Die Deutsche Umwelthilfe stellt Euskirchen ein schlechtes Zeugnis aus. Maßnahmen nach der Flut finden sich in dem Test nicht wieder.
SommerEuskirchen schneidet bei Hitze-Check schlecht ab – Bürgermeister kritisiert Test

Dass in der Euskirchener Innenstadt mehr Bäume stehen als vor der Flut, ist im Hitze-Check der Umwelthilfe noch nicht berücksichtigt.
Copyright: Tom Steinicke
Das Thermometer zeigt am Freitagnachmittag 28 Grad. Gemessen an und von der Apotheke an der Bahnhofstraße in Euskirchen. Und am Wochenende soll wieder die 30-Grad-Marke geknackt werden. Vor allem in Städten ist die Hitze-Belastung in den Sommermonaten hoch – da bildet Euskirchen keine Ausnahme.
Im Gegenteil: Die Deutsche Umwelthilfe stellt der Kreisstadt ein schlechtes Zeugnis aus. Deutschlandweit schneiden Städte wie Mannheim, Ludwigshafen oder auch Worms zwar noch schlechter ab, aber in NRW steht Euskirchen vor der Millionen-Stadt Köln und Pulheim am negativen Ende der Hitze-Liste.
Berechnungsgrundlage für den Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ist die Mittagszeit der Monate Juni und August in den Jahren 2019 bis 2024. Euskirchen kommt in diesen Zeiten der DUH zufolge auf eine durchschnittliche Oberflächentemperatur von 34,99 Grad Celsius.
Bürgermeister Sacha Reichelt kritisiert Zeitpunkt des Hitze-Checks
Am Zeitraum der Berechnungsgrundlage stört sich Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt im Gespräch mit dieser Zeitung – vor allem, weil die Beseitigung der Flutschäden von 2021 genutzt worden sei, um die Wärmebelastung in der Euskirchener Innenstadt zu reduzieren. „Es sind noch andere Städte deutlich hinter uns, aber ein solches Abschneiden ist nicht unser Anspruch“, sagt Reichelt: „Wir werden uns die Daten genau anschauen. Aber die Maßnahmen, die wir seit der Flut ergriffen haben, können in der Erhebung noch keinen Niederschlag finden.“
Die Innenstadt sei infolge der Sanierung grüner geworden. Laut Verwaltungschef standen vor der Flut in der Fußgängerzone sechs Bäume, nun sind es 16. Ein deutliches Plus an Grün, wie der Bürgermeister feststellt. Er sagt aber auch: „Die Bäume müssen noch wachsen. Sie können noch nicht den Schatten spenden, den sie mal spenden sollen.“ Es sei eine Maßnahme von vielen, die seine Stadt beim nächsten Hitze-Check der DUH besser dastehen lassen dürfte.
Wir haben das helle Pflaster gewählt, damit es nicht so schnell warm wird.
Dazu soll auch das neue Pflaster an der Neustraße und der Berliner Straße beitragen. „Wir haben das helle Pflaster gewählt, damit es nicht so schnell warm wird. Der spezielle Stein hat einen hohen Rückstrahleffekt, so dass es auf dem Boden nicht so warm wird wie bei einem anderen Stein“, erklärt Reichelt.
Seit Anfang Juni sind die Trinkwasserspender in der Euskirchener Fußgängerzone in Betrieb. Sie befinden sich auf der Neustraße ungefähr auf Höhe der Abzweigung zum Neutorwall und kurz vor der Kreuzung Neustraße/Berliner Straße. Umgesetzt wurden sie im Rahmen des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) „Euskirchen Innenstadt“. „Durch die neuen Spender haben die Menschen in Euskirchen nun jederzeit Zugriff auf frisches Trinkwasser in der Innenstadt. Besonders an den warmen Tagen können diese Spender eine gute Quelle für kühle Erfrischung sein“, sagt Tim Nolden, Pressesprecher der Stadt Euskirchen.
Große Grünfläche, wo mal das City-Forum stand
Auch die Entsiegelung von Flächen soll dazu beigetragen, die Hitzebelastung im Innenstadtbereich zu mindern. Dort, wo bis zur Flut das City-Forum stand, ist nun eine große Grünfläche entstanden, auf der schon bald auch das erste Konzert stattfinden wird. Die Fläche erfreue sich großer Beliebtheit bei den Euskirchenern.
„Die Studie ist eine Momentaufnahme in der Vergangenheit. Das sollte man nicht überbewerten“, so Reichelt: „Der Städtebau hat sich verändert. Heute plant man anders als damals. Heute ist der Grünanteil deutlich größer. Auch in Euskirchen.“ Auf der Internetseite der Kreisstadt gibt es einen Link zu den sogenannten kühlen Orten. Dort sind Orte und Plätze aufgeführt, an denen sich Menschen an heißen Tagen abkühlen können.
Hitze ist auch für Wohnungslose ein Problem
„Hitzetage sind ein ganz wichtiges Thema bei Wohnungslosen“, sagt Katja Ziemann vom Kreis-Gesundheitsamt, die sich intensiv mit Hitzetagen im Kreis beschäftigt.
Bei eisiger Kälte kämen einem die Obdachlosen sofort in den Sinn, im Sommer eher weniger. „Das ist aber falsch. In ihrer körperlichen und gesundheitlichen Situation benötigen sie die Möglichkeit zur Abkühlung. Und sie brauchen Trinkwasser“, sagt die Expertin.
