Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Frank Steffes im Interview„Ich habe immer versucht, mich aus politischen Ränkespielen herauszuhalten“

6 min
Am Freitag, 24. Oktober, hat Frank Steffes seinen letzten Arbeitstag.

Am Freitag, 24. Oktober, hat Frank Steffes seinen letzten Arbeitstag.

Leichlingens scheidender Bürgermeister Frank Steffes spricht im großen Abschiedsinterview über seine Amtszeit, Erfolge und Fehler.

Herr Steffes, fast drei Wochen ist die Stichwahl jetzt her. Wie geht es Ihnen heute?

Steffes: Wer zu einer Wahl antritt, der muss damit rechnen, nicht gewählt zu werden. Das ist in meinem Fall so eingetreten, leider. Ich habe das sehr bedauert und bedauere es noch. Die ersten Tage waren echt schwierig. Ich habe so eine Art Lähmung gefühlt, irgendwie. Auch eine gewisse Leere im Blickfeld. Aber je länger das jetzt entfernt ist, desto mehr merke ich, wie ich mich auch entferne von dem Amt. Ich bekomme immer noch diese ganzen Befindlichkeiten in der Stadt mit. Das geht alles ganz normal weiter. Und ich stelle fest, dass ich froh bin, damit nichts mehr zu tun zu haben. Also man muss sagen, ein lachendes und ein weinendes Auge. Das weinende Auge ist wirklich die Verwaltungsarbeit, die ich sehr gerne gemacht habe und auch viele Repräsentationen. Aber das lachende Auge ist, dass ich mit diesen ganzen Angriffen und Befindlichkeiten echt nichts mehr zu tun haben werde.

Angriffe und Befindlichkeiten woher?

Vor allem Social Media und diese ganzen E-Mails. Und es sind ja wirklich unglaublich viele Kleinigkeiten, über die sich die Menschen aufregen, die überhaupt nicht das abbilden, was eine Verwaltung macht.

Sie sagen, wenn man zur Wahl eintritt, muss man damit rechnen, auch zu verlieren. Haben Sie damit gerechnet?

Dass ich nicht durchmarschiere, war völlig klar. Ich musste damit rechnen. Natürlich bin ich im Grunde davon ausgegangen, wiedergewählt zu werden, weil man das sonst nicht macht. Aber klar, musste ich damit rechnen, es ist eine von zwei Möglichkeiten gewesen.

Warum sind Sie abgewählt worden? Warum haben die Menschen für Maurice Wetter gestimmt?

Das weiß ich nicht. Also man lebt natürlich in einer Blase und alle Leute, mit denen ich rede, die sagen, wie konnte das passieren. Und ich sage, na gut, die Wählerinnen und Wähler haben es halt entschieden. Jemand sagte kürzlich mal zu mir, dass er glaubt, dass es heute keinen Amtsbonus mehr gibt, sondern eher einen Amtsmalus. Und da muss ich sagen, da halte ich es dann mit Henriette Reker, die gesagt hat, der Bürgermeister sei die Projektionsplattform für alles, was schlecht läuft in einer Stadt. Da hat sie völlig recht. Und natürlich kommt dazu, dass im Wahlkampf von den Mitbewerbern auch unglaublich viele Versprechungen gemacht wurden, die jetzt auch nicht eingehalten werden können, weil das völlig klar ist in der Situation, in der wir uns befinden.

Zum Beispiel?

Wir stellen zwei Ehrenamtskoordinatoren ein zum Beispiel, wir stellen noch Wirtschaftsförderer ein, wir stellen dies und wir stellen jenes ein. Wo soll das Geld herkommen? Es ist völlig klar, dass das nicht funktioniert. Auch das Thema mit dem Gebäude an der Wupper wird mir angelastet, was absurd ist. Das ist eine Ratsentscheidung gewesen. Alle haben das verantwortet.

War das anders, als Sie angefangen haben?

Ja. Als ich vor elf Jahren angefangen habe, fuhr die Verwaltung wirklich in einem ruhigen Fahrwasser. Es war eine ruhige Zeit. Wir hatten einige Neubauten gemacht, die Mensa, Schulanbauten und so weiter. Wir hatten aber keine großen Probleme, keine Krisen. Und mit meinem Amtsantritt, kann man sagen, begannen wirklich viele Probleme. Wir hatten den Wassereinbruch in der Turnhalle schon 2014. 2015 war die erste große Flüchtlingswelle. 2018 dieses Starkregenereignis. 2020 Corona. 2021 der Krieg. 2023 Cyberangriff.

Und wieso ist währenddessen der Bürgermeister zur Projektionsfläche geworden?

Ich glaube, Social Media spielt eine große Rolle. Früher war das einfach anders. Da haben sich die Leute vielleicht über eine hochstehende Gehwegplatte aufgeregt. Und sie haben gesagt: Wenn ich nach Hause komme, schreibe ich dem Bürgermeister. Also sie zu Hause waren, hatten sie das wieder vergessen. Das hat sich alles verändert durch Social Media. Man kann sofort seinem Ärger Luft machen. Und viele andere sehen das und spielen mit.

Werfen wir einen Blick auf Ihre Amtszeit. Gibt es Entscheidungen, die Sie als persönliche Erfolge betrachten?

