FlutOpfer im Kreis Euskirchen kämpfen mit Versicherung – Antrag für Senioren schwierig

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Das Bild zeigt einen Raum in einem Haus in Euskirchen, das nach der Flut gerade entkernt wird.

Längst nicht alle Häuser sind nach der Flut im Kreis Euskirchen wieder aufgebaut worden. Oft scheitert es schon am Antrag auf Wiederaufbauhilfe.

Rund 8500 Termine für Wiederaufbauberatung hat der Kreis Euskirchen abgearbeitet. Dennoch ist längst nicht jedes Haus wieder aufgebaut.

959 Tage sind seit der Flut am 14. Juli 2021 vergangen. Der Wiederaufbau ist bei weitem noch nicht überall abgeschlossen. „Wir sind auf einem sehr guten Weg. Bei uns funktioniert es grundsätzlich gut“, sagt Achim Blindert, Wiederaufbaukoordinator des Kreises Euskirchen. Einen Blick über die Landesgrenze nach Rheinland-Pfalz verbietet sich laut Blindert. Man sei beim Thema Wiederaufbau gut beraten, wenn man auf sich schaue und seine Hausaufgaben mache.

Und Hausaufgaben hat der Kreis noch genug. Der Grund: Immer noch nutzen Menschen aus dem Kreis Euskirchen das Angebot, sich bei den Anträgen zum Wiederaufbau helfen zu lassen. Gut 8500 Beratungen hat es seit der Flut nach Angaben von Blindert gegeben. Alleine im vergangenen Januar seien es mehr als 130 gewesen.

Wiederaufbau: Termine bei Beratern sind immer noch gefragt

Und im Februar sei man bei einer Auslastung der Beratungsstellen in Bad Münstereifel, Euskirchen, Schleiden und Weilerswist mit ihren insgesamt sechs Beratern von etwa 85 Prozent angelangt. „Wir lassen keinen alleine, wir weisen niemanden ab. Solange es den Bedarf gibt, werden wir das Angebot aufrechterhalten“, versichert Blindert im Gespräch mit dieser Zeitung.

Kalle Laschitzki und Dr. Heinrich Dibbern sind als Berater für den Kreis Euskirchen tätig. „Für mich sind die schlimmsten Fälle, wenn die Menschen eigentlich versichert waren“, sagt Laschitzki. Das Land suggeriere, dass man die Summe, die die Versicherung nicht übernimmt, problemlos über die Wiederaufbauhilfe erhalten könne.

Bezirksregierung prüft Anträge sehr penibel

„Das ist aber nicht der Fall“, so Laschitzki: „Man muss jede Rechnung einpflegen, den kompletten Schaden angeben, jeden Nachweis der Versicherung einreichen. Und dies von den Versicherungen zu erhalten – das ist ätzend“, so der Wiederaufbauantragsexperte: „Wer nicht versichert war, hat es wesentlich leichter bei den Wiederaufbauanträgen.“

Sein Kollege Dibbern ergänzt eine weitere Schwierigkeit. „Jede Versicherung geht ihren eigenen Weg. Das macht es nicht einfacher. Da haben Menschen ihren Garten mit versichert. Der ist aber vom Land nicht förderfähig. Das ist schon kompliziert.“ Sowohl Laschitzki als auch Dibbern berichten im Gespräch, „dass Seniorinnen und Senioren mit dem Programm ohne Hilfe wohl nur in Einzelfällen klarkommen“.

Senioren aus dem Kreis Euskirchen wollen oft keinen Antrag stellen

Laschitzki: „Man kann es allerdings wohl nicht einfacher gestalten. Aber man muss auch verstehen, wenn Senioren es nicht hinbekommen.“ Erst recht, so Laschitzki, wenn die Prüfung eine Ungereimtheit aufweise. „Ich hatte den Fall, dass der Betroffene drei Rechnungen über einen Container zur Entsorgung hatte. Bei einer war an der Hausnummer plötzlich ein a – statt in 16 wohnte derjenige in 16a. Man muss nicht meinen, dass das durchgegangen ist. Die Rechnung musste neu bei dem Unternehmen angefordert werden“, so der Experte kopfschüttelnd.

