Interview mit Karl Lauterbach„Das Jahr wird den Lauf der Geschichte beeinflussen“

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Karl Lauterbach steht am Hintereingang des Leverkusener Forums.

Karl Lauterbach verteidigt seine Krankenhausreform.

Der Bundesgesundheitsminister und Leverkusener Abgeordnete spricht über seine Krankenhausreform, Vertrauen in Politik und den Autobahnausbau in Leverkusen.

Herr Lauterbach, das Jahr 2023 ist gerade zu Ende gegangen. Sind sie mit einem guten oder schlechten Gefühl ins Jahr 2024 gestartet?

Lauterbach: Mit einem gemischten. Denn es ist klar, dass das Jahr ein historisches werden wird. Ein Drittel der Welt steht vor wichtigen Wahlen und Grundsatzentscheidungen: die USA, Indien, Russland, die EU. Das Jahr wird den Lauf der Geschichte beeinflussen, mitten in einer Zeit des Umbruchs, mit neuen Technologien.

Welche meinen Sie zum Beispiel?

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Nehmen Sie Künstliche Intelligenz. Ich bin in dem Bereich auch in Kontakt mit führenden Wissenschaftlern. Es geht einerseits um Möglichkeiten, zum Beispiel bei der Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmethoden. Andererseits aber auch um Gefahren. Eine solchen technologischen Umbruch hatten wir wahrscheinlich zuletzt bei der Entdeckung der Kernschmelze.

KI macht aber vielen Menschen Angst. Wie wollen Sie die den Menschen nehmen?

Der Kern ist gute Politik. Es ist unsere Aufgabe, Menschen vor Gefahren zu schützen und Fortschritt zu ermöglichen. Es kann nicht sein, dass jede Form von KI ohne Regulation erlaubt wird.

Gesundheitsminister räumt schlechte Kommunikation ein

Haben die Menschen denn überhaupt noch Vertrauen in die Politik? Schauen Sie sich die jüngsten Wahlergebnisse an …

Das müssen wir dann ändern, durch gute Gesetze und eine gute Kommunikation. Das ist uns in der Ampel-Koalition leider nicht immer gelungen.

Sie spielen damit auf die öffentlichen Streitereien an, die ihren Höhepunkt in der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz hatte. Wie haben Sie sich wieder zusammenraufen können?

Die Bevölkerung hat ein Recht, ohne andauernden Streit regiert zu werden. Die Bürger können verlangen, dass Konflikte weitgehend intern geregelt werden. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht kontrovers diskutieren. Letztlich schadet öffentlicher Streit der Demokratie. Populisten nutzen öffentlich ausgetragenen Streit als Zeichen der Schwäche der Demokratie.

Kommen wir zu Ihrem Ressort: Wieso ist die von Ihnen auf den Weg gebrachte Krankenhausreform Ihrer Meinung nach so wichtig?

Erst einmal: Es gibt ja keinen Dissens darüber, dass die Reform notwendig ist. Wenn sie nicht kommt, ist das Krankenhaussterben nicht aufzuhalten. Das jetzige System ist krank! Die Krankenhäuser machen Gewinn, die medizinische, eigentlich überflüssige Leistungen häufig und so billig wie möglich anbieten. Und es verursacht fast regelhaft Defizite bei denen, die nur notwendige, aber dafür gut gemacht Leistungen anbieten.

In diesem Jahr müssen wir Krankenhäuser noch unterstützen, um weitere Insolvenzen zu verhindern.
Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister

Kritik kam von den Ländern ...

Wir haben gestritten, aber in der Sache. Auch die Länder wollen die Reform und sind konstruktiv.

Wann kommt das Gesetz?

In diesem Jahr müssen wir Krankenhäuser auf jeden Fall noch unterstützen, um weitere Insolvenzen zu verhindern. Aber ich hoffe, bis Ostern haben wir das gesamte Gesetz stehen.

Ein Gedanke der Reform ist auch, mehr ambulant statt stationär zu machen.

Vieles, was wir in Deutschland machen, wird nur noch hier so oft stationär gemacht. Es kann nicht sein, dass Ärztinnen und Ärzte angewiesen werden, zu operieren, damit das Krankenhaus Geld verdient, obwohl es nicht notwendig ist. Es muss weniger um ökonomische und mehr um medizinische Anreize gehen.

Kritik von Leverkusener Apothekern

Zuletzt hatten sich Leverkusener Apotheker an die Öffentlichkeit gewandt und Kritik an Ihren Plänen geübt, die Gründung von Filialapotheken zu erleichtern, die keine Not- und Nachtdienste leisten müssen. Sie befürchten, dass die Wege zu den Notapotheken weiter werden. Was entgegen Sie denen?

Klar ist: Die Notdienste müssen gewährleistet sein. Und grundsätzlich haben die Apotheker recht: Wir brauchen mehr Apotheken. Wir werden die Notdienste auch jetzt besser bezahlen. Aber es ist unbestreitbar, dass es durch die Filialapotheken auch mehr Apotheken geben wird, ein wichtiges Ziel. Die sind dann zum Teil per Telepharmazie an die Hauptapotheken angeschlossen. So können sie zeitweise aus den Hauptapotheken unterstützt werden. Neben der Telemedizin brauchen wir auch Telepharmazie.

Das St.-Remigius-Krankenhaus in Opladen steht vor der Übernahme durch die Alexianer GmbH aus Münster, viele in der Stadt – unter anderem der Oberbürgermeister – würden sich eine Fusion mit dem Klinikum wünschen. Wie stehen sie dazu?

Als Bundesgesundheitsminister will ich mich in kommunale Prozesse nicht zu sehr einmischen. Das Wichtigste ist, dass die gut ausgebildeten Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte in Leverkusen bleiben. Aber so viel: Ich hätte eine Fusion mit einer Aufteilung der Leistung und einer damit einhergehenden Spezialisierung wie der OB auch charmant gefunden.

Wird die Megastelze nach Leverkusen kommen?

Ich befinde mich in einem guten Austausch mit Verkehrsminister Volker Wissing. Er steht der Frage offen gegenüber und bewegt sich durchaus. Ich bleibe dabei: Ein solcher Megaausbau mit achtspuriger Autobahn in der Stadt wird einem künftigen Bedarf nicht gerecht. Wir brauchen die Energiewende und die Verlagerung des Transports auf die Schiene. Eine unterirdische Tunnellösung im Stadtgebiet der A1 wäre aus meiner Sicht ein Gewinn.

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