SpendenlaufZehnjähriger Euskirchener trainiert für Great Wall Run auf Chinesischen Mauer

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Leon Barth und seine Eltern Stefanie und Marc laufen Hand in Hand eine Treppe herunter.

Weil Euskirchen zu flach ist, trainiert die Kleinbüllesheimer Familie seit Monaten in Engelskirchen für den China Wall Run.

Der zehnjährige Leon Barth aus Euskirchen trainiert seit drei Monaten  für den Wall Run in China. Er tritt an, um Kindern zu helfen.

5164 Treppenstufen hat die Chinesische Mauer. Das Metabolon in Engelskirchen hat 360. Der 10-jährige Leon Barth aus Euskirchen nimmt jede davon mindestens dreimal. Das muss er auch, um nur eine Ahnung davon zu bekommen, was für eine Herausforderung es sein wird, wenn er in 20 Tagen die Chinesische Mauer erklimmen will.

Am Fuße des Lindlaer Metabolons, Mülldeponie und Umweltlernort, stehen Leon und seine Eltern neben Mauern aus zusammengepresstem Müll. Die Sonne scheint kraftvoll, doch der Wind ist frostig. Alle Barths tragen unaufgeregte und enganliegende schwarze Sportkleidung und ein weißes T-Shirt. Abgebildet ist eine ikonische Zeichnung der chinesischen Mauer. Darüber ihre Namen und der Schriftzug „Great Wall Marathon China“.

Das Metabolon in Lindlar: Am Rande einer Treppe stehen Mülltonnen.

360 Stufen hat das Metabolon in Lindlar.

Am 18. Mai wird die ganze Familie aus Kleinbüllesheim gemeinsam mit 2247 weiteren Teilnehmern aus mehr als 30 Nationen an einem der herausforderndsten Läufe der Welt teilnehmen. 42,2 Kilometer lang ist der Vollmarathon, 21,1 Kilometer der Halbmarathon und 8,5 Kilometer der „Fun Run“.

Für den Vollmarathon ist allerdings nur die 49-jährige Stefanie Barth angemeldet. Vater Marc (41) und Leon Barth werden gemeinsam bei dem „Fun Run“ antreten. „Mehr darf Leon in seinem Alter auch noch gar nicht“, berichtet Marc Barth und startet Musik in moderater Lautstärke, die das ganze Training über aus einer Box in seinem Rucksack klingen wird.

Den New-York-City-Marathon auf der „Bucket-List“

Stufe 20 von 360: Neben den Stufen des Metabolons stehen unzählige Mülltonnen. Leon öffnet eine von ihnen. Darin ist ein Memory. Die Tonne erklärt, wie der Müllkreislauf funktioniert. Stefanie Barth lacht. „Der Marathon in China war meine Idee“, sagt sie. Schon ewig habe diese Herausforderung auf ihrer „Bucket List“ gestanden. Das ist eine Auflistung aller Wünsche, Träume und Ziele, die ein Mensch für sein Leben hat – etwa heiraten, eine Familie gründen, ein Haus bauen oder einen Baum pflanzen.

Leon öffnet eine Mülltonne. Darin befindet sich ein Schaukasten.

Leon öffnet die Tonnen, um zu sehen, was sich darin verbirgt.

Doch Stefanie Barths „Bucket List“ ist etwas extremer. „Angefangen hat das alles im Jahr 2007“, erinnert sie sich. Damals sei der Wunsch in ihr aufgekommen, sich der Herausforderung „Marathon“ zu stellen. „Vorher hatte ich mit Laufen gar nichts am Hut“, sagt sie. Trotzdem wollte Barth nicht mit „irgendeinem Marathon“ starten. „Wenn ich so etwas angehe, dann will ich es groß angehen.“

Also meldete sich die unerfahrene Läuferin für den New York City Marathon 2008 an – einem der bekanntesten und teilnehmerreichsten Laufwettbewerbe der Welt. (53 639 Teilnehmer gingen dort im Jahr 2019, kurz vor der Corona-Pandemie an den Start.) Nur knapp ein Jahr hatte die Kleinbüllesheimerin Zeit für das Training, trotzdem beendete sie den Marathon mit einer Zeit von 4 Stunden und 25 Minuten. Im Jahr 2018 lief Barth die Strecke noch ein zweites Mal. Danach suchte sie direkt nach neuen, noch extremeren Herausforderungen – wie einen Marathon mit 5164 Treppenstufen.

