„Versagen der Politik“Arztpraxen beklagen mangelhafte Schutzmasken

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Die ihr gelieferten vermeintlichen FFP2-Masken will Dr. Andrea Maaßen nicht für ihre Praxis akzeptieren.

Die ihr gelieferten vermeintlichen FFP2-Masken will Dr. Andrea Maaßen nicht für ihre Praxis akzeptieren.

Leichlingen – Die Kinder- und Jugendärztin Dr. Andrea Maaßen kann nicht mehr an sich halten: „Ich empfinde es als Skandal, dass wir Ärzte immer noch mit mangelhaften FFP2-Masken versorgt werden. Ich empfinde dies als Versagen der Politik, Geringschätzung unserer medizinischen Arbeit »an der Front« und eine Gefährdung des medizinischen Personals.“

Ihren Vorwurf richtet die Ärztin mit Praxis an der Bahnhofstraße in erster Linie an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Diese versorgt die niedergelassenen Ärzte seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März mit zentral beschafften Schutzmaterialien. Ein Angebot, dass die Praxen bisher gern angenommen haben. „Dass ein Fachverband dies mit einem zentralen Einkauf in hoher Stückzahl besser regeln kann, liegt ja eigentlich auf der Hand“, meint die Ärztin, die selbst – wie auch ihre Mitarbeitenden – dringend auf guten Schutz angewiesen ist, der über die einfachen Alltagsmasken hinausgeht und auch die Träger selbst schützen kann.

Abstand halten kaum möglich

Dr. Maaßen: „Wir haben täglich viel Kontakt mit gesunden, symptomfreien Kindern, aber jetzt in den Wintermonaten auch mit kranken, fiebernden und hustenden Kindern, die von ihren besorgten Eltern zu uns gebracht werden. Um zum Beispiel einen Säugling oder ein Kleinkind zu untersuchen, ist stets die unmittelbare Nähe der Eltern notwendig, die das Kind auf dem Arm halten. Die Kinder weinen oder schreien uns nicht selten an, während wir Ärzte sie abhören und Ohren und Rachen inspizieren. Das heißt, bei jedem Untersuchungsgang nähern wir uns den Gesichtern von Kindern und Eltern auf Zentimeter.“

Als „nicht für den medizinischen Gebrauch“ gekennzeichnet sind die von der KV zugestellten Masken aus China.

Als „nicht für den medizinischen Gebrauch“ gekennzeichnet sind die von der KV zugestellten Masken aus China.

Das kann nur mit entsprechender Schutzausrüstung geschehen: „Wir arbeiten seit März nur mit FFP2-Masken, um uns vor Tröpfchen und Aerosolen zu schützen. Ebenso haben wir unsere Medizinischen Fachangestellten angewiesen, bei der Arbeit FFP2-Masken zu tragen. Entnehmen wir Covid-19-Abstriche, legen wir zusätzlich Handschuhe, Visier und Schutzkittel an.“

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Das sollte reichen, sollte man meinen. Doch bei näherer Betrachtung erwies sich das als Etikettenschwindel. Als vergangene Woche wieder eine Lieferung im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) von zweimal 400 Masken eintraf, war keine einzige davon CE zertifiziert. Fernsehberichte in den Tagen zuvor hatten auf Qualitätsmängel chinesischer Masken hingewiesen, die den strengen deutschen Kontrollen nicht genügten. Maaßen: „Auf der Internet-Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind seitenweise ähnliche Produkte aus China als »gefährlich« eingestuft aufgelistet. Ein genaueres Vergleichen der einzelnen Modelle ist schier unmöglich, da es keine genauen Bezeichnungen auf den Verpackungen gibt.“

Masken taugen nicht viel

Maaßens Folgerung: „Die uns überlassenen chinesischen Masken taugen nicht für einen adäquaten Schutz für uns als medizinisches Personal.“ Vielmehr werde öffentlich dazu geraten, diese nicht wirklich schützenden Masken „in die Tonne zu kloppen“.

Kein Einzelfall, wie Anfragen der Leichlinger Kinderärztin bei Kollegen ergaben: „Nur chinesische, nicht-zertifizierte Masken in den Kisten, die auch noch als »non-medical« beschriftet sind“, bekam sie dort zu hören.

Ihre empörte Beschwerde bei der KV, die sie der Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Kopie zugeleitet hat, harrt noch einer Beantwortung. Wir fragten bei der Kassenärztlichen Vereinigung in Düsseldorf nach, die die Beschwerde als „Einzelfall“ einstuft. „Direkt mit Beginn der Krise haben wir in Ermangelung verfügbaren Schutzmaterials damit begonnen, auf einem leer gefegten, komplizierten Markt Schutzmaterial zu besorgen und unsere Mitglieder bei dutzenden Verteilaktionen mit diesem Material zu versorgen, damit sie sich und ihr Personal sowie die Patienten schützen und die ambulante Versorgung aufrechterhalten werden kann“, heißt es in der Stellungnahme. „Diese Aufgabe haben wir aus Verantwortung für die ambulante Versorgung übernommen – eigentlich sind wir dafür nicht zuständig. Die Politik hat erst viel später reagiert. Wir haben in fast 40 Verteilaktionen und -terminen unter anderem bereits rund 20 Millionen Masken und vier Millionen Schutzhandschuhe an unsere Mitglieder im Rheinland verteilt.“

Auch habe man dem Lieferanten vertraut: „Ab dem Frühsommer und bis zum Herbst haben wir Schutzmaterial verteilt, dass von der Zentralbeschaffung des Bundes bzw. des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) geordert und geliefert wurde. Nach unseren Informationen prüft das BMG vor der bundesweiten Weitergabe zusammen mit dem Tüv stichprobenartig bei von ihm getätigten und eingegangenen Bestellungen von Schutzmaterial. Auskunft über den Ablauf dieser Prüfungen und etwaige Zertifikatsnachweise zu Lieferungen des Bundes kann Ihnen das BMG geben.“

In Einzelfällen, in denen es Hinweise auf Materialmängel gegeben habe, sei sofort gehandelt worden: „So wiesen etwa im April ca. 50 000 vom Bund zugelieferte FFP2-Masken im Nachhinein Qualitätsmängel auf. Aufgrund entsprechender Meldungen des europäischen Schnellwarnsystems Rapex konnten wir die fehlerhafte Ware zügig aussortieren und die Ärzte im Rheinland entsprechend informieren. Für bereits ausgegebene »Mängel-Masken«“ haben betroffene Ärzte neue bzw. zertifizierte Ware erhalten, die über die KVNO beschafft wurde und über deren Zertifikate wir verfügen. Grundsätzlich überprüfen wir unsere Wareneingänge regelmäßig auf Basis der tagesaktuellen Hinweise und Angaben von Rapex.“

Dr. Andrea Maaßen hat darin trotzdem kein Vertrauen und hat zertifizierte Masken für sich, ihre Kollegin und die Mitarbeiterinnen auf eigene Rechnung bei der Apotheke ihres Vertrauens bestellt.

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