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Versuchter MordEhemaliger Bewohner der ZUE Vogelsang zu sieben Jahren Haft verurteilt

4 min
23.11.2024 Mit einem Großaufgebot an Kräften bekämpfte die Schleidener Feuerwehr einen Brand in der Flüchtlingsunterkunft in Vogelsang.

Die eingesetzten Feuerwehrleute konnten nicht verhindern, dass die Baracke 26 bis auf die Grundmauern abbrannte.

Das Landgericht Aachen hat einen ehemaligen Bewohner der Geflüchtetenunterkunft in Schleiden-Vogelsang wegen Brandstiftung verurteilt.

Zu sieben Jahren Haft hat das Landgericht in Aachen einen 35 Jahre alten Mann aus Algerien verurteilt. Die Erste Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Richter Markus Vogt sah es als erwiesen an, dass Karim B. (Name geändert) am 23. November des vergangenen Jahres ein Feuer in einer Baracke der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete (ZUE) in Vogelsang gelegt hat, in der er damals selbst untergebracht war.

Zum Zeitpunkt des Feuers hielten sich sieben Bewohner in der ehemaligen Militärbaracke auf. „Ziel war es, durch die Brandstiftung die Verlegung in eine andere Einrichtung zu erwirken“, sagte der Vorsitzende in der Urteilsbegründung: „Dabei hat der Angeklagte billigend in Kauf genommen, dass bei diesem Brand Menschen zu Tode kommen könnten.“

Einige Mitbewohner hatten durch das Rauchgas leichte Verletzungen erlitten. Bevor die Feuerwehr am „Haus 26“ in Vogelsang eintraf, hatten sie und die Sicherheitsleute schon mit dem Löschen begonnen. Der Angeklagte hatte nach Schilderung mehrerer Zeugen jedoch in Straßenkleidung auf seinem Bett gelegen, so getan, als schlafe er und eine gepackte Tasche mit seinen Habseligkeiten neben sich gehabt.

Bewohner schliefen noch: Gericht wertet Brandstiftung als versuchten Mord

Vier der Bewohner der Unterkunft, die durch das Feuer bis auf die Grundmauern abbrannte, hatten noch geschlafen, als der Brand an einem Samstagvormittag gegen 10.30 Uhr in einem leerstehenden Zimmer der Baracke gelegt wurde. Das Gericht stufte die Brandstiftung als versuchten Mord ein, weil es das Mordmerkmal der Heimtücke als erfüllt ansah: „Wer schläft, ist wehr- und arglos“, hatte Staatsanwalt Marius Saalmann in seinem einstündigen Plädoyer argumentiert. Er hatte eine Freiheitsstrafe von neun Jahren für den Angeklagten gefordert.

Ein Mann, der einen schwarzen Adidas-Pullover trägt, verdeckt sein Gesicht mit einer Aktenmappe.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten Karim B. zu sieben Jahren Freiheitsstrafe.

Die Verteidigung hatte hingegen einen Freispruch für Karim B. verlangt. „Es gibt keine Augenzeugen für die Tat, dafür aber jede Menge Gerüchte und Hörensagen“, konterte der Euskirchener Strafverteidiger Hagen Sven Seipel: „Es war leicht, meinen Mandanten zum Sündenbock zu machen, weil er ein Außenseiter war.“ Die Staatsanwaltschaft habe keine Beweise, sondern nur Indizien vorlegen können, so Seipel: „Daher muss hier im Zweifel für den Angeklagten entschieden werden.“

Tatsächlich wurde B. in seiner Zeit in Vogelsang von vielen Bewohnern wegen seines Verhaltens „der Verrückte“ genannt: Erst wenige Wochen vor dem Brand war er wegen „untragbaren Verhaltens“ aus einer ZUE in Bonn nach Vogelsang verlegt worden. Das Gericht sah es schließlich als erwiesen an, dass er durch die Brandstiftung seine Rückkehr nach Bonn erzwingen wollte. Dort hatte er nach islamischen Recht eine Somalierin geheiratet, die ein Kind von ihm erwartete.

Richter: Angeklagter hat Ankündigungen in die Tat umgesetzt

Unter anderem habe er in Vogelsang mehrfach gedroht, sich selbst zu verletzen, das Auto des Leiters der Einrichtung oder das ganze Camp anzuzünden. Als dies nicht zum Erfolg führte, habe er seine Ankündigungen in die Tat umgesetzt, so die Kammer: Zuerst gab er an, eine Rasierklinge geschluckt zu haben, dann verletzte er sich mit einem Cuttermesser am Hals, dann brannte die Unterkunft ab.

Der Algerier, der als voll schuldfähig angesehen wurde, hatte im Prozess ausgesagt und dabei zwei ehemalige Mitbewohner der Tat beschuldigt. Das verwarf das Gericht jedoch: Es sei nicht glaubhaft, dass die beiden Mitbewohner ihm ihre Pläne zur Brandstiftung offenbart hätten und er sich dann selbst schlafen gelegt habe, sagte Vogt: „Während Sie sich abmarschbereit gemacht haben, haben einige Mitbewohner ihr gesamtes Hab und Gut durch das Feuer verloren.“

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Abschiebung im Fall eines Freispruchs

Am Tag der Urteilsverkündung hielten sich auch mehrere Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) NRW im Gerichtssaal in Aachen auf. Grund dafür war der Aufenthaltsstatus des Angeklagten: Karim B war 2014 nach Deutschland gekommen und hatte sich im Anschluss in mehreren europäischen Ländern aufgehalten. In Frankreich saß er knapp drei Jahre wegen Drogendelikten im Gefängnis.

Als Karim B. im Jahr 2024 in die Bundesrepublik zurückkehrte, wurde sein bei der ersten Einreise gestellter Asylantrag abgelehnt. B. war demnach bereits ausreisepflichtig, als er das Feuer in Vogelsang legte, war allerdings noch nicht abgeschoben worden.

Für den Fall eines Freispruchs beim Prozess in Aachen und der Aufhebung des Haftbefehls hatte das Gericht die ZAB informiert, die dann wohl unmittelbar die Abschiebung nach Algerien umgesetzt hätte.