Zu wenige Eigentümer wollen verkaufenStadt Schleiden zieht Enteignungen für Hochwasserschutz in Betracht

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Blick auf das Tal von Richtung Olef in Richtung Schleiden mit der Olef und den grünen Wiesen.

Im Tal zwischen Schleiden und Olef soll einer der drei geplanten Überflutungsbereiche entstehen.

Weil zu wenige Eigentümer ihre Grundstücke für den Hochwasserschutz verkaufen wollen, denkt die Stadt Schleiden über Enteignungen nach.

„Wenn das der Weg ist, den wir gehen müssen, dann werden wir ihn gehen. Am Ende des Tages geht es auch um Leben“, betont Bürgermeister Ingo Pfennings. Der Verwaltungschef ist frustriert, weil es der Stadt Schleiden nur in Einzelfällen gelungen ist, Flächen an Urft und Olef für den Hochwasserschutz zu erwerben.

Weil die meisten Eigentümer ihre Grundstücke nicht verkaufen wollen, soll nun eine Enteignung der Flächen geprüft werden. Das Thema wird an diesem Dienstag, 20. Februar, im Stadtentwicklungsausschuss beraten, der ab 18 Uhr im Rathaus tagt.

„Jeder weiß, wie groß die Schäden bei uns im Stadtgebiet nach der Flut waren“, erklärt Pfennings. Auch Laien müssten verstehen, wie wichtig es ist, dass die Orte sowie das Hab und Gut der Menschen geschützt werden müssen. Das sei nur mit Maßnahmen an den Hauptgewässern Urft und Olef außerhalb der Bebauung möglich.

Stadt Schleiden hat mehrere mögliche Standorte ausgemacht

Die geplante Instandsetzung der Gewässerstrukturen unter Berücksichtigung der Unterhaltungsaufgaben und des naturnahen Hochwasserschutzes müssten um Maßnahmen außerhalb der Siedlungen ergänzt werden. Deshalb sei es die Aufgabe der Verwaltung, geeignete Flächen für den Hochwasserschutz zu finden und diese ins Eigentum oder zumindest in langfristig gesicherten Besitz der Stadt zu bringen.

Blick auf die Urft und die angrenzenden Wiesen..

Zwischen Mauel und Anstois könnten bei Hochwasser große Wassermengen zurückgehalten werden.

Nach Prüfung durch die Verwaltung kommen aufgrund ihrer Lage und Größe ein Bereich an der Urft zwischen Gemünd und Anstois sowie zwei weitere an der Olef zwischen Olef und Schleiden sowie zwischen Oberhausen und Blumenthal für Rückhaltungen infrage. Dabei handelt es sich um Ackerflächen oder Wiesen.

Sie sollen abgebaggert und so ein zusätzliches Rückstauvolumen geschaffen werden. Gleichzeitig soll so die Fließgeschwindigkeit erheblich reduziert werden. Dadurch gelangt nach Einschätzung der Verwaltung auch weniger Treibgut in die Orte – und die Gefahr von Rückstaus an den Brücken werde reduziert.

Rückhaltevolumen von insgesamt bis zu 320.000 Kubikmetern ist vorgesehen

Mit einer Absenkung der drei Flächen kann nach einer vereinfachten Berechnung der Verwaltung ein zusätzliches Rückhaltevolumen von insgesamt bis zu 320.000 Kubikmetern geschaffen werden. Je nachdem, ob die Flächen 50 Zentimeter oder einen Meter tiefergelegt werden, können an der Olef zwischen Schleiden und Olef 42.200 oder fast 90.000 Kubikmeter Wasser zurückgehalten werden. Zwischen Blumenthal und Oberhausen wären es 34.400 oder fast 70.000 Kubikmeter, an der Urft zwischen Anstois und Gemünd 82.300 oder fast 165.000.

Die neu geschaffenen Retentionsräume wirken sich laut Verwaltung auch auf Spitzenabflüsse aus und federn somit bei Starkregenereignissen Spitzen ab. Ferner tragen die Bereiche auch zu einer Verbesserung der Gewässerökologie bei und helfen, die Anforderungen aus den Wasserrahmenrichtlinien zu erfüllen.

