Die Einweihung der zwei Berliner-Mauer-Elemente fand mit viel Politprominenz statt. Für die Schüler gibt es jetzt Geschichte zum Anfassen.
Mahnmal hautnahReste der Berliner Mauer stehen im Naturgarten der Marienschule Euskirchen

Zwei Elemente der Berliner Mauer stehen jetzt an der Marienschule in Euskirchen.
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Mit der Bemerkung „Das ist hier seit langer Zeit die höchste Politikerdichte in Euskirchen“ hatte Bürgermeister Sacha Reichelt treffend die Bedeutung einer Einweihungsveranstaltung für zwei Elemente der Berliner Mauer an der Marienschule in Euskirchen umschrieben.
36 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und 64 Jahre nach ihrer Errichtung 1961 sind nun zwei Originalteile der Mauer im Naturgarten der Schule aufgestellt worden – Geschichte zum Anfassen sozusagen. Die Idee dazu hatte Schulleiter Michael Mombaur, nachdem er Kindern anhand irgendeiner Mauer mühselig erklärt hatte, warum Deutschland durch eine Mauer geteilt war.
Echte Mauerteile würden das doch einprägsamer und anschaulicher ermöglichen, dachte er sich. Aber wo bekommt man die heute noch her? Der Zufall ergab, dass zur gleichen Zeit der Landwirt Jens Peter Clausen aus Flensburg Abnehmer für seine Mauerteile suchte. Die hatte er sich nach der Wende in Berlin besorgt, um ein Getreidesilo daraus zu bauen. Etliche blieben übrig. Immer mal wieder verkauft er Teile. Und so kamen Anfrage und Angebot zufällig im selben Zeitraum bei der Stiftung Berliner Mauer an. Als hätte es so sein sollen.
Schulleiter Michael Mombaur nennt das Projekt „Eine Mauer für Freiheit“
Das alles erklärte Mombaur zu Beginn der Einweihungsfeier kurzweilig den Gästen aus Schule, Gesellschaft und Politik. Auch Clausen war extra angereist, um zu sehen, wie seine Mauerteile eine neue Bedeutung erlangen.
Mombaur hatte das Projekt „Eine Mauer für Freiheit“ genannt. Das spielt auf deren neu zugedachte Funktion an: „Sie ist nicht nur ein Mahnmal, sie ist mehr. Sie erinnert an die Streikenden gegen die Diktatur in Leipzig und Berlin. Hunderttausende zeigten Mut und gingen auf die Straße. Unter den Augen der Stasi. Diesen Optimismus, die Leidenschaft, den Wunsch nach Freiheit und das Wir-Gefühl kann man auch an der Mauer spüren.“
Darum geht es Mombaur. In Zeiten, in denen die deutsche Gesellschaft wieder imaginäre Mauern im Denken errichtet, daran zu erinnern, dass auch Mauern eingerissen werden können. Er versteht das Mahnmal als Anfrage an alle: „Was tun wir heute für ein Wir?“ Mombaur sieht einen Teil seines Schulauftrags darin, anhand der Geschichte die Werte unserer Gesellschaft ins Gespräch zu bringen.
Teile der Berliner Mauer flößen in Euskirchen Respekt ein
Zwei Schüler bekannten am Rande der Veranstaltung, dass sie bisher noch keinen Bezug zu den Betonstelen haben. Das sei ja alles weit vor ihrer Geburt geschehen. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg seien sie in Geschichte noch nicht angelangt. Ein weiterer Schüler war gerade in Berlin. Dort wurde er mit dem Thema der Teilung Deutschlands konfrontiert. Er war sichtlich gerührt von den Mauerresten: „Ich empfinde Respekt, dass die jetzt an unserer Schule stehen.“
Schülersprecher Leander Dehner begrüßte die Aufstellung. Ihm war aber in seinen zögerlichen Worten anzumerken, dass er noch auf der Suche nach dem Zugang zu dem neuen Denkmal im Schulgarten ist. Ist ja auch logisch. Genau da hakte der Elternvertreter Tibor Schmidtke ein: „Es ist ein Stück Beton. Grau und tot.“ Es liege nun an den Lehrern, Schülern und Eltern, die Bedeutung für heute zu entdecken.
