Bayer 04Die unzerstörbare Erinnerung an einen großen Tag in Leverkusen bleibt

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Choreografie der Fans von Bayer 04 Leverkusen vor dem Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen die AS Rom in der Bay-Arena.

Choreografie der Fans von Bayer 04 Leverkusen vor dem Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen die AS Rom in der Bay-Arena.

Bayer 04 Leverkusen ist zwar in der Europa League gescheitert, aber der Tag des Halbfinal-Rückspiels wird in die Leverkusener Historie eingehen.

Als die Nacht über Leverkusen hereingebrochen war, weit nach null Uhr, da war immer noch ein wenig Leben rund um die Bay-Arena. Im Innern des Stadions hatte gerade Roms Trainer José Mourinho die versammelte Journaille eine gute Stunde warten lassen und dann zu einem knapp zehnminütigen Monolog ausgeholt, in dem die Wörter „Stolz“, „Mentalität“, „fantastisch“ und „episch“ vorgekommen waren.

Außerdem hatte der neben Manchesters Pep Guardiola derzeit wohl populärste Trainer der Fußballwelt, Spitzname „The Special One“, den Schiedsrichter für seine ruhige und souveräne Art der Spielleitung gelobt – womit Mourinho den ganzen Abend in etwa komplett anders als sämtliche Leverkusener Beteiligten bewertete.

Wiedergeburt des Catenaccio

Einer davon war Bayer-Fan Björn Stauf, der auf dem späten Weg zum Auto unter der Stelze sagte: „Was hat Rom da für eine miese... Naja, Sie wissen schon, was ich meine... abgezogen“ Mit drei gefühlt-gehörten Ausrufezeichen am Ende des Statements. Wie ein Rohrspatz schimpfte er auf die Italiener, die bei diesem Halbfinale der Europa League tatsächlich den berühmt-berüchtigten und längst totgeglaubten Abwehrriegel alter Schule, den Catenaccio, wieder aus der fußballhistorischen Versenkung geholt hatten, um ein „dreckiges“ 0:0 zu holen und weiterzukommen.

Neben Björn stand ein Mann im Dunkel der Nacht und hielt ein Schild hoch, auf das er mit schwarzem Filzstift gekritzelt hatte: „Suche gebrauchte Original-Eintrittskarten.“ Ein Sammler der letzten Erinnerungsstücke an ein Spiel und vor allem an einen Tag, der Leverkusen trotz des tragischen Ausgangs lange in Erinnerung bleiben wird.  

Halbfinale Europa League Rückspiel Bayer 04 Leverkusen AS Rom, Sergio, Emanuele, Johnny, Mino, Vito (v.r.).

Die Romanisti, hier Sergio, Emanuele, Johnny, Mino, Vito (v.r.) vom „Roma Club Lucania“ aus Süditalien, trafen sich in Wiesdorf.

Denn ehe die Roma die Party der Werkself und ihrer Fans empfindlich gestört hatte, war die Stadt in eine selten erlebte Ekstase gefallen. Das Finale hatte gerufen. Während sich in Wiesdorf rund um die Rathausgalerie Hunderte Fans der Roma – angereist aus allen Teilen Europas, vom „Roma Club Bristol“ in England bis zum „Roma Club Lucania“ aus Süditalien – versammelt hatten, um in der Eisdiele Kölsch zu kaufen, bei „Mille Lire“ Pizza zu essen und dabei ab dem Nachmittag mehr und mehr Schlachtgesänge anzustimmen, war Opladen der Ort all jener gewesen, die es mit der Werkself halten.

Leverkusen: „Großes Kino“ in Opladen

Die aktive Fanszene rund um den Zusammenschluss  „Nordkurve“ hatten vor der Aloysius-Kapelle eine Party mit Bühnenprogramm organisiert – und das binnen nur weniger Tage, da man eigentlich die letztlich den Romanisti vorbehaltene City zur Riesenrudel-Bildung hatte nehmen wollen, ehe die Polizei dem Plan einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte.

Wobei das am Ende keinen Menschen mehr juckte, denn auch in Opladen war die Stimmung derart gut, dass Daniela Frühling, Leiterin des Fanprojektes Leverkusen, konstatierte: „Ich bin seit zwölf Jahren im Fanprojekt, aber sowas wie hier habe ich in der ganzen Zeit noch nie erlebt. Das ist wirklich ganz großes Kino, was die Ultras hier auf die Beine gestellt haben.“ Und da sollte der Fanmarsch zum Stadion, der dortige Empfang der Mannschaft sowie die Choreografie und die gewaltige Unterstützung im Stadion ja erst noch folgen.

Bayer-04-Fans zünden Pyro, während sie auf den Mannschaftsbus warten.

Pyro-Show am Stadion: Die Bayer-04-Fans zündeten ordentlich, als sie vor dem Spiel auf den Mannschaftsbus warteten.

Pyro-Nebel und Knallsalven

Und zwar mit, salopp gesagt, einem Knall und fünf Sternchen: Der Lindwurm der in rote Spiel-Shirts gekleideten Bayer-Fans zur Arena war friedlich und euphorisch verlaufen. Der Mannschaftsbus war im Pyro-Nebel verschwunden und begleitet von dröhnenden Knallsalven und Fangesängen die Bismarckstraße entlanggefahren. Und kurz vor Anpfiff hatten sich dann Nord- und Ostkurve in den Schauplatz einer Choregraphie verwandelt, mit der die Fans die Mannschaft auffordern wollten, zu den Sternen zu greifen.

Kurzum: Es waren historische Stunden für die Stadt und ihren Fußballverein gewesen. Catenaccio hin, Ausscheiden aus dem Europacup her. Es besteht kein Zweifel: Die Erinnerung daran dürfte sich ins kollektive Gedächtnis der Fans eingebrannt haben. Und die kann am Ende noch nicht mal ein „Special One“ mit seiner sehr speziellen Taktik verhunzen.

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