Anti-Impf-Demo in LeichlingenWas die Polizei zu den unangemeldeten Protesten sagt

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Protestplakat von Gegendemonstranten bei einer Kundgebung in Opladen.

Leichlingen – Auch in Leichlingen treffen sich Impfgegner und Kritiker der Coronaschutz-Verordnungen zu abendlichen Protestmärschen. Seit wenigen Wochen formieren sie sich montags abends um 18 Uhr zu unangemeldeten Demonstrationszügen und gehen schweigend durch die Innenstadt. Und sie bekommen offenkundig Zulauf. Nach anfangs etwa 50 Teilnehmenden kamen am vergangenen Montag bereits mehr als 80 Gleichgesinnte zu den „Spaziergängen“ zusammen, was für Leichlinger Verhältnisse viel ist.

Keine Plakate, keine Parolen

Wogegen sie antreten, wofür sie demonstrieren, wird Außenstehenden auf Anhieb nicht klar. Denn es gibt keine Plakate, keine Sprechchöre oder Parolen, keine Forderungen, keine Ansprachen, keine öffentlichen Aufrufe, keine Anführer, keine Ordner und erst recht keine Polizeibegleitung. Aber sie sind im Stadtbild inzwischen wöchentlich unübersehbar und reihen sich in die bundesweite Welle der Corona-Demos von Skeptikern der Impfkampagne und Querdenkern ein.

Wer dem stumm vorbeiziehenden Pulk in der Dunkelheit begegnet, fühlt sich an eine Mischung aus Lichter- und Trauerzug erinnert. Manche Passanten sind irritiert bis erschrocken und fragen sich, was die Leute wollen. Viele Mitwirkende haben sich leuchtende Lichterketten um den Hals gehängt, tragen Kerzen und Grablichter vor sich her.

Treffpunkt war am Montag vor dem Rathaus. Von dort aus zogen die Menschen, eine gemischte Gruppe aus Senioren, jüngeren Leuten, Familien mit Kindern, langsamen Schrittes über die Funchal-Brücke zum Marktplatz, durch Brücken-, Garten- und Mittelstraße zum Stadtpark und weiter Richtung Germaniabad. Eine aggressive Stimmung, wie sie andernorts im Lande teilweise zu spüren ist, geht von der Leichlinger Gruppe bisher nicht aus.

Fast 500 allein in Bergisch Gladbach

Die Zahl der Teilnehmenden an den „Montagsspaziergängen“ im Kreisgebiet nimmt von Woche zu Woche weiter zu. Mehr als 800 Menschen, so schätzt die Kreispolizei auf Nachfrage, nahmen an den stillen „Spaziergängen“ teil, mit denen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert werden soll. Vergangene Woche Montag waren es noch rund die Hälfte gewesen.

An die 500 seien allein in Bergisch Gladbach mit Grablichtern, Kerzen und Lichterketten in Richtung Rathaus gezogen, sagte Polizeisprecherin Carina Höfelmanns dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zu den Motiven wollten sich die von der Redaktion angesprochenen Demonstrierenden nicht äußern. „Das ist doch klar“, hieß es kurz von einer Teilnehmerin.

Auch in Overath stieg die Zahl der Teilnehmenden nochmals von 100 auf etwa 130 an, in Rösrath von 35 auf 50. Erneut 100 Teilnehmende waren es laut Schätzungen der Polizei in Wermelskirchen.

Erstmals wurden „Coronaspaziergänge“ aus Leichlingen (80 Teilnehmende) und Burscheid (drei) gemeldet. (wg)

Aber das friedliche Bild kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die als harmlose „Spaziergänge“ getarnten Aufzüge als illegale Demonstrationen gelten. Denn die Leichlinger Märsche sind, wie Polizeisprecher Christian Tholl auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigte, nicht angemeldet. „Das geschieht üblicherweise nicht“, bedauert er mit Blick auf die auch im Rheinisch-Bergischen Kreis immer häufigeren, bislang ohne Ausschreitungen verlaufenen Aktionen.

Diese Protestkundgebungen der schweigenden Minderheit sind erlaubt und müssen nicht genehmigt werden, aber man muss sie vorher anmelden. „Wir sind die Anmeldebehörde“, stellt Tholl für die Polizei klar. Ohne Kenntnis der Aktionen könne man auch nicht für die Sicherheit der Teilnehmer sorgen.

Dass die Fußmärsche anonym, ohne erkennbare Verantwortliche unter dem Radar der Ordnungsbehörden laufen, sei ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Als solcher werde der Protestzug von Montag auch geahndet. Nachdem ein Bürger etwa 40 „Spaziergänger“ beim Vorbeimarsch Am Wallgraben der Polizei gemeldet hat, werde eine Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet.

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Verantwortliche können allerdings kaum belangt werden. Denn wer die Züge organisiert, bleibt ohne Anmeldung im Dunkeln. Die Verabredungen für die Leichlinger Schweigemärsche laufen neben Mundpropaganda offenbar per Handy auch über den Messenger-Dienst Telegram.

Das wie WhatsApp funktionierende soziale Netzwerk ist als Tummelplatz für Verschwörungstheoretiker, Hetzkampagnen, Corona-Leugner und Rechtsextremisten in Verruf geraten. Aus der Blütenstadt hat sich dort eine Gruppe namens „Leichlingen denkt anders“ gegründet, in der rund 150 Mitglieder ihre Meinungen austauschen.

Die Kreispolizei kündigt an, künftig ein Auge auf die Versammlungen zu haben. Nicht um sie zu stoppen oder zu verbieten, das gilt in Abwägung mit dem Recht auf Demonstrationsfreiheit als problematisch, solange es nicht zu Ausschreitungen kommt. Allein die fehlende Anmeldung reicht nicht aus, um die Treffen aufzulösen. Aber eine Streife werde bei den nächsten Montags-Demos nach dem Rechten schauen.

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