Serie „Vier Wände“Lohnt sich geförderter Wohnungsbau im Kreis Euskirchen?

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Zwei Männer schauen durch einen Bauzaum auf eine Baustelle. Mehrere Bagger sind zu sehen.

18 geförderte Wohnungen entstehen an der Ecke Wilhelm-/Hochstraße in Euskirchen.

Zwischen Fördermitteln und Mietbindung: Investoren müssen beim Sozialen Wohnungsbau genau rechnen. Dringend benötigt wird er auf jeden Fall.

Wäre Oliver Knuth der Chef eines profitorientierten Unternehmen, hätte er womöglich die Reißleine ziehen müssen. Doch an diesem Montag im Juni steht der Geschäftsführer der Euskirchener Baugesellschaft (Eugebau) an der Ecke Wilhelmstraße/Hochstraße und wohnt der Grundsteinlegung eines Hauses bei, in dem mal 18 Parteien wohnen sollen — ausschließlich in staatlich geförderten Wohnungen.

Während der Feierlichkeiten stellt Knuth ernüchtert fest: „Wirtschaftlich ist das Projekt nun nicht mehr.“ Ursprünglich hatte die Eugebau mit 5,9 Millionen Euro Kosten kalkuliert. Nun sind es 6,5 Millionen Euro. Die Entwicklungen auf dem Baumarkt machen alles nicht einfacher. Zudem kommen die Anforderungen an Barrierefreiheit und Energetik. Denn was nutzt den Mietern eine geringe Kaltmiete, wenn die Nebenkosten durch die Decke gehen? Ganz abgesehen vom Klimaschutz.

Gebaut wird das Objekt trotzdem: Zum einem, weil bereits 600.000 Euro in die Planung geflossen sind. Zum anderem, weil der Kreis Euskirchen dringend bezahlbaren Wohnraum braucht.

Euskirchen: Eugebau ist seit mehr als 100 Jahren im Wohnungsbau aktiv

Der Bauherr Eugebau ist auch keine profitorientierte Firma, sondern ein kommunales Wohnungsunternehmen, das 1907 gegründet wurde, um Wohnraum für jene zu schaffen, die nicht das große Geld haben. Wie aber sollen sich private Unternehmen im Sozialen Wohnungsbau engagieren, die Geld verdienen wollen oder müssen?

In den vergangenen Monaten haben mehr Investoren einen Antrag auf eine Förderung gestellt, als in vielen Jahren zuvor. Im Gegenzug bieten sie dann ihre Wohnungen über 20 oder 25 Jahre zu vergleichsweise niedrigen Mieten an. Diese Nachfrage mag an den gestiegenen Zinsen bei den Kreditinstituten liegen, die die staatlichen Zuschüsse und Zinsen im Geförderten Wohnungsbau in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.

Dennoch sagt etwa der Euskirchener Bauplaner Jürgen Bohsem: „Der Staat muss die Förderungen erhöhen.“ Denn eine Mietpreisbindung von sechs Euro pro Quadratmeter kalt für 20 oder 25 Jahre, während die Mieten allgemein steigen dürften, sei trotz Bezuschussung bei den Investitionskosten wirtschaftlich für einen Bauherrn nicht darstellbar, so Bohsem.

Auch der Euskirchener Projektierer Georg Schmiedel fordert „dingend neue Anreize“ des Staates. Es gebe Baugebiete im Kreis, in denen für 12,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werde, gibt er zu bedenken. Da erscheine eine Mietbindung von sechs Euro auf 20 Jahre trotz der Zuschüsse des Staates nicht gerade verlockend. „Die Mieten erden voraussichtlich ja weiter steigen“, sagt Schmiedel: „Dann wäre ein Investor ja aus Renditegründen dumm, wenn er das jetzt machen würde.“

Sozialer Wohnungsbau läuft völlig aus dem Ruder.
Thomas Schiefer, Stadtplaner

Es nütze alles nichts, sagt Schmiedel: „Wir werden hier katastrophale Zustände bekommen, wenn die Leute keine Wohnungen bekommen.“ Der Staat habe schließlich auch sehr viel Geld eingenommen, als er Tausende von Wohnungen aus der öffentlichen Hand an Private verkauft habe.

