Seit fast anderthalb Jahren umrundet Florian Berg auf einem Fahrrad die Welt – zurzeit ist er in der Mojave-Wüste in Kalifornien unterwegs.
Weltreise mit dem RadFlorian Berg radelt von Bürvenich aus rund um den Globus

Nur mit ein paar Packtaschen und einem Fahrrad ging es für den Bürvenicher Florian Berg ins Abenteuer „Weltumrundung“.
Copyright: Florian Berg
Für den einen ist es der pure Wahnsinn, für den anderen ein großes Abenteuer – für Florian Berg die Erfüllung seines Traums. Ein Traum, der zugegebenermaßen der pure Wahnsinn und ein großes Abenteuer ist. Der junge Mann aus Bürvenich hat sich vorgenommen, die Welt zu umrunden – mit dem Fahrrad. Mehr als 30 Länder hat der 28-Jährige seit dem Start seiner Reise am 3. März 2024 bereits durchradelt.
Zunächst quer durch Deutschland nach München, dann über die österreichischen Alpen nach Italien, durch Slowenien, den Balkan und Griechenland bis in die Türkei. Es folgten Georgien, Kasachstan, die usbekische Wüste, das Pamirgebirge in Tadschikistan, wo der Bürvenicher mit Mitradlern den 4655 Meter hohen Ak-Baital-Pass bezwang. Weiter durch das saftig grüne Kirgistan, das befremdliche China, dann ein ungeplanter längerer Aufenthalt in Pakistan – „mit Geschichten, die so absurd sind, dass sie mir kaum jemand glaubt“, sagt Berg.
Alles geschieht aus eigener Kraft – ein Gefühl, das unendlich befreit. Und Freiheit ist das Schlüsselwort. Das Fahrrad bringt mich an Orte, die mit anderen Verkehrsmitteln unerreichbar sind.
Dann Indien, Nepal, Vietnam, Laos, Kambodscha, Thailand, Malaysia, Singapur. Teil zwei der Reise begann mit einer 3000 Kilometer langen Durchquerung des glühend heißen Outbacks in Australien im Hochsommer, dann entlang der Ostküste über Sydney, Canberra und Melbourne bis nach Tasmanien, gefolgt vom wunderschön bergigen Neuseeland. Dann ging es durch die Wildnis Alaskas und Kanadas mit ihren gefährlichen Grizzly-Bären zu den Rocky Mountains in den USA.
Bis zu zehn Stunden täglich verbringt Florian Berg auf dem Fahrrrad
Fünf bis zehn Stunden täglich fahre er durch Wind, Kälte, Schnee, Regen, Hitze und Wildnis. „Das alles mit meinem ‚Haus‘ auf zwei Rädern. Aber genau darin liegt der Reiz. Ich bin nicht stolz auf die Anzahl der Kilometer, sondern darauf, dass ich mich täglich neu überwinde, meine Komfortzone verlasse – und über mich hinauswachse“, sagt Florian Berg.

Nichts als Weite – und das Zelt von Florian Berg. Der Bürvenicher durchquerte mit seinem Drahtesel auch die usbekische Wüste.
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Auf der Reise bleibt auch Zeit für „Touri-Fotos“ wie in Auckland.
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Er habe so ziemlich alles erlebt: Wüsten, Tropen, arktische Tundra. Temperaturen zwischen minus 18 und 46 Grad. „Ich weiß, wie sich echter Hunger anfühlt – und richtiger Durst.“ Doch warum all das mit dem Fahrrad? „Weil es Freiheit bedeutet“, so der Bürvenicher. Er schlafe zu 99 Prozent im Zelt, koche eigenes Essen. Ein Monat auf dem Rad koste weniger als seine Miete in Deutschland. „Die größten Ausgaben fallen für Visa und Flüge an, um die Weltmeere zu überwinden – und natürlich für meinen Motor: Essen“, sagt der Zülpicher, der keinen Kilometer seiner Reise mit einem E-Bike zurückgelegt hat. Das sei in den abgelegenen Regionen nicht praktikabel, zudem sei der moderne Drahtesel dort nicht aufladbar. Berg: „Alles geschieht aus eigener Kraft – ein Gefühl, das unendlich befreit.“
Und Freiheit ist das Schlüsselwort. Das Fahrrad bringe ihn an Orte, die mit anderen Verkehrsmitteln unerreichbar seien. Anders als beim klassischen Backpacking umfahre er bewusst die Hotspots, sehe Länder und Kulturen, wie sie wirklich sind. Authentisch, roh, lebensverändernd.
