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ForumJugendorchester bringt Frühlingsgefühle und Albträume nach Leverkusen

2 min
Landesjugendorchester NRW

Das Landesjugendorchester NRW bringt Schumann und Strawinsky jung ins Forum Leverkusen.

Ein Jugendorchester wagt sich im Forum an ein Jahrhundertwerk, das einst einen Skandal auslöste. 

Ein Abend zwischen Euphorie und Beklemmung. Schumanns „Frühlingssinfonie“ eröffnet den Abend im Forum. Rund achtzig junge Musikerinnen und Musiker im Alter zwischen 14 und 23 Jahren des Landesjugendorchesters NRW sitzen auf der großen Bühne. Das Motto des Abends lautet etwas sperrig: „Naturbetrachtung statt Menschenopferung“.

Mit Schumanns erster Sinfonie in B-Dur, Opus 38 beginnt der Abend aber heiter. Schon die ersten Takte entfalten diesen Überschwang, den Schumann selbst als „Frühlingsdrang“ bezeichnet hat – ein unbändiges Gefühl von Aufbruch und Natursehnsucht. Dirigent Sebastian Tewinkel formt die Musik schlank und klar. Und doch blüht sie in den „Tutti-Stellen“ – so nennt man die Passagen, in denen das gesamte Orchester gemeinsam spielt – wie ein musikalisches Blumenfeld. Man spürt, dass hier Jugendliche spielen, für die Frühling nicht Metapher, sondern Gegenwart ist – voller Energie, ungestüm, optimistisch.

Strawinskys „Sacre du Printemps“

Natur, Rausch, Opfer: Die Stimmung verdunkelt sich nach der Pause. Mit Igor Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ – 1913 uraufgeführt und damals ein Skandal, weil das Publikum die ungewohnten Rhythmen und Dissonanzen nicht ertrug – zieht eine andere Welt in den Saal: Elementar. Brutal. Rhythmisch. Gnadenlos. Die Streicher rattern, die Bläser schmettern, das Schlagwerk donnert – als wäre die Erde selbst in andere Bewegung geraten. Tewinkel treibt das Orchester durch abrupte Taktwechsel, die für Musiker extrem schwer präzise zu treffen sind – die Jugendlichen meistern dieses Mammutwerk mit Präzision. Der Kontrast zu Schumanns Naturidyll ist unüberhörbar und bringt zum Nachdenken, ebenso wie zum Staunen.

Die Bläser schmettern

Als das letzte Schlagwerk verhallt, hält das Publikum kurz die Luft an, bevor der Applaus wie eine Welle losbricht. Schumann, Strawinsky, Frühling und Albtraum – an diesem Abend wächst alles zusammen. Während Strawinskys Maschinenrhythmen den Atem rauben – eine Musik, die von der Industrialisierung inspiriert ist und fast mechanisch pulsiert – schwingt unweigerlich die Gegenwart mit: Klimakrise, digitale Beschleunigung, Protestbewegungen.

Dass dies nicht ein etabliertes Spitzenorchester, sondern ein Jugendorchester leistet, gibt dem Ganzen eine besondere Schärfe. Zum Abschluss wird dann erst noch einmal aus dem Orchester ein Chor. Was bleibt, ist das Gefühl, dass die Musik nicht nur Vergangenheit beschwört, sondern Zukunft entwirft.