sollten die Übeltäter zur Besinnung kommen.

Die schlimmste Strafe war nach Angaben des Historikers die Entlassung eines Klosterbruders in seiner Kleidung: „Damit war man gesellschaftlich geächtet.“ Parallel wird in Steinfeld seit 1475 kräftig investiert. Zuerst wird das spätgotische Chorgestühl aus Eichenholz, das teilweise noch erhalten ist, aufgestellt. Sechs Jahre später wird mit dem Bau eines Bibliotheks- und Krankenhausgebäudes begonnen. Der Grundstein für den neuen Kreuzgang wird 1492 gelegt und der Bau etwa 1517 fertiggestellt. Ende des 15. Jahrhunderts werden zudem einige besonders wertvolle Holzskulpturen erworben.

Im 30-jährigen Krieg hat das Kloster Glück gehabt und wurde nicht geplündert
Helmut J. Kirfel Historiker

Darunter ist auch die Kreuzigungsgruppe vom Kalvarienberg, die heute in der Vorhalle der Basilika zu sehen ist. Um 1509 beginnt Meister Hubert von Aachen mit der Ausmalung der Deckengewölbe im spätgotischen Stil. 1517 wird mit den Arbeiten für die neue Verglasung des Kreuzgangs begonnen. Sie wird 1785 ausgebaut und kurz danach nach England verkauft. Heute ist sie größtenteils im Victoria-und-Albert-Museum in London zu sehen. Die wachsende Macht der Äbte macht sich auch in der Kleidung bemerkbar.

Seit 1536 treten die Äbte wie Bischöfe auf. „Aber im Gegensatz zu den Bischöfen werden die Äbte nur gesegnet und nicht geweiht“, nennt Kirfel einen großen Unterschied. Aber es gibt auch immer wieder Rückschläge für die Klostergemeinschaft. 1509 stirbt Abt Johannes V. von Münstereifel an der Pest. Auch der Prior, der Subprior, der Sakristan, der Novizenmeister und mehrere andere Chorherren fallen der Seuche zum Opfer. Anfang 1592 überfallen Soldaten im Nachgang zum Truchsessischen Krieg das Kloster und plündern es aus.

Hexenprozesse düsteres Kapitel des Klosters

Immer wieder werden Chorherren verschleppt und Lösegelder erpresst. Während des Krieges werden die kostbaren Bildscheiben des Kreuzgangs erstmals ausgebaut und für zwölf Jahre nach Münstereifel ausgelagert. Auch in den folgenden Jahrhunderten müssen die Scheiben mehrfach in Sicherheit gebracht werden. „Im 30-jährigen Krieg hat das Kloster Glück gehabt und wurde nicht geplündert. Der Abt war in der Zeit aber zur Sicherheit in den Steinfelder Hof in Köln gezogen“, berichtet Kirfel.

Ein düsteres Kapitel in der Geschichte des Klosters sind auch die Hexenprozesse. „Viele höhere Geistliche wurden als Richter oder Beisitzer berufen und waren deshalb an den Prozessen beteiligt“, weiß der Historiker. Abt Balthasar Panhausen führt 1604 einen Prozess gegen eine der Zauberei verdächtige Frau in der zu Steinfeld gehörenden Herrschaft Wehr. 1628 werden nach einem Hexenprozess in der Herrschaft Wildenburg zwölf Frauen und vier Männer getötet.

Da zwei Männer Einwohner von Wahlen waren und damit zu Steinfeld gehörten, werden sie auf Steinfelder Gebiet hingerichtet und verbrannt. Der aufkommende Barock sorgt dann im 17. und 18. Jahrhundert für sehr große Veränderungen in Steinfeld. „Aus der romanischen Klosterkirche wird eine Barockkirche mit Einbauten und weißen Wänden“, berichtet Kirfel. Zahlreiche neue Gebäude entstehen, das Kloster erlebt eine weitere Blütezeit. Doch am Horizont tauchen schon dunkle Schatten auf. 1802 wird das Kloster von den Franzosen geschlossen.

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