Holocaust-AugenzeugeSchüler vor Rassismus gewarnt

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Sally Perel bei seiner Lesung in der Marienschule in Opladen.

Sally Perel bei seiner Lesung in der Marienschule in Opladen.

Leverkusen – Nicht jeder fand einen Sitzplatz. Schon bevor Sally Perel die Aula der Opladener Marienschule betrat, war der Saal überfüllt. „Unsere Schüler können das wertschätzen“, erklärt ein Lehrer – stimmt. Sally Perel, das ist einer der letzten Zeitzeugen, die vom Holocaust erzählen. Nicht als etwas Fernes, Gewesenes, sondern als etwas lebendig Erlebtes.

„Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer“, das habe mal Steven Spielberg gesagt. So beginnt Sally Perel seine Lesung. Er weiß, dass er etwas zu sagen hat. Ungeheuer lebendig spricht er mit seinen 94 Jahren von Menschen, die den Holocaust bewusst leugnen: „Das sind Verbrecher! Wir Juden werden Auschwitz nie loswerden, es wird uns immer verfolgen.“ Die Schülerinnen und Schüler hängen dem Buchautor sofort an den Lippen. Wenn er erzählt, dass anderthalb Millionen jüdische Kinder in Auschwitz verbrannt wurden, dann ist im Saal der eigene Atem zu hören.

Perel, so erzählt er, erlebte das Verbrechen nicht unter Juden, sondern „unter den Feinden. Für mich waren das keine vier Jahre, sondern vier Ewigkeiten.“ Es ist eine außergewöhnlich persönliche Lesung, Sally Perel erklärt offen, dass er zu einem „jungen Nationalsozialisten“ wurde: „Den Nazis ist es gelungen, mein Gehirn zu vergiften. Ich fing an, mich zu fragen: Warum bin ich als Jude geboren?“ Auch Jahrzehnte später steht Perel der Schrecken des Nationalsozialismus ins Gesicht geschrieben: „Wir in der Hitlerjugend wurden zum Hass erzogen!“ Er beschreibt sich rückblickend als „Jude und Nazi, Täter und Opfer in einem Körper.“

Der 94-Jährige warnt eindringlich vor politischen Strömungen, die mit Ausgrenzung Politik machen: „Damals waren es die Juden, heute sind es auch andere Minderheiten.“ Auch im hohen Alter bewegen Perel jene existenziellen Fragen. „Glaube an Gott, dann wird dich Gott immer beschützen, das waren die Abschiedsworte meines Vaters. Damals glaubten Millionen Juden so. Wie geht das mit Gott zusammen, war Gott auch in Auschwitz? Ich glaube nicht.“ Die Botschaft seiner Mutter war eine andere: „Du sollst leben!“ Und so beschloss Perel, sich zu tarnen. Dass er nie erkannt wurde? „Ein Wunder“. „Ich liebe die heutige deutsche Jugend“, sagt Perel. Er freue sich über Freundschaftsanfragen auf Facebook. Es gelingt ihm gut, das schwere, ernste und persönliche Thema zugänglich darzustellen. Nach 90 Minuten beendet er seinen Auftritt mit einem Appell: „Jugend muss kritisch denken. Das Erinnern bekommt erst in der Aktualität einen Sinn. Ihr hört heute den letzten Zeitzeugen, ab jetzt seid ihr selbst Zeitzeugen. Diesen AfD-Leuten darf es nicht gelingen, den Holocaust als Lüge darzustellen.“

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