Junge Kleinbüllesheimer liebt den Parcours

Stufe 100 von 360: „Und nach China wollte ich auch schon immer mal“, ruft Leon. Der 10-Jährige hat ein ganz rotes Gesicht bekommen. Er ist immer etwa 20 Stufen vor seinen Eltern, läuft vor und wieder zurück, pausiert auf einer Plattform und keucht. Die Leidenschaft, die seine Mutter für das Laufen hat, hat den Schüler schon früh inspiriert. Als sie in New York lief, feuerte er sie aus dem Zuschauerraum an. Zuletzt startete der junge Kleinbüllesheimer selbst beim Athletic Kids Run in Euskirchen. „Nur Laufen“ findet der 10-Jährige aber langweilig. Er braucht Hindernisse: „Ich möchte klettern und hindurchkriechen. Hangeln macht mir am meisten Spaß.“

Leon Barth und seine Eltern Stefanie und Marc laufen eine Treppe hinauf.

Der Treppenlauf treibt allen Familienmitgliedern den Puls in die Höhe.

Schon mit 4 Jahren sei der junge Euskirchener ein richtiger kleiner Parcours-Star gewesen, verrät seine Mutter. Damals habe sie im ersten Jahr in der IT-Abteilung bei RTL gearbeitet und als Mitarbeiterin des Senders in einem Team am RTL-Spendenmarathon teilgenommen. Im Rahmen der 24 Stunden-Challenge sammelt RTL einmal im Jahr gemeinsam mit verschiedenen Prominenten Spenden, die Kinderhilfsprojekten zukommen.

„Und Leon und Marc waren damals eigentlich nur gekommen, um mich abzuholen“, erinnert sich Stefanie Barth. Doch der 4-Jährige hatte es sich nicht nehmen lassen, auch selbst einmal den aufgebauten Hindernislauf auszuprobieren. Als Leon loslegte, zoomten sofort alle Kameras auf den Jungen, der schwungvoll den Parcours für Erwachsene absolvierte. „Nein, Kameras hat Leon noch nie gescheut.“ Stefanie Barth lacht.

Euskirchener wollte gerne nach China

Stufe 250 von 360: Beim Treppensteigen ist die ganze Familie ruhiger geworden. Marc und Stefanie Barth haben in einen kontinuierlichen Rhythmus gefunden und sind ganz bei sich. Leon hat damit aufgehört, vor- und zurückzulaufen. Wenn er eine Plattform vor seinen Eltern erreicht, dann läuft er ihnen nicht mehr entgegen, sondern wartet.

Auf der Spitze des Metabolons rennt die Familie über einen roten Tartan-Platz.

„Wir sind nicht ganz unfit“, sagt Marc Barth über seine Familie.

Weil Leon so gerne mit nach China gewollt habe, sagt Stefanie Barth, und weil es die Möglichkeit des „Fun Runs“ gebe, habe es nahe gelegen, dass nicht nur sie, sondern ihre ganze Familie sich am chinesischen Treppenlauf beteiligt. „Ich mag es eigentlich gar nicht besonders gerne zu laufen“, sagt Marc Barth und lacht. Dann schaut er kurz ernst. Dann lacht er wieder: „Aber wir machen Sachen einfach gerne zusammen.“