Ein Wiederaufbauantrag sei für den einen oder anderen nicht nur bürokratisch eine Hürde, sondern auch emotional. „Ich hatte hier auch schon Menschen sitzen, die angefangen haben zu weinen, als sie die Bilder der Zerstörung wieder gesehen haben“, erzählt Dibbern. Gerade die ältere Generation sei es, die sich bisher nicht um einen Wiederaufbauantrag gekümmert habe. „Wenn man dann fragt, warum nicht, kommen immer wieder Sätze wie,Das lohnt sich doch nicht mehr' oder ,Für wen mache ich das denn überhaupt noch´“, berichtet Dibbern.

Grund zur Panik gebe es keine – auch nicht für die, die bisher keinen Antrag auf Wiederaufbauhilfe beim Land gestellt hätten. Nach Angaben von Heike Schneider, Leiterin der Stabsstelle Wiederaufbau beim Kreis, kann der Antrag bis zum 30. Juni 2026 gestellt werden – gerne mithilfe der Berater des Kreises. Abgeschlossen sein muss der Wiederaufbau dann bis 2030.

In Gemünd ist ein Wiederaufbau-Botschafter im Einsatz

Gute Erfahrung hat der Kreis nach Angaben von Mitarbeiterin Mona Noé mit persönlichen Gesprächen mit den Betroffenen. In Gemünd hat der Kreis deshalb einen ehrenamtlichen Wiederaufbau-Botschafter im Einsatz. Franz Schockert sucht seit acht Monaten immer wieder das Gespräch mit den Eifelern, von denen er weiß, dass sie von der Flut betroffen waren. „Ich habe eigentlich immer ein bisschen Info-Material in der Tasche“, berichtet der Gemünder.

Etwa 100 Menschen habe er seit Juni 2023 angesprochen. Mehr als ein Dutzend habe anschließend die Hilfe der Wiederaufbauberater des Kreises in Anspruch genommen. Eine Quote, die sowohl Noé als auch Schneider für „richtig gut und wichtig“ halten. Jeder Betroffene sei das Engagement und die Zeit wert. Schließlich wolle man weiter auf dem „sehr guten Weg“ bleiben, den Achim Blindert skizziert. Laut Schneider sind etwa 300 Millionen Euro an Wiederaufbauhilfe in Privathaushalte geflossen.


Radiospots, Plakate und ein Info-Schreiben

Im Kreishaus hat man das Gefühl, dass einige Bürger auch zweieinhalb Jahre nach der Flut noch keinen Antrag auf Wiederaufbauhilfe beim Land gestellt haben. Deshalb ist das Team um Heike Schneider, Leiterin der Stabsstelle Wiederaufbau beim Kreis, nun noch einmal in die Offensive gegangen.

Bei Radio Euskirchen hat der Kreis mehr als 30 Radiospots geschaltet, die darauf aufmerksam machen, dass es noch nicht zu spät ist, einen Antrag zu stellen. „Wir hatten schon positive Resonanz darauf“, berichtet Kreis-Mitarbeiterin Mona Noé. Zudem hat der Kreis 350 Plakate drucken lassen und an unterschiedlichsten Stellen im Kreis Euskirchen aufhängen lassen.

Das Bild zeigt zwei Plakate in einem Geschäft in Euskirchen. Sie weisen auf die Wiederaufbauhilfe des Landes hin.

350 solcher Plakate hat der Kreis Euskirchen anfertigen lassen.

Die Plakate sind laut Noé in sieben Sprachen gestaltet worden. „Wir haben die Sprachen mit unserem Ausländeramt abgestimmt, damit wir möglichst viele Menschen erreichen“, berichtet Schneider. Die Kreisverwaltung hat zudem einen hellgrünen Infobrief aufgesetzt und diesen den Schreiben der Kommunen zur Grundbesitzabgabe hinzugefügt.

Man habe bewusst ein farbiges Schreiben gewählt, damit es sich von den Grundbesitzabgaben abhebt, so Schneider. Auf einer Doppelseite wurden in diesem Info-Schreiben noch einmal alle wichtigen Punkte rund um den Wiederaufbauantrag zusammengefasst. Zudem gibt es einen QR-Code, der direkt zum Förderportal führt. Es sind aber auch Telefonnummern aufgeführt, die zu den Unterstützungsangeboten des Kreises führen. (tom) 

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