Mittags steht die Sonne am höchsten. Doch ist es dann auch am wärmsten? „Nein“, sagt Ziemann. Im Sommer sei die Temperatur oft zwischen 17 und 18 Uhr am höchsten. Dabei gehe es nicht um die UV-Strahlung und die Stärke der Sonne, nicht darum, wie schnell man sich einen Sonnenbrand hole. „Es geht darum, wie lange Wärme produziert wird. Die Gebäude nehmen Wärme auf – genau wie der Asphalt. Die Wärme wird dann abgestrahlt. Das Ergebnis: Am frühen Abend ist es im Sommer an Hitzetagen besonders heiß“, sagt Ziemann.

Der Wasserspielplatz in der Erftaue steht zur Abkühlung auf unbestimmte Zeit nicht zur Verfügung.
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Meteorologen sprechen von einem Sommertag, wenn die Temperatur mehr als 25 Grad beträgt. Von einem Hitzetag spricht die Expertin des Kreises, wenn der Tageshöchstwert die 30-Grad-Marke knackt. „Bis 2070 werden wir pro Jahr die Marke mehr als 40 Mal knacken. Das ist zwar noch gefühlt weit weg. Aber die Kinder im Kreis werden das erleben. Und deren Kinder erst recht. Wir müssen also etwas tun“, so Ziemann.
Zurück zum Ranking der Deutschen Umwelthilfe: Für ihr Ranking wurde ein Hitzebetroffenheitsindex (HBI) ermittelt, der sich zu gleichen Teilen aus vier Faktoren zusammensetzt: durchschnittliche Temperatur in den Sommermonaten, Versiegelung, Grünvolumen und die Bevölkerungsdichte.
Der Index basiert unter anderem auf der Auswertung von Satellitendaten, Bevölkerungsdaten aus dem Zensus von 2022 und der jährlich erhobenen amtlichen Flächenstatistik, heißt es von der DUH. Rote Karten gab es bei einem HBI von 16,16, den Euskirchen (16,06) knapp verfehlt. Somit steht die Hitze-Ampel für die rund 60.000 Euskirchener auf Orange. Besser haben es die Einwohner von 19 NRW-Städten im grünen Bereich – damit stellt das bevölkerungsreichste Bundesland den Großteil der 28 deutschen Städte mit eher moderater Hitzebetroffenheit.
Umwelthilfe fordert verbindliche Mindestgrünanteile
Hattingen hat dabei mit einer Temperatur von 30,52 Grad, einer Versiegelung unter 40 Prozent und einem Grünflächenanteil von fast fünf Kubikmetern pro Quadratmeter am ehesten das Potenzial zu einer Art „Wohlfühl-Oase“. Das entspricht einem HBI von 11,99, dem in NRW Gummersbach (12,32) und Witten (12,60) noch am nächsten kommen.
Der Hitze-Check der Umwelthilfe sei ein Alarmsignal, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung: „Von den 34 Millionen Menschen in den untersuchten Städten sind 32 Millionen von mittleren und extremen Hitzebelastungen betroffen. Rund 3000 Menschen sterben hierzulande jedes Jahr an den Folgen extremer Hitze.“
Die DUH fordert „verbindliche Mindestgrünanteile auf jedem Grundstück, Gebäude und im öffentlichen Raum.“ Zudem bräuchten die Kommunen finanzielle Unterstützung, um Städte zu begrünen. „Grün in den Städten ist für die Gesundheit der Menschen kein ,Nice to have', sondern essenziell und braucht die gleiche politische Priorisierung wie Wohnungsbau und jede andere Infrastruktur“, so die DUH.
Der Wasserspielplatz in der Erftaue, an dem sich vor allem Kinder gerne abkühlen, ist auf unbestimmte Zeit außer Betrieb. Die Stadt sucht nach Fördermitteln, um ihn an neue Standards anzupassen. Aber nur unweit davon gibt es eine Abkühlung an heißen Tagen. Die Erft ist nach ihrer Renaturierung gut zugänglich – entsprechend oft wird das kühle Nass im Bereich der Erftbastei genutzt.
Neuer Standort für Wetterstation von Karl-Josef Linden
Karl-Josef Linden hat fast 50 Jahre lang auf seinem Grundstück in Zülpich-Sinzenich Wetterdaten erfasst und eine meteorologische Station betrieben. Weil sich die Bebauung in der Nachbarschaft in den vergangenen Jahren aber immer wieder verändert hat, sah er seine Wetterdaten als gefährdet an. Also nahm der ehemalige Lehrer der Euskirchener Marienschule Kontakt zur Stadt Zülpich auf.
Und man wurde gemeinsam fündig: Die Messstation des Sinzenicher Wetterexperten befindet sich nun in unmittelbarer Nähe zum Seepark Zülpich. Bei einem Ortstermin zeigte sich Linden begeistert vom neuen Standort: „Hier herrschen wirklich in jeder Beziehung ideale Bedingungen für die Aufzeichnung von Wetterdaten“, wird der Wetterexperte in einer Pressemitteilung der Stadt Zülpich zitiert.
Der Sinzenicher berichtet, dass es kürzlich ein besonderes Jubiläum zu feiern gab. Denn am 1. Juni 1900, also vor ziemlich genau 125 Jahren, nahm der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Zülpich eine Wetterstation in Betrieb. Diese befand sich seinerzeit an der Landwirtschaftsschule auf der Bonner Straße, dem heutigen Hotel Europa. „Es war damals eine der ersten Wetterstationen überhaupt im Kreis Euskirchen“, berichtet Wetterexperte Linden.
Die in Zülpich aufgezeichneten Messdaten bilden über die MeteoGroup, dem in London ansässigen, europaweit größten Dienstleister im Bereich der Wettervorhersage, die Grundlage für Wetterinformationen unter anderem in der ARD-Tagesschau, den WDR-Lokalzeiten und eben auch in der Aktuellen Stunde des WDR.