Hilfsgruppe EifelMedikament für todkrankes Kind in der Türkei kostet eine Million Euro

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Nuran Atak hält am Bett ihres Kindes die Sauerstoffmaske, mit der der elf Monate alte Junge künstlich beatmet wird.

Mutter Nuran Atak kümmert sich rührend um ihren Sohn Mehmet Eren und weicht ihm im Krankenhaus nicht von der Seite.

Die Hilfsgruppe Eifel sammelt Spenden für ein elf Monate altes Kind in der Türkei, das ohne eine spezielle Behandlung nur noch wenige Monate zu leben hat.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, den Selver Bicilir und Dieter Züll auch verlieren können. Die Inhaberin des Steakhauses Flames Grills in Euskirchen und der Unterstützer der Hilfsgruppe Eifel sammeln Geld, um einem todkranken Jungen in der Türkei zu helfen. Mehmet Eren Atak leidet an Spinaler Muskelatrophie (SMA) und hat wohl nur noch zwei Monate zu leben, wenn er nicht mit einem extrem teuren Medikament behandelt wird.

Bicilir stammt aus der Türkei und hat schon in zahlreichen ähnlichen Fällen Spenden gesammelt. Nach dem schweren Erdbeben hatte sie beispielsweise mit ihrem Lebensgefährten Ali Demirbas einen Hilfstransport mit Lastwagen auf die Reise geschickt. Vor einigen Monaten habe sie einen Anruf aus der Osttürkei bekommen. Eine Bekannte habe wegen Mehmet Eren Atak um Hilfe gebeten.

Mit einer Million Euro ist eines der teuersten Medikamente

„Der Junge ist elf Monate alt und muss bereits künstlich beatmet und ernährt werden“, sagt Bicilir, die in ständigem Kontakt zu den Eltern steht. Die Familie Atak wohnt in Muratpasa, in der Nähe von Antalya. Sofort rief Bicilir über ihre Netzwerke zu Spenden für den Jungen auf und sammelte Geld in ihrem Familien- und Freundeskreis. „Insgesamt sammeln rund 200 Freiwillige Gelder für die Behandlung des Jungen.“ Parallel wurde nach Kliniken gesucht, in denen er behandelt werden kann.

Eine mögliche Adresse wäre wohl die Uniklinik in Bonn. „Mehmet Eren braucht ein spezielles Medikament, das in der Türkei nicht erhältlich ist“, erzählt Bicilir. Es ist mit mehr als eine Million Euro für einen Patienten das teuerste Medikament auf dem Markt.

 „Ich habe jetzt einen Kostenvoranschlag für eine Behandlung in Dubai bekommen. Sie würde gut 1,6 Millionen Euro kosten“, erzählt die Euskirchenerin. Auf dem türkischen Spendenkonto sind aktuell bislang rund 818 000 Euro eingegangen. „Die Gelder stammen bislang aus der Türkei und aus den arabischen Staaten“, erzählt die Euskirchenerin.

Dieter Züll und Selver Bicilir am Zusammenfluss von Urft und Olef in Gemünd, im Hintergrund das von der Flut stark beschädigte Hotel Friedrichs.

Sammeln Spenden für die Behandlung des Jungen: Selver Bicilir und Dieter Züll.

„Seit dem schweren Erdbeben hat das Spendenaufkommen für Mehmet Eren stark nachgelassen“, berichtet Bicilir, die selbst aus Pazarcik kommt, das mitten im Erdbebengebiet liegt. „Ich habe mein Elternhaus und mein ganzes Dorf verloren“, erzählt sie. Um dem Jungen trotzdem helfen zu können, wandte sie sich an Dieter Züll, der sich als Flut- und Flüchtlingshelfer in der Region einen Namen gemacht hat und sich auch für die Hilfsgruppe Eifel engagiert.

Mit dem Hersteller des Medikaments Kontakt aufgenommen

Er schaltete zuerst den Kaller Apotheker Jürgen Lutsch ein, der sich über Behandlungsmethoden und Medikamente informierte. Außerdem versuchte Züll als ehemaliger Soldat seine Kontakte zur Bundeswehr zu nutzen. Der ehemalige Kaller, der heute in Köln lebt, wandte sich zudem an die Initiative „Forschung und Therapie für SMA“ und an die Hilfsgruppe Eifel. Deren Vorsitzender Willi Greuel sicherte Unterstützung zu. „Die Hilfsgruppe wird ein Spendenkonto für den Jungen einrichten“, erklärt der ehemalige Fahrlehrer. Auch mit dem Hersteller des Arzneimittels hat er Kontakt aufgenommen: „Vielleicht kann er uns beim Preis noch etwas entgegenkommen.“

„Die Eltern Nuran und Bayram können den Kleinen nicht alleine lassen und sind rund um die Uhr in Antalya im Krankenhaus“, berichtet Bicilir. Mit ihnen würden alle weiteren Schritte abgesprochen.

Doch was passiert mit den Spenden, wenn Mehmet Eren Atak etwas passieren sollte? „Dann soll   das gesammelte Geld automatisch für ein anderes Kind verwendet werden, das an SMA erkrankt ist“, sagt Bicilir – und hofft inständig, dass dieser Fall nicht eintreten wird.


Die schwerste Spinale Muskelatrophie beginnt im Säuglingsalter

Spinale Muskelatrophien, kurz SMA, sind seltene Krankheiten, bei denen bestimmte Nervenzellen des Rückenmarks absterben. Ursache ist ein Gendefekt. Reize und Impulse des Gehirns erreichen nicht mehr die Muskulatur. Das verursacht Muskelschwund und Lähmungen. Es gibt verschiedene SMA-Formen. Die schwerste Form beginnt bereits im Säuglingsalter.

SMA ist nicht heilbar und die häufigste erbliche Erkrankung mit Todesfolge im Säuglingsalter. Sie wird oft im frühen Kindesalter diagnostiziert. Neue Behandlungsmethoden versprechen eine Verbesserung des Gesundheitszustands.

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