Jubiläum mit Pippi LangstrumpfOberwichtericher baut seit 50 Jahren Karnevalswagen

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Es ist Paul Sinzig mit seinem Neffen vor dem Karnevalswagen zu sehen.

Der Oberwichtericher Paul Sinzig baut seit 50 Jahren Karnevalswagen.

Paul Sinzig aus Oberwichterich baut mit 76 Jahren seinen 50. Karnevalswagen. Sein bisher größter Erfolg war ein Wagen mit Pumuckl.

Das Jubiläumsmodell ist Pippi Langstrumpf gewidmet. Rosenmontagszug-Wagenbauer Paul Sinzig aus Oberwichterich hat die Großfigur samt dem Schimmel Kleiner Onkel und dem Äffchen Herr Nilsson fast fertig.

Noch ist das gemalte Kinderbuchpersonal auf seinem 50. Narrengefährt aber nur in seiner alten Scheune zu sehen. „Mal sehen, ob das klappt“, sagt Sinzig, der wohl zu den dienstältesten Wagenbauern im Kreis Euskirchen gehört.

Gemeinsam baut Sinzig mit seinem Neffen den Wagen

Er steht prüfend am Heck seines „Jubiläumswagens“, des jüngsten, den er seit 1975 entworfen hat, und ist gespannt. Spanplatte und Sperrholzplatte, dazwischen ein mit Fliesenkleber befestigtes Netz, und dann die Bemalung.

„Damit das nicht so fimschig aussieht und Pippi mehr Volumen hat“, meint Paul Sinzig. Neffe Guido Schramm steigt auf die Leiter, bewegt sich vorsichtig auf dem flacheren Heckteil des Rosenmontagszugwagens und zieht mit wasserfestem Marker Konturen ins Gesicht der Rotzopf-Trägerin.

Kreative Ideen zur Materialbeschaffung

Onkel Paul tunkt unterdessen behutsam einen Pinsel in ein Töpfchen gelber Farbe und zieht die Lamellen eines ehemaligen Holzrollladenkastens nach. Die ausrangierten langen Zylinder, senkrecht gestellt, bilden am Chassis des Wagens ein strukturierendes und formgebendes Element zwischen den beiden großen rechteckigen Bildtafeln an den Seiten zum Wagenmotto.

Es ist Sinzigs Neffe zu sehen, wie er den Kopf von Pipi Langstrumpf bemalt.

Der diesjährige Karnevalswagen steht unter dem Motto „Pippi Langstrumpf“.

„Die haben wir günstig bekommen, als alles auf Kunststoffrollladen umgestellt wurde“, erzählt Paul Sinzig. Auf die Idee muss man kommen. Die Kettenglieder zwischen den einzelnen Lamellen sind jetzt ebenso gelb lackiert wie die Lamellen selbst. Man erkennt die ursprüngliche Verwendung erst, wenn man nah genug davorsteht.

Paul Sinzig baut seit 1975 Karnevalswagen

Die beiden Wagenbauer in der alten Scheune am Ortsrand von Oberwichterich sind ein eingespieltes Team. Schramm, 52, ist immerhin seit 1991 dabei, sein Onkel Paul Sinzig, 76, hat aber schon seit 1975 einfach „Spaß daran“, einen Wagen für die Zöch zu bauen.

Das sei damals aus „einer Bierlaune unserer Fußballclique in Frauenberg“ heraus entstanden, so Sinzig. Zunächst waren es zwei oder drei Kumpels, die mitbauten, dann wurde daraus sein Hobby. Der erste Wagen sei damals durchaus „politisch“ gewesen, meint Sinzig und deutet auf eine Wand in der Hallenecke, an der Fotos seiner Kreationen in dichten Reihen angepinnt sind.

Das Vergnügen der Kinder steht im Vordergrund

„Das war 1975 ein Starfighter, die ja immer wieder über der Börde abgestürzt sind.“ Doch der Oberwichtericher ist kein Jacques Tilly, der Starwagenbauer aus dem Düsseldorfer Rosenmontagszug mit seinen Comicfiguren und beißendem politischen Spott. Für Sinzig ist das Vergnügen vor allem der Kinder am Zochweg der Maßstab.

Es ist der diesjährige Karnevalswagen zu sehen.

Paul Sinzig baut die Karnevalswagen in seiner Scheune.