Spuren des Klimawandels werden unterwegs an vielen Orten sichtbar
Rückblick: 2018 absolvierte Berg seine erste Tour, um dem Stress seines Chemiestudiums zu entfliehen, wie er es bezeichnet. Um den Kopf freizubekommen, ging es von Jülich nach Berlin. „Aufgrund meiner Unerfahrenheit war das alles andere als komfortabel. Trotzdem habe ich mich in diese Form des Reisens unsterblich verliebt“, erinnert er sich. Bei einer weiteren Tour durch Schweden, an einem einsamen See, entstand dann die Idee für die Weltumrundung, auf der er sich mittlerweile seit mehr als einem Jahr befindet. „Es ist erstaunlich, wie weit einen zwei Räder, Mut und Neugier tragen können“, sagt Berg.
Ein Jahr habe der Bürvenicher an seiner Reise geplant. Was davon auf der Reise in den vergangenen 15 Monaten geblieben ist – mitunter nur noch der theoretische Plan. Die tägliche Praxis sehe oft anders aus und könne mitunter lebensgefährlich sein. „Weil das Leben sich nicht an Routen oder Zeitpläne hält. Überraschungen machen das Leben spannend, auch wenn sie herausfordern. Doch manchmal bricht alles weg. Manchmal wird es einsam, hart oder beängstigend. Aber gerade in diesen Momenten lernt man, was in einem steckt“, so der Chemiker.
Ein Antrieb für die Weltumrundung sei gewesen, die Welt und Orte zu entdecken, an denen der Klimawandel bereits spürbar sei. „Ich habe gesehen, wie in den unwirtlichsten Gegenden dieser Erde Menschen ihre Heimat verlassen, weil es zu heiß wird. Gletscher schmelzen. Böden trocknen aus. Felder tragen keine Ernte mehr. Wälder brennen“, berichtet er. „Insbesondere Wasser sollten wir nicht als selbstverständlich ansehen. Wasser ist Leben. Wer mit 19 Litern Wasser im Gepäck bei mehr als 40 Grad durch das australische Outback fährt und feststellt, dass nur zwei von acht geplanten Wasserstellen existieren, der lernt: Jeder Tropfen zählt.“
Selbstverständlich in Deutschland, anderswo der reine Luxus
Er habe auf seiner Reise gelernt, dass viele Dinge, die man in Deutschland als selbstverständlich erachte, an vielen Orten der Welt reiner Luxus seien. Er sei auf seiner Reise nach eigenen Angaben vier Naturkatastrophen nur knapp entkommen. „In Deutschland haben wir Versicherungen, Rücklagen und Perspektiven. Menschen in Nepal verlieren alles – und sie sind am wenigsten verantwortlich“, sagt Berg.
Die größten Möglichkeiten für Klimaschutz liegen laut Berg bei Industrie und Politik. Aber auch jeder Einzelne habe die Möglichkeit, etwas anders zu machen. „Die Summe von Millionen kleinen Anteilen ergibt am Ende auch etwas Signifikantes. Doch das erfordert Selbstreflexion und Umstellung. Umstellung bedeutet allerdings nicht automatisch Verzicht. Mal das Fahrrad statt des Autos zu nutzen hat auch gesundheitliche Vorteile.“

Sein Gepäck transportiert Florian Berg in mehren Taschen, die an seinem Reiserad befestigt sind.
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Das musste für die Durchquerung des Outbacks in Australien reichen.
