Das Handwerker- und Heimatmuseum war in Vergessenheit geraten. Zur Vernicher Geburtstagsfeier öffnet es seine Tore.
Das Dorf feiertMuseum in Weilerswist-Vernich erwacht aus dem Dornröschenschlaf

Ein Haus wie eine Schatzkiste: Karl-Heinz Nauroth sieht das Potenzial des Vernicher Museums und will es wieder mehr in den Blick der Öffentlichkeit rücken.
Copyright: Heike Nickel
Ein bisschen Lost Place, ein bisschen Dornröschenschlaf, auf jeden Fall ein gefundenes Fressen für jeden Menschen, der sich für Lokalhistorie interessiert und mehr über die Lebensart und -kunst seiner Vorfahren erfahren möchte. Die Rede ist vom Handwerker- und Heimatmuseum, das 2005 vom Dorfverschönerungsverein Vernich (DVV) in Räumen der Alten Schule eingerichtet und betrieben wurde.
Die Masse der Exponate auf engem Raum hat uns erstmal erschlagen.
Der altersbedingte Wechsel aufseiten der Aktiven sowie Veränderungen im Vereinsvorstand führten dazu, dass das Kleinod an der Talstraße für einige Jahre in Vergessenheit geriet. Als dann im Sommer 2024 die drei DVV-Vorstandskollegen Karl-Heinz Nauroth, Reinhardt Hinterwälder und Norbert Thiemermann das Museum sichteten, wurde ihnen schnell bewusst, dass es mit einmal Abstauben und Durchfeudeln nicht getan sein würde, wenn man es der Öffentlichkeit wieder zugänglich machen will.
„Die Masse der Exponate auf engem Raum hat uns erstmal erschlagen“, erzählt DVV-Vorsitzender Karl-Heinz Nauroth. Dennoch sei sofort klar gewesen, dass das „ein toller Fundus ist, der gerettet, strukturiert und öffentlich gezeigt werden will“.
In Vernich werden die Geschichten hinter den Exponaten erzählt
Nauroth, der im LVR-Freilichtmuseum in Kommern arbeitet und dort auch Führungen macht, liebt die Geschichten hinter den Exponaten, Urkunden oder Fotos, die Aufschluss darüber geben, wie die Vorfahren im Ort gelebt haben. „Vernich wird dieses Jahr 880 Jahre alt. Und das Tolle ist: Wir haben zu jeder Epoche etwas in der Sammlung.“
Das Museum in unmittelbarer Nachbarschaft zur Heilig-Kreuz-Kirche soll nach den Vorstellungen des DVV-Vorstands zu neuem Glanz finden. „Alles steht auf Anfang“, so der Vereinsvorsitzende. Ein Konzept, wie es weitergehen soll, wurde schon erarbeitet: „Wir wollen die Ausstellung nach Themenbereichen wie Arbeit, Freizeit, Alltagsleben neu strukturieren und langfristig auch digitalisieren“, erklärt Nauroth. Lebendige Texte mit Hintergrundinformationen oder Anekdoten zum jeweiligen Exponat sollen dann per QR-Code auf dem Mobiltelefon abgerufen werden.

Die Sattlerwerkstatt ist komplett vorhanden. Ebenso einige Dinge, die hier hergestellt wurden: Sättel, Schultaschen oder Lederfußbälle.
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Das Herz jedes Hauses war und ist die Küche. In der Ausstellung zeugt einiges von einem beschwerlichen Arbeitsleben, auch im Haushalt.
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Auch ein vollständiges Inventarverzeichnis muss erstellt werden – bei sicherlich einigen tausend Gegenständen eine Mammutaufgabe. Dazu kommen noch jede Menge historische Fotos, die Vernicher Bürger dem Museum im Laufe der Jahre vermacht haben und die ausgewertet, zugewiesen und archiviert werden müssen. „Wir arbeiten hier alle ehrenamtlich, aber mit professionellem Anspruch“, so Karl-Heinz Nauroth.
Bald wird das Erdgeschoss für das Publikum geöffnet
Anlässlich der 880-Jahr-Feier (siehe „880 Jahre Vernich“) soll auf jeden Fall schon mal das Erdgeschoss für interessierte Besucherinnen und Besucher geöffnet werden. Hier haben die drei DVV-Männer, deren Verein sich auch im Internet präsentiert, schon kräftig gewerkelt und sortiert. Im Eingangsbereich finden sich Schätzchen und Schätze rund um das religiöse Leben in Vernich.
Wir können in dem kleinen Museum drei komplette Handwerkerarbeitsplätze aus dem alten Vernich zeigen.
Einen Raum weiter ist eine Küche mit altertümlichem Emaille-Herd, antiquarischem Porzellan, Getreide- und Kaffeemühlen, Gläsern mit Eingemachtem sowie typischen Putz- und Kochutensilien aus vergangenen Zeiten. Auf einer Wäscheleine baumelt Weißwäsche, auch selbst gehäkelte Babystrampler, die daran erinnern, wie viel beschwerlicher die Haushaltsführung für vorangegangene Generationen gewesen ist.
„Wir können in dem kleinen Museum drei komplette Handwerkerarbeitsplätze aus dem alten Vernich zeigen“, sagt Karl-Heinz Nauroth, dem die Freude an dem historischen Fundus anzumerken ist: eine Sattler-, eine Schuster- und eine Stellmacherwerkstatt – mit allem, was dazugehört. Darüber hinaus finden sich auch altertümliche Utensilien aus einem Friseursalon sowie ein historischer Postschalter. Und ein alter Zahnarztstuhl mit Bohrer, deren Anblick daran erinnert, dass früher nicht alles besser war. Vorhanden ist auch eine Originalrechnung, auf der Zahnarzt für seine Dienste 504 Pfund Weizen berechnet.
Eine militärische Karte der Amerikaner hat einen hohen ideellen Wert
Einiges in den Vitrinen und an den Wänden müsse noch in den historischen Kontext eingeordnet werden, so der DVV-Vorsitzende und zeigt auf die Sammlung von Orden, die teils aus dem Zweiten Weltkrieg stammen. Hohen ideellen Wert hat auch eine militärische Karte: Diese wurde von der amerikanischen Einheit zurückgelassen, die am 3. März 1945 Klein-Vernich und am 5. März 1945 Groß-Vernich besetzte.

