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WeihnachtsbrauchIn Nettersheim wird seit mehr als 20 Jahren geböllert

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Männer mit roten Nikolausmützen halten die Schaftböller in den Händen, die beim Zünden ordentlich Funken sprühen.

Laut und spektakulär war auch in diesem Jahr das Böllern zur Weihnacht in Nettersheim.

Zuerst das Böllern, dann die stille Nacht: Zum Ende des Gottesdienstes ist der krachende Weihnachtsgruß ein fester Bestandteil in Nettersheim.

Standfestigkeit und Temperaturresistenz war in diesem Jahr bei allen nötig, die am Heiligabend im Garten des Hauses von Wolfgang und Inge Booch das Weihnachtsfest mit Böllern begrüßten. Ein frostiger Ostwind pfiff über die Eifel, doch rund 60 Unerschrockene versammelten sich, um sich bei Glühwein ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen. Tapfer waren zudem nicht nur die sechs Böllerer, sondern auch die „K'pelle unterwegs“, die die kleine Veranstaltung musikalisch unterstützte.

Mit Nikolausmützen hatten sich die Schützen ausstaffiert, die sich auf dem Hügel oberhalb des Ortes aufstellten, während der Wind sich mühte, die Pechfackeln auszupusten, die den Saum des Hanges schmückten. Immer wieder wurde ins Tal gespäht, um das Ende des Weihnachtsgottesdienstes in der Kirche abzupassen, das den Start zum lautstarken Weihnachtsgruß markiert.

Das Böllern stammt aus dem Berchtesgadener Land

Auch wenn das Böllern in Nettersheim inzwischen Usus ist, ist der Brauch eher in Süddeutschland bekannt. So war es der Nettersheimer Bernd Elschner, der die Tradition im Berchtesgadener Land kennenlernte und in die Eifel mitbrachte. Im Jahr 2004 stellte er sich mit Freunden zum ersten Mal auf einem damals noch unbebauten Grundstück auf, um Nettersheim mit einem krachenden Weihnachtsgruß zu beglücken. Inzwischen ist das Grundstück mit dem Wohnhaus der Familie Booch bebaut. Doch der liebgewonnene Brauch wird fortgesetzt: Die Hausherren haben den Schützen ein lebenslanges Nutzungsrecht fürs Weihnachtsböllern eingeräumt.

Dick eingemummelt in Winterjacken stehen die fünf Mitglieder der Kapelle nebeneinander. In den Händen halten sie ihre Blasinstrumente.

Für Musik sorgte trotz des eisigen Windes die „K'pelle unterwegs“.

Die schweren Schaftböller aus Holz und Metall liegen auf einem Tisch bereit für ihren Einsatz.

17 Kilo wiegen die Schaftböller, die an Heiligabend traditionell zum Einsatz kommen.

Und so wird seit mehr als 20 Jahren am Heiligabend von den Höhen geböllert. Mittlerweile hat Karl-Heinz Seidenfaden die Aufgabe übernommen, die Veranstaltung bei der Gemeinde anzumelden. „Bei uns läuft immer alles vorschriftsmäßig ab“, betont er. Alle Schützen verfügen über die notwendigen Genehmigungen und Scheine, um mit dem Schwarzpulver hantieren zu dürfen.

Durch die Genehmigungen würden die Böllerschützen auch nicht unter ein eventuelles Verbot von Silvesterböllern fallen. Die Anmeldung des Böllerns sei dennoch unerlässlich, damit nicht plötzlich ein Polizeieinsatz ausgelöst wird, weil jemand diesen Weihnachtsgruß nicht kennt und von etwas Schlimmem ausgeht.

Beim Böllern in Nettersheim gibt es einen festen Ablauf

Das Böllern ist echte Handarbeit, die schweren Holzwaffen werden nicht mit Patronen geladen. Das Pulver wird aus einem Röhrchen in den Lauf geschüttet, dann wird es mit einem Holzhammer geklopft und verdichtet, bevor der Lauf mit einem Korken verschlossen und ein Zündhütchen auf den Zündmechanismus gesetzt wird. Die kiloschweren Handböller in die Höhe zu stemmen ist das eine, doch bei den Schaftböllern gilt es, 17 Kilo in der Waage zu halten. „Ich mache Krafttraining, denn ansonsten bekommen ich einen Krampf im Arm“, sagt Seidenfaden.

Nach vielen Versuchen hat sich in Nettersheim ein fixer Ablauf manifestiert. Erst eine lange Ratsche, bei der zwischen den Schüssen aus den Böllerpistolen eine sekundenlange Pause eingelegt wird. Dann eine kurze Ratsche, bei der die Schüsse schnell hintereinander abgefeuert werden. Zum Schluss der Salut, bei dem die Schüsse gleichzeitig abgegeben werden – mehr oder weniger zumindest. Zwischen diesen Salven liegen Ladepausen.

So können die Nettersheimer nach wenigen Minuten die Finger aus den Ohren nehmen, sich einen Glühwein genehmigen und ein frohes Weihnachtsfest wünschen. Und dann ist auch dort die Stille Nacht still.