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ReaktionenA1-Weiterbau in der Eifel: Flecktarn schlägt Grünspecht und Schwarzstorch

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Das Symbolbild zeigt eine Kolonne mit Fahrzeugen der Bundeswehr und schwer bewaffneten Soldaten auf der Autobahn A2 im Norden von Hannover mit einem vorausfahrenden Polizeimotorrad.

Die „Zeitenwende“ macht es möglich: Dass der A1 als Teil des „Transeuropäischen Verkehrsnetzes“ auch eine sicherheitspolitische Bedeutung von den Leipziger Richtern zugesprochen wird, hatten wahrscheinlich die wenigsten erwartet.

Reaktionen auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Winterbau der A1. Das Projekt hat auch Bedeutung für die Landesverteidigung.

„Heute ist ein guter Tag für die Menschen, die Wirtschaft und die Infrastruktur in Eifel und Region“, meldete sich der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif zu Wort. Sein Parteikollege und Landtagsmitglied Klaus Voussem freut sich, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil „Klarheit für den Weiterbau der A1“ geschaffen habe. Und Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder, ebenfalls CDU, verspricht: „Die Autobahn GmbH wird nun die Ausführungsplanungen zügig vorantreiben.“ Am Tag nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zum Weiterbau der A1 in Rheinland-Pfalz herrscht bei ihnen Zuversicht, dass die „unendliche Geschichte“ des Lückenschlusses in der Eifel doch noch ein Happy End findet.

Wer von den Richtern jedoch nur Aussagen zu Vogelschutzgebieten und Fragen der Entwässerung erwartet hatte – der Landesverband Rheinland-Pfalz des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) hatte seine Klage gegen den A1-Weiterbau damit begründet – wurde überrascht. Denn ausdrücklich nannte das Gericht auch Belange der öffentlichen Sicherheit, die eine Ausnahme von den Vorgaben der europäischen Vogelschutzrichtlinie für den Weiterbau zulässig machten.

Von Spanien an die Ostsee: A1 als transeuropäische Verbindungstrasse

„Das Gericht kann alles berücksichtigen, was eine Rolle spielt“, antwortet Seif auf die Frage, ob er von der Begründung der Leipziger Richter, der A1 komme eine Bedeutung für die Kriegstüchtigkeit Deutschlands zu, überrascht gewesen sei. Seif: „Im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine wird immer von der Zeitenwende gesprochen. Fakt ist, dass die Infrastruktur ein wichtiger Aspekt für die Landesverteidigung ist.“

Ende der Bundesautobahn 1 an der Anschlussstelle Blankenheim bei Tondorf. Bild vom 3.1.23

An der Anschlussstelle Blankenheim bei Tondorf endet die A1 seit dem Jahr 1982 auf NRW-Seite. Von dort fehlen rund 25 Autobahnkilometer bis ins rheinland-pfälzische Kelberg.

Als transeuropäischer Verbindungstrasse komme der A1 dabei eine besondere Bedeutung zu: „Die A1 führt quasi von den Nato-Ländern Spanien und Frankreich bis zur Ostsee und ist daher wichtig, wenn Truppenverbände verlegt werden sollen“, erklärt Seif im Gespräch mit dieser Zeitung.

Auch, dass die A1 „gemäß der EU-Verordnung 2024/1679 Teil des bis spätestens 2050 fertigzustellenden Transeuropäischen Verkehrsnetzes“ sei, wie es vom Bundesverwaltungsgericht am Montag betont wurde, spielte in der Debatte um den Weiterbau bislang keine prominente Rolle.

„Seit Ende des Kalten Kriegs wurde vieles vernachlässigt“

Für den Euskirchener Rechtsanwalt Albert Stumm, Hauptgefreiter der Reserve und in Reservistenkreisen bestens vernetzt, ist die Aussage, dass der Infrastruktur – auch fernab möglicher Aufmarschgebiete im Osten des Nato-Gebietes – eine kriegswichtige Bedeutung zukommt, keine Überraschung. „Aber auch ich habe mich tatsächlich gewundert, dass das vom Gericht so deutlich formuliert worden ist.“

Stumm gibt zu bedenken, dass seit dem Ende des Kalten Krieges vieles vernachlässigt worden sei, was der Landesverteidigung diene. Er gibt auch gleich ein Beispiel: „Die gelben Panzerschilder, mit denen angegeben wurde, mit welchem maximalen Gewicht eine Brücke befahren werden durfte.“ Diese MLC-Schilder („Military Load Class“) gab es früher an jeder Brücke. Seit 2009 schreibt das Verteidigungsministerium die Beschilderung nicht mehr vor.

Die Einschätzung des Gerichts, dass die A1 für die öffentliche Sicherheit erforderlich sei, ist für mich nicht nachvollziehbar.
Sabine Yacoub, Vorsitzende BUND-Landesverband Rheinland-Pfalz

Inzwischen gibt es die notwendigen Infos laut Stumm in digitaler Form – gespeichert in einer Online-Datenbank. Die Frage sei aber, ob diese Informationen im Ernstfall immer und überall abgerufen werden könnten. „Ich halte es daher für notwendig, diese Schilder wieder flächendeckend anzubringen“, so Stumm.

