Vor dem Landgericht Aachen hat der Prozess gegen einen Ex-Bewohner der Geflüchtetenunterkunft Vogelsang begonnen. Ihm wird versuchter Mord in zehn Fällen vorgeworfen.
ProzessauftaktAngeklagter bestreitet Brandstiftung in der Flüchtlingsunterkunft Vogelsang

Ein 35 Jahre alter ehemaliger Bewohner der ZUE Vogelsang (Mitte), hier mit seiner Anwältin und einem Dolmetscher, wird beschuldigt, ein Feuer in der Unterkunft gelegt zu haben.
Copyright: Thorsten Wirtz
Hat der 35-jährige Algerier Karim B. (Name geändert) am 23. November des vergangenen Jahres ein Feuer in einer Baracke der Zentralen Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete (ZUE) in Vogelsang gelegt? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit Montag die Erste Schwurgerichtskammer des Landgerichts Aachen, wo B. unter anderem wegen versuchten Mordes in zehn Fällen in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung angeklagt ist.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 35-Jährigen vor, das Feuer gelegt zu haben, weil er damit seine Verlegung in eine Einrichtung nach Bonn habe erzwingen wollen. Von dort war er laut Anklage wegen „untragbaren Verhaltens“ in die ZUE nach Vogelsang verlegt worden. Im Fall einer Verurteilung droht dem Mann eine lebenslange Haftstrafe.
Angeklagter beschuldigt Mitbewohner, das Feuer gelegt zu haben
Zum Prozessauftakt ließ der Angeklagte seine Anwältin Ann-Sophie Rosenbrock eine vorbereitete Stellungnahme verlesen. Demnach bestreitet B., das Feuer gelegt zu haben. Er beschuldigte stattdessen zwei Mitbewohner der Unterkunft, für den Brand verantwortlich zu sein. Die beiden hätten ihm am Morgen des Tattags gesagt, dass sie die Baracke anzünden wollten. Er habe abgelehnt, sich daran zu beteiligen, und sich anschließend wieder ins Bett gelegt, wo er eingeschlafen sei, bis er durch den Lärm des Feuermelders wieder wach geworden sei.
Bei dem Feuer hatten insgesamt vier Bewohner der Unterkunft durch die starke Rauchentwicklung Rauchgasvergiftungen erlitten und waren deshalb im Krankenhaus behandelt worden. Die Baracke Nummer 26 brannte bis auf die Grundmauern nieder, zwei weitere Häuser der ZUE konnten nach dem Brand wegen Schäden durch Löschwasser nicht mehr genutzt werden.
Das Feuer war vormittags gegen 10.30 Uhr ausgebrochen. Mehrere der insgesamt zehn Bewohner der Unterkunft, die sich in der Baracke aufhielten, hatten zu diesem Zeitpunkt noch oder wieder geschlafen. Direkte Zeugen für die Brandstiftung gibt es nicht.
Feueralarm weckte schlafende Mitbewohner in Vogelsang
„Hätte der Brandmelder nicht Alarm geschlagen, wäre ich heute tot“, sagte ein Zeuge, der am ersten Prozesstag vernommen wurde. Der 53-jährige Ägypter hatte damals das Zimmer neben dem Raum bewohnt, in dem das Feuer mutmaßlich gelegt worden war. „Als ich wach wurde, war das Zimmer bereits voller Qualm.“ Sein ganzes Hab und Gut sei bei dem Brand vernichtet worden, weil er das Zimmer fluchtartig habe verlassen müssen. „Ich habe alles verloren. Dokumente, Handy, Brille – alles weg“, berichtete ein weiterer ehemaliger Bewohner.
Die Ermittler hatten bereits am Tattag B. als möglichen Täter in Betracht gezogen. „Alle Beteiligten sagten, dass B. etwas damit zu tun haben müsse“, so ein Polizeibeamter, der Mitglied der nach dem Brand gebildeten Mordkommission war und als Zeuge auftrat. B. habe bereits vor dem Brand angekündigt, sich selbst oder das Haus anzuzünden, gab der Polizist die Aussagen mehrerer Bewohner wieder.
B. sei von vielen seiner Mitbewohner nur „der Verrückte“ genannt worden. Einige Tage vor dem Brand habe sich B. mit einer Rasierklinge im Gesicht verletzt und angegeben, die Klinge verschluckt zu haben, weswegen er kurzzeitig in ein Krankenhaus gebracht worden sei. „Ein anderer Bewohner sagte, dass er Angst vor B. habe und sich daher ein Pfefferspray zugelegt habe, um sich im Notfall verteidigen zu können“, so der Beamte weiter.
Ob Angeklagter schuldfähig ist, muss noch im Prozess geklärt werden
Noch am späten Nachmittag des 23. November wurde B. vorläufig festgenommen und ein Haftbefehl erlassen. In der Folge kam er dann für mehrere Monate in eine psychiatrische Klinik, bis er im Mai wieder in Untersuchungshaft genommen wurde. Nach eigener Aussage leide er zeitweise unter psychischen Beschwerden, heißt es in der Erklärung, die B.s Anwältin vor Gericht verlas.
Er habe bereits in seiner Heimat Algerien Cannabis konsumiert. Nach seiner Flucht nach Europa, wo er 2014 ankam, sei dann auch noch Kokain dazugekommen. Wegen mehrerer Betäubungsmitteldelikte habe er in Frankreich, wo er sich zwischenzeitlich aufgehalten habe, zwei Haftstrafen von insgesamt 35 Monaten abgesessen.
Neben den Drogen habe er auch verschiedene Psychopharmaka eingenommen, die ihm wegen seiner Beschwerden verschrieben worden seien. Laut Anklage wurde bei dem 35-jährigen Mann eine schizophrene Psychose diagnostiziert. Er habe öfter Stimmen gehört, die ihm Befehle erteilt oder sein Verhalten kommentiert hätten, bekannte B. auf Nachfrage des Gerichts.
Im Prozess geht es also auch um die Schuldfähigkeit des Angeklagten. Am Donnerstag, wenn der Prozess fortgesetzt wird, soll sich eine Gutachterin zur psychischen Gesundheit des 35-Jährigen äußern.