Die größten Herausforderungen für die Mannschaft des Euskirchener Kreisbauhofs sind im Winterdienst längst nicht mehr Eis und Schnee. Es ist das Wetter selbst: Das ist unberechenbarer geworden.
Schnee und EisDas Team des Winterdienstes im Kreisbauhof Euskirchen kennt keine Feiertage

Das Salzlager auf dem Gelände des AWZ in Strempt ist gefüllt. Der Winter kann also kommen.
Copyright: Tom Steinicke
Von außen wirkt der Kreisbauhof auf dem Gelände des Abfallwirtschaftszentrums in Strempt unscheinbar: ein paar graue Hallen, daneben Tanks, Fahrzeuge, Schaufeln – und riesige Haufen aus hellen Kristallen. Doch sobald die Temperaturen sinken, wird dieser Ort zum Herzstück des Winterdienstes im Kreis Euskirchen. Und in den vergangenen Tagen sind die Temperaturen gefallen. Mit der weihnachtlichen Ruhe war es damit vorbei.
Denn die größte Herausforderung für die Bauhofteams ist längst nicht mehr der Schnee selbst – es ist das Wetter. „Früher war das einfacher“, sagt Eva Heinen, stellvertretende Leiterin des Kreisbauhofs. „Heute ist alles unberechenbar. Einen Tag hast du 15 Grad im Dezember, am nächsten Morgen ist plötzlich Glätte.“
Mit dem Räumfahrzeug quer einen Berg hinuntergerutscht
Heinen weiß, wovon sie spricht. Jahrelang war sie selbst im Räumfahrzeug unterwegs. „Ich bin einmal mit dem Räumfahrzeug quer den Berg runtergerutscht – gerade noch angehalten. Du steigst aus, rutschst fast aus, so glatt ist es. Danach weißt du, warum Vorsicht alles ist.“
Alles zum Thema Deutscher Wetterdienst
- Wetter Glatteis und Frost zum Wochenstart in NRW
- Schnee und Eis Das Team des Winterdienstes im Kreisbauhof Euskirchen kennt keine Feiertage
- Mehrere Verletzte Zahlreiche Unfälle in NRW – DWD warnt weiter vor Glatteis
- Auf Sonne folgt Sprühregen Frostiges Wetter mit Nebel in NRW
- Sachsen und Hessen betroffen Zahlreiche Unfälle wegen Glatteis in der Nacht
- Köln und Bergland Hier könnte der Jahreswechsel in NRW weiß werden
- Unfälle auf glatten Straßen Kälteste Weihnachtstage seit 15 Jahren
Ein anderes Erlebnis ist ihr besonders im Gedächtnis geblieben: Winterdienst in Lessenich. „Die Gullis waren wegen einer Baumaßnahme nicht plan zur Asphaltdecke“, erinnert sie sich. „Der Schneepflug hat einen Gulli quer über die Straße geschossen. Zum Glück war es in der Nacht, und es war keiner draußen.“

Blick aus dem Räumfahrzeug: Ohne die Flaggen würde man den vorne montierten Schneeflug praktisch nicht sehen.
Copyright: Tom Steinicke
Heute sitzt Heinen im Büro. Sie plant Schichten, koordiniert Einsätze, überwacht die Technik – eine von zwei Frauen im Bauhof, neben Chefin Simone ElMassaoudi. Eine Sonderrolle wollen beide nicht. „Wir lieben unseren Job“, sagt Heinen. Und der endet auch nicht an Weihnachten. „Winterdienst gehört zum Beruf. Da ist keiner raus. Wir planen rund um die Feiertage, damit es fair verteilt ist. Wer Familie hat, kann mit Kollegen tauschen – aber einer muss immer fahren“, erklärt Simone ElMassaoudi.
30 aktive Kräfte stehen im Winterdienst bereit. „Bei Dauerfrost oder Schnee von Heiligabend bis Neujahr sind das jeden Tag zwei Schichten – nachts und nachmittags. Dann läuft der Betrieb durch“, sagt Heinen. In diesem Jahr war das allerdings nicht nötig. Während viele auf weiße Weihnachten hofften, klopfen die Bauhof-Mitarbeiter lieber auf Holz, wenn es nicht schneit.
Heute ist alles unberechenbar. Einen Tag hast du 15 Grad im Dezember, am nächsten Morgen ist plötzlich Glätte.
Kritik gehört für sie zum Alltag. „Wenn irgendwo Schnee liegt, klingelt sofort das Telefon“, erzählt Heinen. „Oder es gibt Beschwerden in den sozialen Netzwerken: „Hier ist noch keiner gewesen!“
Inzwischen kann der Bauhof jedoch genau nachweisen, wo seine Fahrzeuge unterwegs waren. „Wir haben eine Winterdienst-Telematik, die zeigt, wann und wo gestreut wurde, wie schnell, mit welchem Verbrauch. Das ist Gold wert, wenn jemand behauptet, es sei nichts gemacht worden.“

Rund 1000 Tonnen Salz lagern in der großen Halle in Strempt.
Copyright: Tom Steinicke