Bereitschaft der Eigentümer zum Verkauf ist nicht sehr hoch

Eine Umsetzung von solchen naturnahen Hochwasserschutzmaßnahmen auf den genannten Potenzialflächen sei langfristig und nachhaltig allerdings nur möglich, wenn sie der Stadt gehören. Deshalb hat die Verwaltung nach Angaben des Beigeordneten Marcel Wolter ihr Interesse an den Grundstücken bekundet und den Eigentümern Kaufangebote unterbreitet: „Dabei haben wir auch die Gründe, die Bedeutung und die Notwendigkeit für den Erwerb dieser Flächen detailliert erläutert.“

Im Anschluss habe es auch einige persönliche Gespräche gegeben. „Monate später haben wir noch einmal nachgehört und an die Angelegenheit erinnert“, so Wolter. Doch die Bereitschaft der Eigentümer zum Verkauf sei nicht sehr hoch gewesen, obwohl die Kaufangebote über dem jeweiligen Bodenrichtwert gelegen hätten. „Einige wenige haben die Offerte angenommen. Aber jetzt merken wir, dass sich nichts mehr tut.“

Manche Eigentümer wohnen nicht hier und haben die Flächen verpachtet. Andere wollen die Grundstücke für ihre Kinder behalten.
Ingo Pfennings, Bürgermeister der Stadt Schleiden

In Oberhausen hat die Stadt laut Wolter Angebote für den Kauf von rund 69.000 Quadratmetern unterbreitet. Doch nur für knapp 10.800 Quadratmeter sei eine Verkaufsbereitschaft signalisiert worden. An der Olef zwischen Schleiden und Olef gehören der Stadt 516 Quadratmeter, weitere gut 87.000 will sie kaufen. Aber nur bei 9600 Quadratmetern wollen die Eigentümer mitspielen.

Düster sieht es auch an der Urft vor Mauel aus: Dort sollen knapp 165.000 Quadratmeter gekauft werden, aber nur rund 63.700 werden angeboten. „Manche Eigentümer wohnen nicht hier und haben die Flächen verpachtet. Andere wollen die Grundstücke für ihre Kinder behalten“, berichtet Pfennings. Wieder andere hätten angeboten, die Grundstücke zu tauschen, berichtet Wolter: „Aber wir haben in der Tallage keine Tauschflächen zur Verfügung.“

Bei einer Enteignung erhalten die Eigentümer Entschädigungen

Ein umfassendes Hochwasserkonzept für das Schleidener Tal sei letztlich nur mit diesen Flächen möglich. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse in letzter Konsequenz auf Grundlage des Paragrafen 71 des Wasserhaushaltsgesetzes auch auf Enteignungen zurückgegriffen werden. „Enteignungen sind bei uns wahrlich kein laufendes Geschäft der Verwaltung. So etwas hatten wir noch nie“, betont Wolter.

Weder beim Bau von Windkraftanlagen noch bei der Ausweisung des Nationalparks habe man dieses Instrument einsetzen müssen. Deshalb habe er sich auch erst einmal in die Thematik einarbeiten müssen. In den Ballungszentren sei die Situation eine völlig andere: „In Städten wie Köln gehören Enteignungen etwa beim Bau der U-Bahn oder beim Verlegen von Versorgungsleitungen zum Tagesgeschäft.“

Die Stadt Schleiden könne aber nur einen Antrag stellen: „Entscheiden muss die Bezirksregierung Köln. Wir gehen nach einer ersten rechtlichen Prüfung davon aus, dass der Antrag erfolgreich sein wird.“ Doch selbst bei einer Enteignung gebe es eine Entschädigung für die Grundstückseigentümer.

„Es ist total frustrierend, dass man darüber nachdenken muss, so ein Mittel einzusetzen“, sagt der Bürgermeister. Die Fraktionsvorsitzenden seien auch entgeistert gewesen, als er mit ihnen über die Problematik gesprochen habe. Die Politik könne sich vorstellen, den von der Verwaltung vorgeschlagenen Weg mitzugehen. „Vielleicht kommen wir ja doch noch ohne aus“, hofft Pfennings.

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