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Abtreibungsberatung in Leverkusen„Die Frauen wissen, was es bedeutet, ein Kind zu haben“

4 min
Pro Familia Leverkusen, Pia Heck (Blond, Leiterin) mit Miriam Pouget (dunkelhaarig, Frauenärztin)

Pro Familia Leverkusen ist eine staatlich anerkannte Beratungsstelle, die zum Thema Schwangerschaftsabbrüche berät: Leiterin Pia Heck (rechts) mit Frauenärztin Miriam Pouget (links)

Warum wollen Frauen aus Leverkusen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen? Zwei Beraterinnen von Pro Familia berichten.

Ungewollt schwanger und dann? Wer sich zum Thema Schwangerschaftsabbruch informieren möchte oder einen Beratungsnachweis vor einem medizinischen Eingriff präsentieren muss, kann in Leverkusen zu zwei Vereinen gehen: neben der Arbeiterwohlfahrt ist das Pro Familia in der Nobelstraße in Wiesdorf. Beide Organisationen sind staatlich anerkannte Beratungsstellen. 322 Beratungsgespräche führte Pro Familia im vergangenen Jahr durch – bei 841 Beratungen insgesamt macht der Bereich mehr als ein Drittel aus.

Zum Schutz der Frauen und Mitarbeitenden wurde vergangenes Jahr auf Bundesebene ein Gesetz gegen „Gehsteigbelästigung“ beschlossen, das Anfeindungen oder aggressive Abtreibungsgegner vor den Eingängen verhindern soll. Solche Anfeindungen gebe es in Leverkusen glücklicherweise bislang nicht, sagt Pia Heck, und die Erleichterung ist ihr anzumerken. Die 58-Jährige leitet seit 14 Jahren den Pro-Familia-Standort in Wiesdorf und berät mit ihrem Team Frauen oder selten auch Paare, die mit einer unerwünschten Schwangerschaft konfrontiert sind.

In solchen Fällen zählt Schnelligkeit: „Manche kommen direkt vom Frauenarzt oder der Frauenärztin“, erklärt die Sexual- und Sozialpädagogin. Der Hauptgrund sei bei vielen „die abgeschlossene Familienplanung“. Dazu passen allgemeine Zahlen, dass Schwangerschaftsabbrüche bei Frauen bis 25 Jahren deutlich rückläufig sind, und sie eher zwischen 30 und 40 durchgeführt werden. „Die Geburtenfolge ist bei manchen zu schnell, sie sagen: Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell wieder schwanger werden würde“, hat Pia Heck schon gehört. Oder: „Wir wissen schon mit zwei Kindern am Ende des Monats nicht mehr, was wir auf den Tisch bringen sollen.“

Leverkusen: Die Mehrheit der Frauen hat sich schon entschieden

Dass Schwangerschaftsabbrüche viel mit abgeschlossener Familienplanung zu tun haben, kann Miriam Pouget bestätigen: Die Gynäkologin ist eine von vier Menschen, die die Konfliktberatung machen. Sie sagt: „95 Prozent der Frauen sind schon entschieden und wollen das Kind nicht.“ Nur wenige seien sich unsicher. Die Hälfte der Frauen, die zu ihnen kommen, hätten bereits ein Kind oder mehrere: „Sie wissen, was es bedeutet, ein Kind zu haben.“ Und es klingt banal: Aber auch die aktuell angespannte Wohnungssituation spiele eine große Rolle. „Wir hören häufig von den Menschen: Wir wollen in der Wohnung bleiben.“ Einige wollen ihren Kindern auch weiterhin Einzelzimmer und Urlaub bieten, „eigentlich brauchen mich die Kinder, die ich schon habe“, hört Pouget in ihren Gesprächen.

Auch, wenn durchaus viele ungewollte Schwangerschaften in sozioökonomisch schwierigen Lebenslagen vorkämen, beobachten die Beraterinnen, dass Geld für eine Entscheidung nicht den Ausschlag zu geben scheint. Die 38-jährige Miriam Pouget zitiert eine groß angelegte Studie zum Thema („Elsa“), laut der so gut wie alle Frauen auf die Frage, ob eine andere finanzielle Situation etwas an der Entscheidung ändern würde, mit „Nein“ geantwortet hätten. „Da rutschen andere Fragestellungen mit rein.“

Leverkusen: Zahl der behandelnden Mediziner sinkt

Grundsätzlich sei Leverkusen gut versorgt, was Orte betrifft, wo Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Was den Beraterinnen allerdings Sorgen macht, ist, dass die Zahl der Ärzte, die Eingriffe vornehmen, immer weiter zurückgeht – vor allem derjenigen, die operative Abbrüche ambulant anbieten. Das gilt als eher schonender Eingriff im Gegensatz zum medikamentösen: Bald nach dem ambulanten Eingriff können die Frauen die Praxis verlassen, die Abtreibung mit einer sogenannten Abtreibungspille dagegen zieht sich über mehrere Tage und gilt als psychisch herausfordernder. In Leverkusen gebe es im gesamten Stadtgebiet vier Ärzte und das Klinikum in Schlebusch, die grundsätzlich Eingriffe vornehmen, von den Ärzten würden nur zwei die operative Methode anbieten, erklären Pia Heck und Miriam Pouget. „Viele Ärzte wollen bei dem Thema nicht tätig werden“, sagt Heck.

Pro Familia Leverkusen: im Beratungszimmer

Pro Familia Leverkusen: 322 Beratungsgespräche haben die Expertinnen im Jahr 2024 durchgeführt.

Die meisten Frauen oder Paare, die sich bei Pro Familia beraten lassen, kommen aus Leverkusen, wenige aus der näheren Umgebung. Wie sich die Personen nach dem Gespräch entschieden haben, ob sie tatsächlich ihr Kind abgetrieben haben, erfahren die Beraterinnen nicht. Sie beraten ergebnisoffen, das ist wichtig, das betonen sie. „Einmal kam eine Mail von einer Frau“, erzählt Pia Heck. „Sie schrieb: Ihr Sohn sei jetzt fünf. Damals hätte sie sich das nicht vorstellen können, die Schwangerschaft auszutragen.“