Am Streuer ist durchaus sensible Technik verbaut.
Copyright: Tom Steinicke
Oft, so Heinen, seien die Kollegen aber gar nicht zuständig. „Viele rufen bei uns an, obwohl es gar nicht unsere Straße ist. Jeder Träger hat seinen Bereich – Gemeinde, Land, Kreis. Aber das weiß kaum jemand. Wenn ein orangefarbenes Fahrzeug vorbeifährt, denken viele automatisch: Das war der Bauhof.“
Oftmals stehen beim Räumen Autos im Weg
Neben Wetter und Kritik gibt es noch ganz andere Probleme: falsch parkende Autos oder Mülltonnen am Straßenrand. „Unsere Streufahrzeuge sind mit Schneepflug gut dreieinhalb Meter breit“, erklärt Heinen. „Wenn dann noch Autos halb auf der Straße stehen, wird's eng. Und klingeln kann man nachts um zwei auch schlecht.“ In manchen Dörfern gibt es deshalb im Winter Parkverbote. „Die Leute haben hier ja meist Garagen oder Einfahrten. Es ist oft Bequemlichkeit“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Die ersten Einsätze in dieser Wintersaison haben die 30 Mitarbeiter bereits hinter sich – auch wenn es bislang kaum Schnee gab. „Wir setzen witterungsbedingt an“, sagt Heinen. „Also nicht nach Plan, sondern dann, wenn das Wetter uns zwingt.“ Vorbereitung auf Vorrat gibt es nicht. „Wenn wir ansetzen und keiner fahren kann, wäre das natürlich schlecht. Wir müssen jeden Einsatz individuell entscheiden.“

Der Kreisbauhof im AWZ in Strempt bereitet sich auf den Winterdienst über die Weihnachtstage vor. Eva Heinen, Stellvertretende Leiterin, ist zehn Jahre selbst Winterdienst gefahren. Nun organisiert sie den Dienst vom Schreibtisch auf.
Copyright: Tom Steinicke
Zwei Kollegen sind nachts unterwegs, um Kontrollpunkte im Kreis abzufahren. „Die wissen aus Erfahrung genau, wo es kritisch werden kann – bei Zülpich etwa. Oder oben in der Eifel. Wenn die anrufen, wissen wir: Jetzt geht's los.“ Raus müssen sie allerdings nur dann, wenn der Wetterdienst einen möglichen Einsatz vorhersagt.
Wird ein Einsatz nötig, schrillen die Telefone. In den Küchen gehen die Deckenlampen an, Thermoskannen werden gefüllt. „Dann heißt es: fertig machen, hierherkommen, Fahrzeuge beladen – und raus auf die Straße“, so Simone ElMassaoudi.
1000 Tonnen Streusalz und 45.000 Liter Sole stehen bereit
Der Kreisbauhof ist zuständig für neun Bezirke, sechs davon fährt er selbst, drei übernehmen externe Unternehmer. „Jeder weiß genau, welche Strecke er zu fahren hat – und die sind ganz unterschiedlich: vom weiten Land bis zu schmalen, kurvigen Eifelstraßen“, erklärt Heinen.
Im Winterdienst habe vieles eine eigene Sprache: „Wenn wir sagen, die Straße ist schwarz, dann heißt das: Sie ist frei, geräumt, sicher befahrbar.“ Sechs Lkw mit Schneepflug und Streuaufsatz sind regelmäßig im Einsatz, hinzu kommen Ersatzfahrzeuge, Ersatzpflüge und Ersatzstreuer.
Im Salzsilo lagern bis zu 1000 Tonnen Streusalz, daneben steht ein Tank mit 45.000 Litern Sohle – einer Salz-Wasser-Mischung. „Wir fahren mit sogenanntem Feuchtsalz – 70 Prozent trockenes Salz, 30 Prozent Sohle. Das haftet besser auf der Straße und wirkt schneller“, sagt Heinen. Ein strenges Wochenende kann den Tank trotzdem leeren. „Da ist der Kollege, der die Sohle mischt, praktisch im Dauerbetrieb.“

Wann wird's mal wieder richtig Winter, ein Winter wie er früher (1978) mal war? Damals waren Unimogs im Einsatz.
Copyright: Kreis Euskirchen
Ein Lkw ist nach einer Tour leergefahren – auch dann, wenn er auf dem Weg zum Bezirk den Streuer nicht einschaltet. „Das wundert den einen oder anderen Verkehrsteilnehmer schon mal. Aber wir streuen erst ab Bezirk“, erklärt Heinen. „Ein Fahrer hat im Schnitt rund 100 Kilometer Strecke, davon 40 Kilometer reine Streuabschnitte. Und wenn's richtig schneit, fährt er dieselbe Strecke zwei- oder dreimal.“
Und das Schönste an einer Tour? „Wenn du siehst, dass deine Arbeit sofort wirkt“, sagt Heinen. „Vorher war die Straße zu, und du fährst sie schwarz. Dann weißt du, warum du das machst.“
Schwierig wird es, wenn Regen auf gefrorene Straßen fällt
Viele Kollegen seien alte Hasen, die mit Eifeler Wintern groß geworden sind. „Wenn's richtig schneit, wissen wir, woran wir sind“, sagt Heinen. „Das Schwierigste ist dieses Übergangswetter – Regen, der auf gefrorene Straßen trifft. Dann friert es sofort. Und das sieht man nicht.“
Ist der Winter vorbei, geht die Arbeit nahtlos weiter. „Dann rüsten wir die Fahrzeuge um, reinigen alles gründlich – Salz ist extrem aggressiv – und gehen in den Sommerbetrieb über“, erzählt Heinen. Mähen, Asphalt flicken, kehren, instand setzen: „Langweilig wird's nie. Wir machen fast alles selbst – das ist unser Stolz.“
Manchmal staunen laut Heinen sogar andere Bauhöfe, wie autark die Eifeler Kollegen arbeiten. „Wir haben eine eigene Werkstatt, mischen unsere Sohle selbst, reparieren Fahrzeuge, wechseln Schürfleisten. Das hält uns flexibel – und spart Zeit.“