Leon möchte Kindern helfen, denen es schlechter geht als ihm

Stufe 300 von 360: Jetzt schaut Leon ernst. Auch wenn er sich auf China freut, auch wenn seine Klassenkameraden vielleicht ein bisschen neidisch sind auf sein Abenteuer und auf die viertägige Freistellung von der Schule, steht ihm zufolge doch etwas anderes im Vordergrund: „Ich möchte armen Kindern helfen. Von dem Geld, dass ich erlaufe, soll Essen für die Kinder gekauft werden, die Hunger haben.“

Alle Kinder auf der Welt sollten es so gut haben wie der Kleinbüllesheimer, findet er. Alle sollten so glücklich sein wie er, wenn er im Schulunterricht einen doppelten Salto versucht oder am Nachmittag einen Ausflug mit seinen Eltern macht.

Familie Barth rutscht eine Rutsche hinunter.

Spaß zu haben, ist für alle drei Kleinbüllesheimer das Wichtigste.

Dass der 10-Jährige es gut hat, das weiß er. Dafür ist er dankbar. Deshalb wollen Leon und seine Eltern nicht nur für sich laufen, sondern sammeln dabei Geld für die RTL-Wir-helfen-Kindern-Stiftung. Stefanie Barth hat selbst schon oft an Spendenläufen teilgenommen. Da sie auch bei RTL arbeite, wisse sie, wo das Geld hingehe, sagt sie.

Eine Treppe rennt man nicht hinauf

Stufe 340 von 360: Kurz vor der Spitze des Metabolons legt die Familie eine Rast ein. Stefanie und Marc Barth drehen sich um. „So eine schöne Aussicht“ sagt Stefanie und atmet tief. „Als wir das erste Mal hier trainiert haben, haben wir es verkehrt gemacht“, erzählt sie.

So schnell wie möglich hochgerannt seien sie da. Da sei ihnen ein älterer Mann entgegengekommen. „Der ging ganz gemütlich, sah sich um, genoss die Aussicht – aber er ging.“ Und als die Barths bei ihrem ersten Lindlaer Wall Run die Hälfte erreicht hatten, war ihr Puls so hoch, dass es ihnen komisch wurde. „Da haben wir gelernt, dass man so einen Treppenlauf eben anders angehen muss als einen Marathon auf geraden Strecken“ – eben mehr so wie der alte Mann.

Leon guckt durch ein Fernrohr.

Leon schaut, ob er China schon sehen kann.

Leon nickt. Wenn er an China denkt, so sagt er, sei da aber nicht nur Vorfreude. Sorgen mache er sich auch. „Ich habe Angst, dass ich vor der chinesischen Sonne in die Knie gehe“, sagt er. Seine Eltern lachen liebevoll über den Pathos des 10-Jährigen. Tatsächlich seien die Bedingungen in China andere, sagt Stefanie Barth. In Huangyaguan ist es gerade 25 Grad, in Lindlar 15.

Wir sind ja nicht ganz unfit.
Marc Barth, Vater von Leon

Stufe 360 von 360: „Aber wir sind ja nicht ganz unfit“, sagt Marc Barth und betritt die Plattform an der Spitze des Metabolons. Und: „Das wird schon.“ Und: „Wir müssen ja nicht gewinnen.“

Leon läuft zum Fernrohr, mit dem man über Lindlar schauen kann: „Aber wir müssen in der passenden Zeit ankommen.“ Was denn die passende Zeit sei, fragen die Eltern unisono. „Eins dreißig!“ antwortet Leon selbstbewusst. Die Eltern lachen, aber man kann sehen, dass sie stolz auf ihren ambitionierten Sohn sind. „Da muss der Papa dann wohl hinterherkriechen“, sagt Marc Barth.

Dann schlägt der 41-Jährige ein spezielles Training vor: „Jetzt immer drei Etagen runter und wieder zwei hochjoggen.“ Stefanie und Leon Barth stellen sich in die Start-Position: Es ist Stufe 1 von 360.


Wer für Leons Spenden-Lauf auf der Chinesischen Mauer und die Stiftung RTL – „Wir helfen Kindern“ spenden möchte, kann das unter diesem Paypal-Link tun.

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