Dauer unklarSchleiden, Euskirchen und Kreisverwaltung weiter von Hackerangriff betroffen

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Das Bild zeigt eine Hand auf einer Computer-Tastatur.

Die Arbeiten und Dienstleistungen in den Verwaltungen in Schleiden, Euskirchen und beim Kreis laufen nach dem Cyber-Angriff noch nicht wieder rund.

Eineinhalb Monate nach der Hackerattacke ist der Service der Verwaltungen stark eingeschränkt. Und es wird auch noch eine Weile so bleiben.

Was haben die Bundesregierung und Stadt Euskirchen gemeinsam? Beide haben große Probleme, einen Haushalt für 2024 aufzustellen. Nur, während es in Berlin daran liegt, dass die „Ampel“ keine Einigung hinbekommt, sind es in Euskirchen technische Probleme, für die die Stadt nichts kann.

Der Hackerangriff vom 30. Oktober auf das Rechenzentrum der Südwestfalen IT (SIT), an das die Kreisstadt angeschlossen ist, wird auch weiterhin den Service des Bürgerbüros beeinträchtigen, aber auch Folgen für die Finanzabteilung haben – und macht somit auch die für diesen Dienstag im Stadtrat geplante Einbringung des Haushaltsentwurfs für 2024 zunichte, wie der Pressesprecher der Stadt, Tim Nolden, bestätigte.   

Der aktuelle Zustand ist sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Bürgerinnen und Bürger sehr unbefriedigend und ärgerlich.
Sacha Reichelt, Bürgermeister von Euskirchen

Auch weitere Bereiche der Euskirchener Stadtverwaltung funktionieren weiterhin nicht so wie sonst: das Bürgerbüro und das Standesamt. Es sei derzeit auch nicht davon auszugehen, dass noch in diesem Jahr die Programme wieder funktionieren werden, so Nolden: „Die Südwestfalen-IT hatte die Aufnahme des Basisbetriebs erster Fachverfahren für Mitte Dezember angekündigt, dies ist jedoch flächendeckend nicht haltbar, es können nur erste Tests erfolgen.“ 

Den Verwaltungen sind die Hände gebunden

Bürgermeister Sacha Reichelt (parteilos) erklärte: „Der aktuelle Zustand ist sowohl für die Stadtverwaltung als auch für die Bürgerinnen und Bürger sehr unbefriedigend und ärgerlich. Leider hat die Stadtverwaltung keine hinreichende Möglichkeit, das Verfahren der Wiederherstellung zu beschleunigen, so dass wir warten müssen, bis wir an der Reihe sind. Insofern muss ich auch die Euskirchener Bürgerinnen und Bürger weiterhin um Geduld bitten.“

Geduld ist auch in Schleiden gefragt. „Wir bekommen alle dieselben unbefriedigenden Mitteilungen“, so Bürgermeister Ingo Pfennings – und meint damit die Verlautbarungen des Anbieters Südwestfalen-IT an die betroffenen Kommunen. In Schleiden leidet das Bürgerbüro unter den technischen Einschränkungen.

Die Bürger in Schleiden und Euskirchen brauchen Geduld

Das Bearbeiten von Anträgen auf das Ausstellen von Reisepässen und Personalausweisen kann weiterhin nicht angeboten werden. In Ausnahmefällen springen die Nachbarkommunen, etwa Kall oder Hellenthal, ein, etwa bei vorläufigen Ausweisen oder Meldebescheinigungen.

„Die Damen und Herren des Bürgerbüros helfen, soweit es ihnen irgendwie möglich ist“, so Bürgermeister Ingo Pfennings. Das heiße, dass die Bürgerinnen und Bürger sich mit ihren Anliegen an das Bürgerbüro wenden sollten. „Dann wird gemeinsam überlegt, wie das Anliegen gelöst werden kann und/oder ein Termin gemacht wird“, so Pfennings. Unangenehm sei die Angelegenheit dennoch, so der Bürgermeister: „Das hat ja weitere Folgen. Wenn man sich zum Beispiel als Neubürger nicht anmelden kann, kann man in der Folge auch sein Auto nicht ummelden.“

Auch die Ausländerbehörde beim Kreis muss improvisieren

Auch die Ausländerbehörde des Kreises ist weiterhin betroffen. „Aufgrund technischer Schwierigkeiten bei unserem IT-Dienstleister können in der Ausländerbehörde aktuell weder Termine gebucht noch Anträge bearbeitet werden“, heißt es weiterhin auf der Internetseite der Behörde.