Er baut Karnevalswagen, die einem Verein für die Mitfahrt im Zoch dienen müssen, und keine reinen Motto- oder Persiflage-Gefährte. Eben Pippi Langstrumpf, oder in den Jahren davor Biene Maja, die Schlümpfe, der knuffige Diddl, das Personal der Sesamstraße. Seinen größten Publikumserfolg hatte er 1984 mit dem Pumuckl.

Sinzig fährt selbst zum Zug, um seine Arbeit zu kontrollieren

Damals wie heute lassen sich Kinder mit ihren Eltern vor den Wagen von Paul Sinzig fotografieren – für ihn die Bestätigung, dass er sein Wagenthema gut umgesetzt hat. Er fährt ja immer auch selbst zum Zoch, um zu kontrollieren, dass seine beiden Wagen auch rollen.

„Bisher ist noch kein Wagen liegengeblieben, toi, toi, toi“, meint Sinzig. Als er einmal den „Münchhausen“ baute, fiel dem Holz-Baron allerdings die Kanone für seinen legendären Ritt vom Wagen herunter. Sinzig baute sie in Windeseile wieder auf und erließ dem Verein, der den Wagen gemietet hatte, natürlich die Leihgebühr.

Heute sind das 500 Euro, die seine beiden Vereine, die seine Stammkunden sind, gerne berappen. Sie können Sinzigs sicherem Gefühl für ein Wagenmotto auf Basis von Kinderbilderbüchern oder einer TV-Fernsehserie blind vertrauen.

Das Team bietet Wagen-Unikate an

Würde man sich stattdessen an einen professionellen Wagenverleiher wenden, wäre der „Tolle-Tage-Satz“ aus Oberwichterich nur die Ein-Tages-Gebühr, ist sich Paul Sinzig sicher. Und dafür bekommt man noch nicht einmal ein Wagen-Unikat, wie er und sein Neffe es anbieten können.

Der KKC Kuchenheim und die KG De Morhahne aus Herhahn-Morsbach sind seit Jahren über die Handmade-Alternative froh. Paul Sinzigs Sessions-Saisonfahrzeuge – natürlich alljährlich TÜV-geprüft – verbinden so den Norden des Kreisgebietes mit dem Süden.

Nach jeder Arbeit gibt es ein „Richtfest“ in seiner Scheune

Beim „Richtfest“ für einen Neubau in seiner Scheune, wenn „die Bude hier rappelvoll ist“, so Sinzig, sind sie alle gleich – wenn man mal etwas pathetisch sein will. So wurde jüngst nach sechswöchiger Arbeit auch Pippi Langstrumpf begutachtet.

Das ist in dieser Session der „große Wagen“ mit je zwei Bildern auf den Längsseiten, dem Figurenaufbau von Pippi und ihrem Apfelschimmel Kleiner Onkel, insgesamt 2,80 Meter hoch. Mehr geht nicht unter die Hallendecke, wo um den Wagen herum gerade noch genug Platz zum Werkeln und Bemalen des davor geparkten zweiten Wagens ist.

Pippi-Langstrumpf-Wagen für die erste Nach-Corona-Session

Jedes Jahr wird ein Kastenaufbau mit der Stellfläche für die Aktiven über der fahrbaren Unterkonstruktion umlackiert und mit einem neuen Motiv bemalt, ein Modell wird übernommen. Neu vor der Corona-Zwangspause war ein rund vier Meter langer, kleiner Wagen zum Thema „Die Eisprinzessin“.

Für die erste Nach-Corona-Session ist es der „große“ Pippi-Langstrumpf-Wagen. Gemalt wird mit Lackfarbe, die sei „wasserfest und glänzt schön“, so Guido Schramm. Als Onkel Sinzig in den Anfangsjahren Fassadenfarbe verwendete, musste er Lehrgeld zahlen: „Bei Regen kam die ganze Soße runter!“

Auch Ehefrau Margarete Sinzig unterstützt den Wagenbauer

„Es ist ja sein Hobby“, zeigt sich Ehefrau Margarete Sinzig verständnisvoll. „Und ich bin ihr us de Fööss“, ergänzt Paul den Satz und meint den Unruhestand. Und dann zeigt er doch noch kurz auf den Mitte Januar verliehenen „Großen Verdienstorden am Bande“ samt Namenszugschildchen durch den Festausschuss Euskirchener Karneval (Feuka).

Der komme aber nicht an die schon dicht bepackte Ordenswand in der Scheune, sondern in „meinen Keller“, so Sinzig. Verdient ist eben verdient. Auch im Karneval.

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