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Der 28-Jährige habe aber auf seiner Reise nicht nur gelernt, demütiger und dankbarer zu sein. Er habe auch viel über Willkommenskultur erfahren. „Ich habe in Asien eine Gastfreundschaft erlebt, die sich viele Menschen in Deutschland nicht einmal vorstellen können“, sagt er. „In den Bergen des Himalaya, auf den Feldwegen Südostasiens, in den Steppen Zentralasiens habe ich vor allem eins erlebt: Menschlichkeit. Herzlichkeit. Bedingungslose Hilfsbereitschaft. Menschen, die Fremde wie Freunde behandeln, und die ärmsten Menschen, die ihr letztes Essen mit einer Person teilen, die sie gerade erst auf der Straße kennengelernt haben.“ Davon könne man sich in Deutschland eine Scheibe abschneiden.
Bürvenicher erlebt große Gastfreundschaft in Pakistan
Einer von vielen Momenten, die er wohl nicht vergessen werde, erlebte der Bürvenicher auf seinem Weg von Islamabad nach Lahore in Pakistan. „Ich wurde an manchen Tagen bis zu 200 Mal eingeladen, bekam Trinken und Essen – selbst wenn ich schon längst versorgt war“, berichtet er. Als er noch auf der Suche nach einem Schlafplatz gewesen sei, habe ein Senior auf einem Mofa neben seinem Fahrrad angehalten. „Er wollte mir ein Wasser kaufen. Alle Erklärungen, dass das nicht nötig ist, waren zwecklos.“
Also folgte er der dem Mann zur nächsten Tankstelle. Dort bat er Berg, ihm auf Hindi einige Sätze nachzusprechen. „Ich hatte keine Ahnung, was ich sagte – aber sprach brav alles nach. Zehn Minuten später klatschte der ganze Tankstellenshop, Menschen lachten, umarmten mich, und ich war einfach nur völlig irritiert, bis ich verstand: Ich war offenbar soeben zum Islam konvertiert“, sagt der Bürvenicher augenzwinkernd. Unbewusst und ohne Absicht. Aber alle seien sich einig gewesen: Das musste gefeiert werden.
„Der ältere Herr meinte, Wasser sei nun nicht mehr genug. Also griff er noch zu Brot – und weil trockenes Brot nicht ausreicht, stellte er ein Glas Nutella dazu. Ich versuchte höflich abzulehnen, doch er ließ sich nicht beirren. Er leerte sein gesamtes Portemonnaie auf den Tresen. Es reichte nicht. Der Rest ging aufs Haus“, erzählt Berg.
Südamerika und Westafrika stehen dem 28-Jährigen noch bevor
Einen Tag später habe er das Nutella-Glas geöffnet. Es war verschimmelt – es habe vermutlich seit Jahren im Regal gestanden, weil sich so etwas dort niemand leisten könne. „Und dennoch: Ich hatte es geschenkt bekommen. Nicht weil ich etwas brauchte, sondern weil ich da war“, so der Bürvenicher, der sich gerade in Kalifornien auf dem Weg durch die Mojave-Wüste nach Las Vegas befindet.
Von dort aus geht es weiter durch die Sonora-Wüste. Dann will der Bürvenicher in Mexiko zunächst der kalifornischen Halbinsel folgen und sich dann seinen Weg bis Ende Oktober nach Panama bahnen – weiterhin alles auf seinem Rad, an dem sechs Packtaschen befestigt sind. Anschließend will er Teile Afrikas entdecken und erleben, ehe er von Spanien aus wieder nach Hause fahren will.
Die kurzzeitige, unbewusste Konvertierung zum Islam sei eine einmalige Sache gewesen, sagt Berg. Ein Plattfuß am Rad allerdings nicht. „Sie lassen sich aber an zwei Händen abzählen – wenn ich den einen Tag in Pakistan ausklammere, an dem ich gleich neun Platte hatte.“
Wer die Fahrt verfolgen will, kann das auf der Social-Media-Plattform Instagram unter @bluemiracle_offical oder auf der Website von Florian Berg tun. Der Blog wird regelmäßig aktualisiert.