Landrat Markus Ramers hält Begründung für nachvollziehbar

Die Bevölkerung – auch im Kreis Euskirchen – für die Auswirkungen eines möglichen Verteidigungsfalls zu sensibilisieren, hatte sich Landrat Markus Ramers (SPD) bereits bei seinem diesjährigen Sommerempfang im Kreishaus auf die Fahnen geschrieben. Das Stichwort: Zivil-Militärische Zusammenarbeit.

„Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Thematik aus vielerlei Perspektiven betrachtet und ist zu einer klaren Entscheidung gekommen“, sagte Ramers am Dienstag: „Dass dabei unter anderem auch sicherheitspolitische Aspekte eine Rolle gespielt haben, halte ich in der heutigen Zeit für richtig und nachvollziehbar.“

Naturschützer sehen Widerspruch zu den Zielen der Verkehrswende

Anders sieht das naturgemäß Sabine Yacoub, die als rheinland-pfälzische Landesvorsitzende des BUND die Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht hatte: „Die Einschätzung des Gerichts, dass die A1 für die öffentliche Sicherheit erforderlich sei, ist für mich nicht nachvollziehbar. Es gibt ausreichend nutzbare und sichere Straßen in der Region“, so die Naturschützerin. Auch für Kerstin Ciesla, stellvertretende Vorsitzende des BUND NRW, ist das Urteil „ein herber Rückschlag“ für den Natur- und Klimaschutz: „Es macht deutlich, wie wenig Gewicht Umweltbelange haben, wenn große Straßenbauprojekte auf der politischen Agenda stehen.“ Oder anders ausgedrückt: Die Landesverteidigung ist wichtiger als die Lebensräume von Grünspecht und Schwarzstorch in der Eifel.

Aus Sicht des BUND führt der Ausbau der A1 zu gravierenden Eingriffen in europäische Schutzgebiete und bedroht wertvolle Lebensräume in der Eifel. „Der Autobahnausbau steht zudem im klaren Widerspruch zu den Zielen der Verkehrswende und dem Ausbau klimafreundlicher Mobilität“, kritisiert Ciesla das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Ramers hält dagegen: „In den vergangenen 30 Jahren sind durch die Autobahnlücke zwei Milliarden Fahrzeugkilometer vermeidbarer Umwege zusammengekommen.“

Das Archivbild zeigt den CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif und Patrick Schnieder, heute Bundesverkehrsminister.

Detlef Seif (l.) und Patrick Schnieder kennen sich gut. „Wir haben zum Beispiel im Jahr 2012 eine gemeinsame Demonstration in Düsseldorf für den Weiterbau der A1 organisiert", so der Bundestagsabgeordnete aus Weilerswist.

Allerdings bezieht sich die Entscheidung des Gerichts nur auf den rund zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen den Anschlussstellen Kelberg und Adenau. Für die folgenden Abschnitte liegt noch kein Baurecht vor. Laut Seif gehen die Planungen für den sechs Kilometer langen Abschnitt von Blankenheim bis Lommersdorf sowie länderübergreifend für den 9,4 Kilometer langen Abschnitt von Lommersdorf bis Adenau jetzt weiter.

„Nachdem ich gemeinsam mit meinem Bundestagskollegen und jetzigen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder jahrelang für das Projekt gekämpft habe, würde ich mich sehr freuen, wenn es in absehbarer Zeit auch tatsächlich realisiert wird“, sagt Seif: „Nach dem Urteil vom Montag sehe ich hierfür gute Chancen.“

Am 28. November stimmt der Bundestag über den Haushalt 2026 ab

Das unterstreicht auch der aus der Vulkaneifel stammende Verkehrsminister: „Wir haben gesagt: Sobald es bestandskräftiges Baurecht gibt, wird der Bund unmittelbar die Finanzierung sichern.“ Der Koalitionsausschuss habe sich im Oktober darauf verständigt, drei Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität zusätzlich für die Bundesfernstraßen zu mobilisieren, um Potenziale für Projekte des Bundesfernstraßennetzes zu erschließen. „Für Erhalt sowie Neu- und Ausbau“, wie Schnieder verdeutlicht: „Das klare Signal des Koalitionsausschusses ist: Alles, was baureif ist, wird auch gebaut.

Noch befindet sich der Haushalt im parlamentarischen Verfahren. Sobald der Haushalt vom Bundestag beschlossen ist, werde ich die Baufreigabe für die A1 erteilen.“ Am Freitag, 28. November, stimmt der Bundestag in dritter Lesung namentlich über das Haushaltsgesetz für 2026 ab.

Ganz billig dürfte das Projekt Lückenschluss hingegen nicht werden: Der vollständige Ausbau der fehlenden 25 Autobahnkilometer zwischen Kelberg und Tondorf soll laut Angaben des Verkehrsministeriums rund 730 Millionen Euro kosten.