Ich glaube, ich habe gemeinsam mit dem Stadtrat eine ganze Menge bewegt in der Stadt. Nehmen wir mal zum Beispiel schnelles Internet. Wir sind da relativ weit. Nehmen wir mal die neue Turnhalle in der Balker Aue. Nehmen wir mal die Sanierung des Hallenbades. Drei neue Kitas. Das sind eine ganze Menge wichtige Erfolge.

Sind die Erfolge in der Bevölkerung angekommen?

Jedenfalls wurde es nicht durch eine Wiederwahl honoriert. Das Problem ist, die Leute sehen die Erfolge nicht. Die Leute sehen nur noch das Negative. Wir haben eine Kita-Abdeckung von mittlerweile so gut wie 100 Prozent. Und alle sagen im Wahlkampf: mehr Kitas. Da wird also oftmals sozusagen Unzufriedenheit generiert.

Gibt es da einen Ausweg?

Mehr Ehrlichkeit.

Von wem?

Nicht nur von der Verwaltung, sondern auch von der Politik. Mehr Ehrlichkeit im Umgang mit der Bevölkerung, in der Kommunikation, auch im Wahlkampf. Nicht immer nur Versprechungen. Das führt sonst zu Politikverdrossenheit. Und wenn da gesagt wird, wir wollen die Grundsteuer nicht erhöhen – wie kann man sowas sagen? Ja, wir wollen sie nicht erhöhen. Aber das suggeriert natürlich, sie werden sie nicht erhöhen. Aber das kann überhaupt keiner sagen. Ich halte das nicht für gut.

Gibt es Dinge, die Sie als Fehler in den vergangenen elf Jahren bezeichnen würden?

Ein Fehler war, dass wir 2019, weil ich sparen wollte, 80.000 Euro gespart und die Holzbrücke gesperrt haben. Weil wir dachten, das geht schnell. Aber es ging ja nicht schnell. Da wollte ich Geld sparen. Das würde ich nicht wieder tun.

Was hätten Sie denn jetzt noch persönlich gerne umgesetzt?

Ich hätte mich sehr gerne jetzt noch mit dem Schulzentrum beschäftigt. Und natürlich mit der Situation mit dem Rathaus – mit diesen ganzen PCB-Geschichten. Wobei ich auch überhaupt nicht abschätzen kann, wie das funktionieren soll und wird.

Finanziell?

Ja. Die Stadt alleine kann es wohl nicht leisten. Es gibt aber keine Zuschüsse.

Und dann?

Na eben, gute Frage. Da sind jetzt die Kommunalpolitik und auch der neue Bürgermeister gefordert, möglicherweise mit dem Land in Gespräche zu gehen.

Wie bewerten Sie die Kommunalwahlergebnisse insgesamt?

Es gibt eine Zersplitterung, die Zusammenarbeit wird schwieriger werden.

Noch schwieriger?

Ja, das wird noch schwieriger werden. Ich kenne allerdings die Gespräche nicht. Ich weiß zwar, dass alle miteinander sprechen, aber ich bin da nicht beteiligt. Ich persönlich bin kein Freund von Koalitionen, aber ob da was kommt, weiß ich nicht.

Sie standen auf der Reserveliste der SPD. Werden Sie ihr Ratsmandat annehmen?

Das habe ich noch nicht entschieden.

Glauben Sie, Sie könnten nur noch Beobachter der Politik sein?

Das ist eine gute Frage. Wenn mich jemand um Rat fragt, dann würde ich ihm wahrscheinlich eine Antwort geben. Aber ich würde mich dann nicht aktiv beteiligen.

Glauben Sie, es würde Ihnen schwerfallen, sich rauszuhalten?

Nein, das würde mir nicht schwerfallen. Da würde ich mich emotional echt lösen.

Sind Sie schon dabei?

Von den Kollegen nicht. Das ist etwas, was mir sehr schwerfällt, den Kontakt zu den Kollegen im Haus zu verlieren. Das tut auch ein bisschen weh, weil man ja doch sehr vertrauensvoll wirklich viele Jahre mit den meisten zusammengearbeitet hat. Aber diese politische Ebene, da habe ich mich im Grunde fast schon emotional gelöst.

Das ging dann relativ schnell.

Ja, sagen wir mal, so richtig gelöst noch nicht. Aber ich war nie jemand, der Vollblut-Politiker war als Bürgermeister. Sondern ich war immer eher der Verwaltungsmensch. Ich habe immer versucht, das Schiff zu steuern und mich aus politischen Ränkespielen herauszuhalten. Ich habe immer versucht, auf der Sachebene zu bleiben und eben auch die Verwaltung zu schützen. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen.

Aber wenn wir jetzt so sprechen, höre ich schon Emotionalität heraus.

Klar, es ist schon ist eine persönliche Bindung da, von der man sich dann ja erst mal lösen muss.

Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?

Die letzte Woche im Oktober bin ich im Urlaub. Also nächste Woche Freitag, 24. Oktober.

Was macht Frank Steffes ab dann?

Das weiß ich noch nicht. Möglicherweise ist es etwas, was mit Kommunen zu tun hat, aber von der anderen Seite. Vielleicht auch etwas ganz anderes.

Aber schon noch beruflich?

Ja, so üppig ist die Pension nicht, die man nach elf Jahren bekommt. Ich war ja vorher kein Beamter.