„Die Kolleginnen und Kollegen der Ausländerbehörde arbeiten derzeit weiter im Ersatzbetrieb“, präzisiert Sven Gnädig von der Pressestelle des Kreises. Nach Auskunft der SIT sei geplant, diese Woche einen eingeschränkten Notbetrieb des Fachverfahrens wieder zur Verfügung zu stellen. Wie der tatsächliche Funktionsumfang sein werde und welche Einschränkungen bestehen blieben, sei derzeit nicht bekannt.

Gnädig: „Die Anliegen der Kundinnen und Kunden werden im Rahmen des Möglichen bearbeitet und zum Beispiel auch dringende Auslandsreisen ermöglicht, was so nicht in allen Ausländerbehörden umgesetzt wird.“

Mitarbeitenden der betroffenen Behörden droht Mehrarbeit

Grundsätzlich sind laut Gnädig alle Ausländer betroffen, die eine Aufenthaltserlaubnis oder sonstige Erlaubnis benötigen: „Den entsprechenden Aufenthaltstitel dokumentieren wir derzeit mit Ersatzbescheinigungen beziehungsweise durch Fiktionsbescheinigungen und Aufenthaltstiteln auf Klebeetiketten“. Nachteile seien den Betroffenen bisher nicht entstanden.

Da der Kreis nicht für Zahlungen zuständig sei, sei durch den Ausfall des Fachverfahrens in diesem Bereich auch kein Nachteil entstanden. „Auch die Einbürgerungen werden weiterbearbeitet, die Vorgänge müssen im Nachhinein erfasst werden, was für die Mitarbeitenden einen erheblichen zusätzlichen Aufwand bedeutet, für die Betroffenen jedoch keinen Nachteil verursacht“, so Gnädig.

Ein Ende der Misere ist unterdessen nicht in Sicht. In der vergangenen Woche hatte Südwestfalen-IT eine Pressemitteilung herausgegeben mit der Überschrift: „Kommunen und Bürger müssen sich weiter gedulden.“ Das Unternehmen kündigte an, dass die Inbetriebnahme des Basisbetriebs nach einem der größten Angriffe auf die öffentliche Verwaltung länger dauern werde als erwartet.

Unklar ist, wann die Folgen des Cyberangriffs behoben sind

Trotz des Starts von Pilot-Tests für alle priorisierten Fachverfahren in den kommenden zwei Wochen verzögere sich die Inbetriebnahme in den Kommunen, heißt es weiter. „Es wäre falsch, unrealistische Versprechungen zu machen“, erklärt Verbandsvorsteher Theo Melcher und bittet alle Betroffenen um Geduld und Verständnis.

Die Verzögerung sei auf eine Kombination aus erhöhten Sicherheitsanforderungen und der Komplexität der IT-Systeme zurückzuführen. Die hohe Komplexität sei auch der Grund, warum die Südwestfalen-IT den Kommunen derzeit keine zuverlässigen Informationen für belastbare Zeitpläne zur Verfügung stellen kann. Dabei handele das Unternehmen nach der Devise: Sicherheit vor Geschwindigkeit.

„Sobald der Basisbetrieb läuft, müssen sich die Bürgerinnen und Bürger auf eingeschränkte Funktionen und längere Bearbeitungszeiten einstellen, während die Kommunen weiterhin Behelfslösungen nutzen und einen Rückstau an Anfragen abarbeiten“, teilt das Unternehmen mit.

Insgesamt arbeiten demnach nahezu 170 Personen bei der Südwestfalen-IT an der Bewältigung der Auswirkungen des Cyberangriffs. „Neun externe Dienstleister unterstützen diese Arbeiten. Mehrere Hundert Server und Tausende Clients müssen neu aufgebaut und installiert werden“, so das Unternehmen.

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