Nach Tod von Lars VogtSo findet das Kammermusikfestival im Heimbacher Kraftwerk statt

Lesezeit 4 Minuten
20.6.2022 Vor ausverkauftem Haus fand im Jugendstilkraftwerk in Heimbach der Eröffnungsabend der Spannungen statt.

Die Spannungen sind dank Lars Vogt zu einem führenden Kammermusikfestival im deutschsprachigen Raum geworden.

Wie es mit der Veranstaltungsreihe weitergehen würde war zunächst unklar, nachdem der Initiator und langjährige künstlerische Leiter Lars Vogt verstorben war.

Einen passenderen Ort hätten die Organisatoren des Kammermusikfestivals Spannungen wohl kaum für die Pressekonferenz wählen können, bei der sie das Programm für 2023, das Jahr eins nach dem Tod von Lars Vogt vorstellten. Im Restaurant Indemann, in Sichtweite des Tagebaues Inden – wie ein Sinnbild für das Loch, dass der Tod von Lars Vogt in der Klassikwelt hinterlassen hat – und des Indemanns, einer Mischung aus Aussichtsturm und Stahlskulptur, der den Blick in die Zukunft symbolisieren könnte, präsentierten sie die Planung für das Festival, das von Sonntag, 18. Juni, bis Sonntag, 25. Juni, im Jugendstilkraftwerk in Heimbach stattfindet.

Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Denn wie es mit der Veranstaltungsreihe weitergehen würde, war unklar, nachdem der Initiator und langjährige künstlerische Leiter Lars Vogt verstorben war. Am 5. September vergangenen Jahres war der international hoch angesehene Pianist seinem Krebsleiden erlegen.

Vogt hatte das Kammermusikfestival Spannungen 1997 ins Leben gerufen

Mit seiner Präsenz, seiner Leidenschaft und einer tiefen Liebe zur Musik hatte Vogt die Spannungen 1997 ins Leben gerufen und zu einem führenden Kammermusikfestival im deutschsprachigen Raum werden lassen. Er habe nicht am Fortbestand der Spannungen gezweifelt, sagte Dr. Hans-Joachim Güttler, Vorsitzender des Arbeitskreises Spannungen im Kunstförderverein Düren. „Lars Vogt hat geäußert, wie wichtig es sei, dass es weitergeht“, betonte er.

Alles zum Thema Musik

Auch dessen Familie habe eine Fortsetzung unterstützt. Und die Musiker, die für die Saison 2023 zugesagt haben, seien ebenfalls froh gewesen, dass es weitergeht, berichtete Barbara Buntrock, die mit Sharon Kam und Antje Weithaas die künstlerische Leitung übernommen hat. „Die Spannungen-Familie ist wieder dabei“, sagte sie. Die Herausforderung, in die großen Fußstapfen Vogts zu treten, nehmen die drei bewusst an. Einfach ist das indes nicht. „Man kann niemanden mehr fragen“, beschrieb Sharon Kam das Dilemma, das man zu bewältigen habe.

„Alles hat eine Verbindung zur Vergangenheit und zieht Fäden in die Zukunft“
Sharon Kam

So gut wie möglich hätten sie versucht, das Programm im Sinne von Vogt zusammenzustellen – mit Werken, die eine Verbindung zu ihm haben, und mit vielen bekannten Namen, sagte Barbara Buntrock. Es sei versucht worden, nicht zuviel traurige Stücke, sondern auch Positives auf das Programm zu setzen. „Alles hat eine Verbindung zur Vergangenheit und zieht Fäden in die Zukunft“, beschrieb es Kam. Einstimmig sei der Beschluss gefallen, als allerletztes Stück in dieser Saison das „Quatuor pour le fin du temps“ (Quartett für das Ende der Zeit) von Olivier Messiaen zu spielen.

„Lars hat es geschafft, immer wieder neue Menschen in die Spannungen-Familie zu bringen und zu integrieren“, erläuterte Kam das Konzept der Festivalgründers. Es sei sein Leitfaden gewesen, die Künstler zu fragen, was sie denn mitbringen könnten. Alle beteiligten Musiker seien stets auf den großen Bühnen der Welt unterwegs. Wenn sie sich zum Festival in Heimbach träfen, gehe es darum, sich in bekannten, aber auch neuen Formationen zu treffen und so auch weiterentwickeln. „Wir haben versucht, unsere Freunde in neue Gruppen zu bringen, sonst wächst man nicht weiter“, sagte die Klarinettistin.

Zwei neue Gesichter

Das Publikum werde viele vertraute Gesichter erleben, dazu aber auch zwei neue: den Pianisten François-Frédéric Guy und den Geiger Javier Comsaña. Die in diesem Jahr beteiligten Musiker haben auch Vorschläge für Stücke gemacht, die im Kraftwerk zu hören sein sollen, aber ansonsten das Dreiergremium in Ruhe arbeiten lassen. „Wir haben nur wenige, die die Einladungen nicht angenommen haben“, ergänzte Buntrock. Angesichts der prall gefüllten Terminkalender sei es nicht selbstverständlich, dass die Musiker sich immer wieder die Festivalwoche freihalten. „Alle haben ihr Bestes gegeben, ein wunderbares Festival zu geben“, so Buntrock.

Und es mache Sinn, dieses Festival durchzuführen, sagte Kam – schon das Jugendstilkraftwerk sei es wert. „Wo warst du, Kraftwerk, bis ich dich entdeckt habe?“, sei ihr Gedanke gewesen, als sie das erste Mal dort gewesen sei und die Akustik erlebt habe. Manch Neues, aber auch viel Altbewährtes wird die Zuhörer bei den Spannungen erwarten. So werden in diesem Jahr wieder öffentliche Proben angeboten. Auch eine „Composer in Residence“ wird es wieder geben, eine Komponistin, die während des Festivals in Heimbach leben und arbeiten wird.

Veranstaltung ist Gründer Vogt gewidmet

2023 ist es Charlotte Bray, deren Streichtrio am Freitag, 23. Juni, seine Uraufführung erleben wird. Wie sehr das Festival noch vom Geist Lars Vogts geprägt ist, wird nicht nur dadurch deutlich, dass die Veranstaltung ihm gewidmet ist. Acht zeitgenössische Komponisten, die als „Composer in Residence“ in der Vergangenheit in Heimbach waren und so eine Verbindung zur Spannungen-Familie haben, haben zugesagt, Kompositionen im Gedenken an den großen Pianisten beizusteuern.

An jedem der Programmtage – außer dem Freitag, der Charlotte Bray gewidmet sein wird – wird eine dieser Sonderkompositionen uraufgeführt. „Wir stehen in diesem Jahr unter ganz besonders kritischer Beobachtung“, sagte Güttler. Dieses Jahr werde für die Zukunft des Festivals präjudizierend sein. „Die programmatische Ausrichtung ist wichtig“, stellte er fest. Deshalb sei auch ein programmatisches Konzeptpapier im Arbeitskreis erstellt worden. Über die Zukunft der künstlerischen Leitung über das Ende des diesjährigen Festivals hinaus wollte Kam sich nicht äußern. „Wir hoffen auf eine lange Zusammenarbeit, aber wir müssen sicher sein, dass alle das so wollen“, sagte sie. (se)

KStA abonnieren