Hilfe bei psychischen Folgen der FlutIn Gemünd eröffnet ein Traumazentrum, das nicht so heißt

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Vertreter der Kommunen und des Malteser Hilfsdienstes.

Das Interkommunale Traumazentrum als Modul des Hilfszentrums Schleidener Tal stellten Vertreter der Kommunen und des Malteser Hilfsdienstes vor.

In Gemünd hat zu Jahresbeginn das Interkommunale Traumazentrum seinen Dienst aufgenommen. Den Begriff „Trauma“ will man aber vermeiden.

Ein Schild an der Tür gibt es noch nicht, aber zu Beginn des Jahres hat das Interkommunale Traumazentrum als Bestandteil des bestehenden Hilfszentrums Schleidener Tal in Gemünd seinen Betrieb aufgenommen. Die Stadt Schleiden und die Gemeinden Hellenthal und Kall hatten das Konzept gemeinsam entwickelt und im vergangenen Jahr den entsprechenden Förderbescheid des Landes NRW bekommen. Der Malteser Hilfsdienst ist für den Betrieb und die personelle Ausstattung verantwortlich.

Den Begriff „Traumazentrum“ wollen die Beteiligten im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch vermeiden: „Wir nennen es IPSU, was für Interkommunale psychosoziale Unterstützung steht“, erklärt Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings. „Der Begriff Trauma ist eher abschreckend“, ergänzt Frank C. Waldschmidt, PSU-Leiter der Malteser-Fluthilfe NRW: „Die meisten Betroffenen kommen allein mit den psychischen Auswirkungen der Flut klar. Die Frage muss daher jetzt lauten, wie wir die anderen motivieren können, sich Hilfe für die Seele zu suchen.“ 

Das Interkommunale Traumazentrum.

Das Interkommunale Traumazentrum.

IPSU sei ein niedrigschwelliges, präventives Angebot, so Waldschmidt: „Wir wollen ja verhindern, dass die Menschen ernsthaft krank werden.“ Das Angebot sei als wichtige Ergänzung zur psychosozialen Regelversorgung zu sehen, denn in diesem Bereich sei es auch schon vor der Flutkatastrophe schwer genug gewesen, einen Termin zu bekommen. Und der Bedarf in den von der Flut betroffenen Gebieten sei auch anderthalb Jahre nach der Katastrophe immer noch enorm. „Wir haben seit Juli 2021 etwa 9000 Gespräche im Rahmen der psychosozialen Unterstützung geführt“, sagt Waldschmidt: „Und auch jetzt gibt es jeden Monat rund 100 Kontakte.“

Leichter Einstieg für Betroffene: „Wir verzichten auf Papierkram“

Um Betroffenen den Einstieg so einfach wie möglich zu gestalten, werde auf „Papierkram weitgehend verzichtet“, so der PSU-Leiter: „Man muss kein Krankenkassen-Kärtchen vorzeigen, niemand erfährt davon, wenn man zum IPSU kommt.“ Auch die Kontaktaufnahme soll so einfach wie möglich sein. „Es ist ganz egal, auf welchem Wege die Menschen den Kontakt zu uns suchen“, erklärt Diplom-Psychologe Peter Keßeler, der die therapeutische Leitung des IPSU innehat: „Innerhalb von 48 Stunden gibt es eine Reaktion oder den Termin für ein Erstgespräch. Man kann auch einfach im Hilfszentrum in Gemünd vorbeikommen.“

Neu ist die Möglichkeit, sich per E-Mail ans IPSU zu wenden. „Wer möchte, kann die Erstberatung auch schriftlich in einem E-Mail-Austausch absolvieren. Das ist vielleicht eine Form, die eher jüngere Menschen anspricht“, sagt der Sozialarbeiter Gerd Sebastian, dessen Schwerpunkt bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen liegt. Ergänzend dazu wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IPSU auch aktiv den Kontakt zu den Menschen suchen.

„Geplant sind zum Beispiel Termine eines Info-Mobils auf den Marktplätzen in den drei beteiligten Kommunen oder Vorträge für Multiplikatoren in Vereinen, Schulen oder Kindergärten“, so Waldschmidt. Die Experten betonen, dass es nie zu spät sei, sich Hilfe oder Unterstützung zu suchen: „Natürlich haben sich die Gespräche mit den Betroffenen in den anderthalb Jahren seit der Flut verändert“, berichtet Keßeler: „Ganz zu Beginn standen die unmittelbaren Erlebnisse im Mittelpunkt. Aber bei vielen hat die Flut auch ganz andere Lebensthemen nach oben gespült, denen sich die Menschen nun stellen müssen. Schlafprobleme sind zum Beispiel ganz oft ein Hinweis auf versteckte, psychische Probleme.“

Die Anbindung ans Hilfszentrum in Gemünd sehen die Beteiligten dabei als besondere Stärke des IPSU: „Hier können alle Hilfsangebote miteinander verknüpft werden. Wenn nötig stehen auch Seelsorger der verschiedenen Konfessionen bereit“, betont Waldschmidt: „Was wir hier gemeinsam entwickelt haben, ist wirklich einmalig in Deutschland.“


IPSU im Hilfszentrum Schleidener Tal

Das Land NRW trägt 90 Prozent der IPSU-Gesamtkosten in Höhe von knapp 600.000 Euro. Die drei beteiligten Kommunen, die Stadt Schleiden sowie die Gemeinden Kall und Hellenthal, sind gemäß ihrer Einwohnerzahl mit insgesamt rund 59.000 Euro beteiligt.

Das Projekt ist am 1. Januar 2023 gestartet und hat eine Laufzeit von zunächst zwei Jahren. Seinen Sitz hat das IPSU im Hilfszentrum Schleidener Tal, Kölner Straße 10, in Gemünd.

Kontakt per E-Mail oder per Telefon unter 02444-9129746. 24-Stunden-Hotline des Malteser-Hilfsdienstes: 06723-685767.

Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, samstags von 9 bis 13 Uhr.

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