Bürgermeister Reichelt erzählte, dass er einen familiären Bezug zur Mauer-Thematik habe: „Meine Frau kommt aus der ehemaligen DDR.“ Ihn bewegte die Frage, wie sich die Menschen in den östlichen Bundesländern heute fühlen: „Sehen sie sich aufgenommen? Da können wir im Westen was zu beitragen.“ Er findet, dass Erinnerungskultur auch die positiven Dinge enthalten muss: „Wir lernen erst jetzt, wie gut die Kinderbetreuung in der DDR funktioniert hat und den Frauen ermöglicht hat zu arbeiten. Da war die DDR Vorreiter.“
Projekt war für Marienschule logistisch und finanziell herausfordernd
Als ehemaliger Abiturient der Marienschule begrüßt er das sichtbare Erinnerungszeichen im Naturgarten. Reichelt verbindet es mit der Frage: „Was können wir tun, um noch mehr Einheit in Deutschland zu bekommen?“
Neben dem Stichwort „Erinnerungskultur“ brachte Karl-Heinz Daniel von der Kreissparkasse Euskirchen die Worte Demokratie, Toleranz und Rechtsstaat ins Spiel. Drei Begriffe, die diesseits und jenseits der Mauer unterschiedlich verstanden wurden. Daniel hob hervor: „Es war ein Glück, auf dieser Seite der Mauer geboren zu sein.“ Er meinte damit die westliche Seite. Die Aufrichtung der Mauerstücke in Euskirchen erinnere daran, dass man um diese Werte immer wieder kämpfen müsse.
Logistisch und finanziell war die Aufstellung nicht einfach. Jedes Element wiegt rund drei Tonnen. Die Firmen Berners und Arns Bau erledigten das kostenlos. Um das Projekt von rund 10.000 Euro Kosten zu realisieren, engagierten sich neben der Kreissparkasse Euskirchen das Vermessungsbüro Kluß, die Buchhandlung „Die Leserei“, das Förderprogramm NRWeltoffen, die Bürgerstiftung Euskirchen „Wir für Euch“, die Firma Pfeifer & Langen und die Bethe-Stiftung an der Finanzierung.
Geschichtsdeutung soll nicht den Sozialen Medien überlassen werden
Florian Bethe, der Sohn der Stiftungsgründer, war auch gekommen. Er nannte den gespendeten Betrag „überschaubar“, aber „symbolisch wertvoll“. Die Erinnerungskultur sei ein wichtiger Schwerpunkt seiner Stiftungsarbeit.
Die Breite der Unterstützung und das Interesse der Politik am neuen Mahnmal machten deutlich, wie wichtig es den vielen Akteuren ist, die Geschichtsdeutung nicht dem Stimmengewirr in den Sozialen Medien zu überlassen.
Pfarrer Gregor Weichsel von der Evangelischen Kirchengemeinde übernahm den geistlichen Abschluss. Er sah sich auch als Vertreter seines katholischen Kollegen, der bedauerte, nicht dabei sein zu können. Mit dem vielsagenden Satz „Mit meinem Gott springe ich über Mauern“ aus einem biblischen Psalm leitete er ins Gebet. Er richtete darin den Wunsch an Gott: „…, dass von diesem Ort Gutes ausgeht.“
Die Veranstaltung wurde von einer Band aus Schülern und Lehrern musikalisch umrahmt. Mit Stücken wie „Wind of Change“ von den Scorpions und „Du hast den Farbfilm vergessen“ von der Gruppe Automobil und Nina Hagen sorgten sie für die thematisch passende Auflockerung.
Auch Besucher des Parks können sich das neue Mahnmal ansehen. Wer links vom Haupteingang um die Ecke der Marienschule biegt, entdeckt die beiden Mauerblöcke rechter Hand im Naturgarten.