Eine Entwicklung, die der Mechernicher Stadtplaner Thomas Schiefer kritisch sieht: „Der Bereich des Sozialen Wohnungsbau läuft meines Erachtens völlig aus dem Ruder, weil aufgrund der Vorschriften das Bauen dort je Quadratmeter teurer ist als im frei finanzierten Wohnungsbau.“ Zudem hätten sich viele größere Kommunen mit eigenen Baugesellschaften zur Haushaltskonsolidierung von Wohnungen getrennt und bespielten dieses Arbeitsfeld nicht mehr.

Nicht so im Kreis Euskirchen. Hier ist die Eugebau der große Akteur im Geförderten Wohnungsbau. Rund die Hälfte ihrer 1600 Wohnungen sind Sozialwohnungen. Seit Jahren baut sie nur noch geförderten und damit mietgünstigen Wohnraum. Wirtschaftlich geht das nur einigermaßen, weil die alten Bestände aus der Mietbindung herauskommen und zur Mischkalkulation herangezogen werden können.

Eigenkapitalquote der Eugebau ist geschrumpft

„Wir tun, was wir können, und eigentlich noch darüber hinaus“, sagte Geschäftsführer Knuth im Januar. Aber es gibt Grenzen. Denn die Eigenkapitalquote des Unternehmens sei inzwischen auf 20 Prozent geschrumpft, so der Geschäftsführer zu Beginn des Jahres.

Das ist auch der Politik nicht entgangen. Der Euskirchener SPD-Fraktionschef Michael Höllmann erinnert sich an Zeiten, als die Eugebau jährlich 12 Prozent ihres Eigenkapitals an die Gesellschafter, also hauptsächlich Stadt und Kreis Euskirchen, ausschüttete. Das habe 2020 aufgehört, so Höllmann. Angesichts der veränderten Marktbedingungen müsse es nun eher umgekehrt laufen: „Die Eugebau muss in die Lage versetzt werden, bei Projekten wieder mehr Eigenmittel einbringen zu können.“

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Michael Höllmann (SPD)

Denn eine 100-prozentige Finanzierung mietgünstiger Wohnungen über Bankkredite sei angesichts gestiegener Zinsen wirtschaftlich nicht mehr darstellbar. „Und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagt Höllmann und lächelt: „Ich bin halt Sozialdemokrat.“

Doch auch sein Gegenspieler von der CDU, Klaus Voussem, hält eine Finanzspritze für die Baugesellschaft für angebracht. Er wisse aber auch um die politischen Debatten, die das hervorrufen würde. Denn bevor der Kreis, der einen Anteil von 41,37 Prozent trägt, einen „signifikanten Betrag“ (Voussem) für die Eugebau locker machen würde, dürften die Chefinnen und Chefs in den Rathäusern sicher protestieren. Sie müssten den Kreisbeitrag schließlich über die Kreisumlage aufbringen — die Stadt Euskirchen wäre gleich doppelt im Boot: Als Haupteinzahler bei der Kreisumlage und als Eugebau-Gesellschafter mit einem Anteil von 57,74 Prozent. „Das wird nicht einfach“, ahnt Voussem.


Die Serie „Vier Wände — Traum oder Albtraum?“

  • Einigen Menschen platzt der Traum vom Eigenheim, weil die Zinsen und die Preise rasant gestiegen sind. Andere suchen dringend eine für sie bezahlbare Bleibe – oftmals ohne Erfolg.
  • In der Serie „Vier Wände - Traum oder Albtraum?“ beleuchten wir verschiedene Aspekte dieser Krise. Warum schrecken Investoren zurück? Woran hapert es beim geförderten (Sozialen) Wohnungsbau? Wie sieht der Wohnraum der Zukunft aus? Was muss geschehen, um eins der größten Probleme in dieser Zeit zu entschärfen?
  • Heute geht es darum, wie der Soziale Wohnungsbau in der Praxis funktioniert. Lohnt es sich für Investoren, in diesem Bereich aktiv zu werden? (sch)
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