HilfsangebotViele Kinder haben die Flutkatastrophe in Euskirchen noch nicht verarbeitet

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Im Fluthilfebüro des Caritasverbandes  Euskirchen malen Kinder mit Saskia Reder.

Im Fluthilfebüro des Caritasverbandes Euskirchen nahmen Kinder aus betroffenen Familien die Möglichkeit wahr, „Krafttiere“ zu malen. Auf Kissen übertragen, sollen diese Fantasietiere sie in schwierigen emotionalen Situationen an innere Kraftquellen erinnern.

Auch zweieinhalb Jahre nach der Flutkatastrophe im Kreis Euskirchen beschäftigen die Ereignisse Kinder noch ebenso wie Erwachsene.

Im Juli 2021 kam es nach tagelangen, heftigen Regenfällen auch im Kreis Euskirchen zu zahlreichen Überflutungen. Das Wasser ist längst weg, viele Schäden sind beseitigt, aber die Wellen dieser Wassermassen haben bis heute auf viele Betroffene Auswirkungen. Leicht wird übersehen, dass auch Kinder die Folgen zu tragen haben. Die Mitarbeiter des Fluthilfebüros des Caritasverbandes führen darum immer wieder Aktionen durch, um Kindern Raum zum Reden und Verarbeiten zu bieten.

Giana Balaban ist Kindheitspädagogin und gehört zum Fluthilfeteam. Sie schildert ihre Beobachtungen: „Wir haben immer noch viele Eltern in der Beratung, die mit Anträgen überfordert sind oder im Wiederaufbau stecken. Manchmal kommt es aufgrund der Anspannung zu Partnerschaftsproblemen. Die Kinder bekommen das alles mit. Oft fehlt es den Eltern an Zeit und Kraft, auf die Kinder pädagogisch angemessen einzugehen.“

Hilfsangebot für Kinder von sechs bis zehn Jahren

An dieser Stelle kommt die Beratung ins Spiel. Als so genannte Clearing-Stelle schauen die Mitarbeiter, welche Familie psychologische Hilfe benötigt. Liegt ein Bedarf vor, können sie häufig schnell einen Therapeuten vermitteln. Das geht zügiger und unkomplizierter als mit einer ärztlichen Überweisung. Finanziert wird ihre Arbeit durch Caritas-International, die mit finanziellen Mitteln die Hilfe möglich macht.

Zehn Kinder nehmen an diesem Samstag ein Angebot der Fluthilfe wahr. Sie sind zwischen sechs und zehn Jahren alt und machen es sich zunächst auf Kissen auf dem Boden bequem. Fünf von ihnen kennen die Fluthilfemitarbeiter schon. Neben Balaban ist auch noch die Sozialarbeiterin aus dem Team, Saskia Reder, dabei.

Gianna Balaban liest einen Text von einem Blatt ab.

Mit der Lesung einer Traumreise führt Gianna Balaban vom Fluthilfebüro der Caritas die Kinder aus flutbetroffenen Familien zu inneren Kraftquellen.

Balaban erklärt: „Mit den Eltern machen wir Fantasie- oder Traumreisen zur Entspannung. Bei Starkregen oder entsprechenden Nachrichten kommen bei manchen die Erinnerungen hoch und beunruhigen. Die Traumreise kann Erleichterung bringen. Dieses Mittel wollen wir auch den Kindern an die Hand geben. Die erleben die Spannungen auf ihre Weise mit.“

Krafttiere sollen Gefühl von Schutz und Stärke vermitteln

An diesem Samstag geht es darum, sich ein Krafttier vorzustellen, also ein Wesen, das ein Gefühl von Schutz und Stärke vermittelt. In der Mitte des Kissenkreises liegt ein Zebrakostüm mit vielen Plastikfiguren von Tieren zur Anregung. Doch die Kinder entscheiden selbst, ob sie sich davon anregen lassen wollen. Einige greifen auf Fantasiefiguren wie Pokémons zurück. Später werden sie diese Tiere auf eine DIN-A4- Leinwand malen, bevor sie sie auf einen braunen Karton übertragen. Eine Künstlerin, die unter dem Markennamen Pustablon arbeitet, überträgt die Bilder anschließend eins zu eins auf ein Kissen. Nach einigen Wochen erhalten die Kinder das Kissen zugeschickt.

Für die Traumreise wird der Raum etwas abgedunkelt, ein Duftzerstäuber mit Waldduft in Gang gesetzt und leise Musik abgespielt. Balaban hat die Geschichte einer goldenen Kugel ausgewählt: „Stellt euch vor, dass diese goldene Kugel euch Kraft gibt und schützt. Denkt an diese Kugel, wenn ihr Angst habt oder euch unsicher fühlt.“ Einzelne Kinder schließen die Augen zur Konzentration, manche sind abgelenkt oder träumen vor sich hin. Es ist erstaunlich still im Raum. Am Ende werden die Kinder durch Rückwärtszählen von zehn bis null wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Dann geht es ans Zeichnen.

Nebeneffekt: Aktion bietet Freiraum für die Eltern der betroffenen Kinder

Geduldig und ermutigend gehen die Mitarbeiter auf die Kinder ein. Ein Mädchen weiß nicht, was es zeichnen soll. Ein Junge hat eine Idee, bekommt sie aber nicht aufs Papier. Im zweiten Anlauf und mit Hilfe sieht der Hund schon ganz passabel aus. Den Mitarbeiterinnen ist es wichtig, dass die Kinder sich am Ende auf ihr Krafttier-Kissen freuen.

„Wir erleben es immer wieder bei unseren Aktionen, dass Kinder plötzlich anfangen, miteinander über die Ereignisse der Flut zu sprechen“, berichtet Balaban: „Wir sprechen das Thema von uns aus nicht an, aber wir schaffen einen Raum zum Reden.“ Insgesamt vier Stunden verbringen die beiden Fachkräfte mit den Kindern. Für den Hunger stehen Obst, Nüsse und Waffeln sowie Getränke bereit.

Als Nebeneffekt erhalten die Eltern Freiraum, sich einmal um andere Dinge kümmern zu können. Auch wenn die Flut im Sommer drei Jahre zurückliegt, die Hilfen wird es augenscheinlich noch eine ganze Zeit lang brauchen.

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