Die Standarte des Radfahrervereins „Frisch Auf!“ ist noch gut erhalten. Andere Stoffexponate bräuchten eine Restaurierung.
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Erinnerungen an die Zeit, als Schuhe noch per Hand angefertigt wurden.
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Der Blick bleibt oft hängen in den üppig bestückten Räumen, weil Erinnerungen an die eigene Kindheit oder das Leben im Haus der Großeltern aufflammen. Es finden sich Puppenstuben, eine Holzburg oder ein komplettes Kasperletheater, aber auch blecherne Henkelmänner und historische Flaschen.
Da viele Vernicher bis in die 1950er-Jahre im Braunkohleabbau gearbeitet haben und laut Nauroth „jeden Morgen zu Fuß nach Liblar zur Arbeit gelaufen sind“, kann man auch einige Sonderbriketts bewundern, die damals gepresst wurden. Auch kleine Bergarbeiterfiguren aus Steinkohlestaub sind zu sehen. „Wir können hier im Museum den Wandel vom kleinen Selbstversorgerlandwirt hin zur industriellen Arbeitskraft aufzeigen“, so Karl-Heinz Nauroth.
Der Verein hofft auf die Hilfe der Vernicher und Vernicherinnen
Nicht alle Exponate können bereits zugeordnet werden. Zum Beispiel eine Bronzeglocke, die im Erdgeschoss an der Wand hängt. „Wir hoffen bei solchen Exponaten auf die Mithilfe von Vernichern.“ Zeitzeugeninterviews sollen in der neuen Ausrichtung des Museumskonzeptes sowieso eine größere Rolle spielen und so noch persönlichere Einblicke in das Leben in Vernich möglichen.
Mithilfe ist aber auch anderweitig gefragt. „Wir haben zwar rund 200 zahlende Mitglieder im Dorfverschönerungsverein, aber nur eine Handvoll Aktive“, sagt Nauroth. „Was wir wirklich brauchen, ist zusätzliche Tatkraft und Know-how.“ Er selber wolle sich, sobald er in Rente sei, noch mehr in die Museumsarbeit stürzen, so dass die Schatzkiste in der Alten Schule möglichst bald wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.
Vernich feiert sein 880-jähriges Bestehen
Die Dorfvereinsgemeinschaft Vernich lädt für Samstag, 27. September, dazu ein, das 880-jährige Bestehen des Weilerswister Ortsteils zu feiern.
Im Jahr 1145 wurde Vernich – damals noch Vaevernich – das erste Mal namentlich erwähnt, Groß-Vernich dann im Jahr 1229 und Klein-Vernich 1332. Die Ortsgeschichte reicht zurück bis in die Eisenzeit. Auch fanden sich zahlreiche römische Siedlungsspuren. Und natürlich hat auch das Mittelalter in Vernich zahlreiche Spuren hinterlassen.
1969 wurde die Ortschaft Vernich dann nach Weilerswist eingemeindet. Heute bilden Groß- und Klein-Vernich sowie Horchheim einen Ortsteil.
Das Fest zum 880-jährigen Bestehen von Vernich, zu dem alle Bürgerinnen und Bürger samt Gästen eingeladen sind, findet ab 14 Uhr an der Alten Schule und an der Hugo-Johann-von-Orsbeck-Grundschule statt. Auf dem Programm stehen Musikbeiträge verschiedener Musikvereine. Kinder dürfen sich auf Hüpfburg, Dosenwerfen und Schminkaktionen freuen. Und natürlich wird der Grill angeschmissen. Außerdem soll es an diesem Tag erstmals wieder Führungen im Heimatmuseum geben.