Streit mit dem KreisADHS-Kranker aus Kall soll Führerschein abgeben

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Muss seinen Fuhrpark aktuell stehen lassen: Ralf Meier wurde vom Kreis Euskirchen die Fahrerlaubnis entzogen.

Muss seinen Fuhrpark aktuell stehen lassen: Ralf Meier wurde vom Kreis Euskirchen die Fahrerlaubnis entzogen.

In der unendlichen Geschichte um den Führerschein von Ralf Meier aus Dottel geht in ein weiteres Kapitel: Der Kreis Euskirchen hat den Familienvater aufgefordert, seinen Führerschein abzugeben.

Meier ist es nun untersagt, sich ans Steuer eines Fahrzeugs zu setzen. Seine Anwältin Steffi Hübner aus Kall wird einen Eilantrag gegen die Ordnungsverfügung stellen und Klage beim Verwaltungsgericht Aachen einreichen. Es ist bereits das zweite Mal, dass sich beide Seiten vor Gericht treffen.

Bei dem 57 Jahre alten Mann aus Dottel war vor einigen Jahren eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) diagnostiziert worden. Im August 2019 war Meier in einen Verkehrsunfall verwickelt und vom Amtsgericht Daun in erster Instanz zu einer Strafe von 1600 Euro und drei Monaten Fahrverbot verurteilt worden.

Kreis zweifelt an Eignung Meiers zum Führen von Kraftfahrzeugen

Das Trierer Landgericht hatte das Verfahren dann aber Anfang 2021 gegen Zahlung von 1200 Euro eingestellt. Im Nachgang zu dem Unfall und dem Urteil forderte die Kreisverwaltung Euskirchen Meier Mitte April 2022 in einer Anordnung auf, sich einer psychiatrischen verkehrsmedizinischen Begutachtung zu unterziehen. Aufgrund von Aussagen eines Zeugen und des Notarztes, der Meier nach dem Unfall versorgt hatte, sowie einem Attest, das der 57-Jährige selbst dem Landgericht vorgelegt habe, gebe es Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, so der Kreis.

Der 57-Jährige sprach von Diskriminierung und verwies darauf, dass er seit seinem 18. Lebensjahr den Führerschein habe und ein defensiver Fahrer sei. Er sei viel mit dem Auto und dem Motorrad unterwegs und habe eine weiße Weste in Flensburg. Als der Kreis Meier dann im September 2022 aufforderte, seinen Führerschein abzugeben, reichte seine Anwältin Klage beim Verwaltungsgericht in Aachen ein. Nach einer ersten Einschätzung und rechtlichen Hinweisen des Gerichts zog der Kreis dann seine Verfügung zurück und übernahm die Kosten des Verfahrens.

Kresi forderte Meier zu einer verkehrsmedizinisch-neuropsychologischen Begutachtung auf

„Das Verwaltungsgericht hatte die Ordnungsverfügungen lediglich aus formalen Gründen beanstandet. Das Gericht hatte in seiner Begründung aber ausdrücklich mitgeteilt, dass eine ,präventive Maßnahme der Gefahrenabwehr' ergriffen werden kann, insbesondere mit Blick auf die Medikamente, die Herr Meier erhalten habe“, hatte Kreispressesprecher Wolfgang Andres seinerzeit erklärt. Im Januar folgte dann der nächste Akt: Der Kreis forderte den Dotteler auf, sich innerhalb eines Monats einer verkehrsmedizinisch-neuropsychologischen Begutachtung zu unterziehen.

„Nach einer detaillierten Prüfung war das Kreis-Gesundheitsamt in einer amtsärztlich-verkehrsmedizinischen Stellungnahme zu der Einschätzung gekommen, dass in diesem Fall eine verkehrsmedizinisch-neuropsychologische Begutachtung zu erfolgen hat“, so Andres. Einige Wochen später war plötzlich das Konto des Dottelers gesperrt. Hintergrund war eine offene Forderung des Kreises. „Im Raum stand ein noch offener Gebührenbescheid vom April 2022, für den eine Gebühr von 29.70 Euro fällig wurde. Es ging um die Anordnung zwecks Überprüfung der Kraftfahreignung“, so Andres.

Mitarbeiter des Kreises habe sich von Meier bedroht gefühlt

Meier habe darauf nicht reagiert: „Er hat weder bezahlt noch Rechtsmittel eingelegt. Die Anordnung wurde damit rechtskräftig.“ Auf weitere Mahnungen und Zahlungsaufforderungen habe er sich auch nicht gemeldet. Die ganze Angelegenheit hatte auch noch ein Nachspiel. „Ich habe beim Kreis angerufen und angekündigt, dass ich bei der nächsten Kontensperrung persönlich vorbeikommen und sicherlich nicht gut gelaunt sein werde“, erzählt der Familienvater.

Daraufhin habe er am nächsten Tag Besuch von zwei Kriminalbeamten bekommen, die ihn wegen seiner Drohung sprechen wollten: „ Die waren aber sehr umgänglich.“ Andres bestätigte, dass sich der Mitarbeiter des Kreises bedroht gefühlt habe. Weil sich der Dotteler nicht begutachten lassen will, entzog ihm der Kreis jetzt die Fahrerlaubnis und droht mit einem Zwangsgeld von 500 Euro. Aufgrund der Einzeldiagnosen ADHS, Angststörung und Depression bestünden zwar grundsätzlich keine Zweifel an der Fahreignung.

„Der Unfall ist dreieinhalb Jahr her, und Ralf Meier ist vorher und nachher nie aufgefallen. Mit unserer Stellungnahme zum Unfallhergang hat sich der Kreis nicht genug auseinandergesetzt.“
Ralf Meiers Anwältin

„In Ihrem Fall müssen jedoch die individuellen Umstände und Ihr Gesundheitszustand verkehrsmedizinisch bewertet werden, da bei Ihnen die Diagnosen zeitgleich vorliegen und trotz einer seit Jahren anhaltenden adäquaten und fachlich begleiteten Therapie keine komplette Symptomkontrolle erreicht werden konnte“, heißt es aber weiter in der Begründung der Ordnungsverfügung. Ansonsten werden wieder ausgiebig der Unfall und die Zeugenaussagen thematisiert. „Die haben sich auf mich eingeschossen“, meint Meier.

In dem Schreiben gebe es viele sachliche Fehler. Das bestätigt auch seine Anwältin: „Es gibt einige inhaltliche Fehler, und mir fehlt das Ermessen.“ So sei beispielsweise Dormicum kein Neuroleptikum. Einige Punkte, die für ihren Mandanten sprechen, seien nicht berücksichtigt worden: „Der Unfall ist dreieinhalb Jahr her, und Ralf Meier ist vorher und nachher nie aufgefallen. Mit unserer Stellungnahme zum Unfallhergang hat sich der Kreis nicht genug auseinandergesetzt.“

Dass jemand ADHS habe und Medikamente nehme, reiche allein nicht aus, um eine Begutachtung anzuordnen. Hübner vermutet: „Da hat sich jemand verbissen und nimmt eine Abwägung vor, in der nur negative Punkte einfließen.“ Die Ordnungsverfügung sei auf jeden Fall angreifbar. „Es kann nicht sein, dass ein psychisch kranker Mensch einen Unfall verursacht und bei entsprechenden Zeugenaussagen gleich den Führerschein verliert“, betonte die Anwältin. Einmal mehr werde mit einem Menschen mit einer besonderen Erkrankung nicht angemessen umgegangen.

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