Ben Hawighorst ist mit zehn Jahren vom SSV Lützenkirchen zu Bayer 04 gewechselt. Heute ist er 17, Jugendnationalspieler und stand schon im Kader der Bundesligamannschaft. Ein Gespräch über Heimat- und Fußballliebe.
Ben Hawighorst„Mein Ziel: Fußballprofi, am liebsten in Leverkusen“

Nachwuchsfußballer Ben Hawighorst in der Bay-Arena
Copyright: Stefanie Schmidt
Wir haben viele Kinderfotos, wie ich mit einem Jahr in Fußballtrikots auf dem Wickeltisch liege. Aber meine eigene erste richtige Erinnerung ist wahrscheinlich mein erstes Fußballspiel mit dem SSV Lützenkirchen. Das war mit sechs Jahren, damals gegen den größten Konkurrenten Quettingen. Daran erinnere ich mich.
Sie haben beim SSV Lützenkirchen angefangen, Fußball zu spielen, dort sind die Talentscouts von Bayer 04 Leverkusen schnell auf Sie aufmerksam geworden.
Ja, ich habe mit fünf oder sechs Jahren angefangen und kurze Zeit später haben Leverkusener Scouts meine Eltern angesprochen. Ich bin dann auch zum Probetraining gegangen. Aber als ein zweites Probetraining anstand, damals für die U8, stand ich zu Hause und habe zu meiner Mutter gesagt: Ich möchte da überhaupt nicht hin. Ich wollte weiter mit meinen Freunden kicken und in Lützenkirchen bleiben. Zu dem Zeitpunkt war mir noch überhaupt nicht bewusst, was ein Nachwuchsleistungszentrum ist, und was es bedeutet, in so einem Team und für so einen Klub zu spielen. Da ging es mir einfach nur darum, mit meinen Freunden weiter Spaß zu haben. Das war ja der Hauptgrund, warum ich mit Fußball angefangen habe.
Und das haben Ihre Eltern unterstützt?
Ja, voll und ganz. Der Klub ist weiter mit meinen Eltern in Kontakt geblieben, aber sie haben gesehen, dass ich so viel Spaß habe, mit meinen Freunden zu spielen. Deswegen haben sie das erst mal von mir ferngehalten. Bis zur U10. Dann haben sie mir das noch mal erzählt und ich habe noch mal ein Probetraining gemacht. Zu der Zeit wusste ich dann auch, was Bayer Leverkusen ist und welch große Chance das ist. Dann hatte ich da auch Lust drauf und bin das Abenteuer eingegangen.
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Ben Hawighorst, Nachwuchsspieler von Bayer 04 Leverkusen.
Copyright: Stefanie Schmidt
Wie war das dann, der Schritt vom Dorfverein zum großen Verein der Stadt?
In den ersten Jahren wurde Druck von uns ferngehalten, das war kein Problem. Auch meine Eltern haben nie Druck ausgeübt, die meinten immer: Mach, worauf du Lust hast. Der große Unterschied war, dass die Freunde einfach nicht mehr da waren. Der Wechsel im Verein fiel auch mit dem Wechsel auf die weiterführende Schule zusammen. Das heißt, am Anfang ist so ein wenig das ganze persönliche Umfeld weggebrochen. Da habe ich schon ein bisschen Zeit gebraucht, um mich wieder wohlzufühlen, in der neuen Mannschaft, aber auch in der Schule.
Und von der sportlichen Herausforderung her?
Klar ist das anders, als im Dorfverein zu spielen. Allein von den Trainingszeiten und vom Trainingsumfang her. In Lützenkirchen habe ich häufiger mal ein Training abgesagt, bei Bayer ganz selten. Weil man einfach merkt, wie wichtig das Training ist. Natürlich ist einem als Spieler auch bewusst, dass man da jederzeit aussortiert werden kann. Und dann hat man auch in dem jungen Alter schon den Ehrgeiz, da drin zu bleiben. Und vor allen Dingen dann als Leverkusener auch für Leverkusen spielen zu können. Das ist so etwas, was den Traum, Fußballprofi zu werden, in dem Alter ergreifbar macht.
Was würden Sie jungen Spielern raten, die auch diesen Traum haben?
Zuallererst: Spaß haben. Ich glaube, ohne Spaß am Fußball macht das Ganze keinen Sinn. Die Belastung wird mit den Jahren immer mehr. Wenn man sich jedes Mal zum Training hinquälen muss, wird es schwierig, sich weiterzuentwickeln. Wenn es mir keinen Spaß machen würde, wäre ich jetzt, glaube ich, auch nicht hier.
Ihre Mannschaftskameraden wohnen größtenteils in Gastfamilien oder in WGs des Sportinternats. Was bedeutet es, dass Sie in Ihrer Heimat spielen und bei der Familie wohnen können?
Das ist eine riesige Unterstützung. Früher haben meine Opas mich jeden Tag zum Training gefahren. Hätte ich das mit dem Bus fahren müssen, hätte ich eine Stunde weniger Freizeit gehabt, was in dem Alter dann schon sehr viel ist. Ich habe einen sehr vollgepackten Alltag, mit Training und Schule. Vier bis fünf Stunden weniger Fahrzeit in der Woche heißt auch mehr Zeit für Freunde und Familie. Und es werden einem auch schon mal Fehler verziehen, wenn die Eltern nochmal eben was bringen können, was man vergessen hat. (lacht) Und natürlich ist es auch toll, meine Eltern täglich zu sehen, auch wenn ich nicht viel Zeit habe.

Hawighorst in einem Spiel der Bayer-U19.
Copyright: Uli Herhaus
Sie kommen aus einer sportbegeisterten Familie, die Saison 2023/24 war für Sie sicher auch besonders. Wo waren Sie am 14. April, als Leverkusen die erste Deutsche Meisterschaft perfekt gemacht hat?
In der Nordkurve, mit vier Freunden. Wir haben mitgefeiert, nach Abpfiff auch auf dem Rasen, mit meiner ganzen Familie, bis spät am Abend die Mannschaft auf den Balkon kam. Für mich als Leverkusener Junge war das etwas sehr Besonderes. Aber ich glaube, bei der älteren Generation, die noch viel mehr mit der Mannschaft durchgemacht hat – 2002 und die ganzen Vizemeister-Jahre – für die war das nochmal ganz anders. Da merkt man schon, was da für eine Freude entstanden ist. Wie viele Menschen geweint haben. Auch mein Vater, der war überglücklich.
Wenige Wochen später standen Sie dann selbst im Finale um die Deutsche Meisterschaft mit der U17, das denkbar unglücklich mit 2:3 gegen Dortmund verloren ging. Schmerzt das noch sehr, es den Profis nicht nachgemacht zu haben?
Mit etwas Abstand konnten wir schon realisieren, dass es etwas Besonderes war, dass wir in der Saison nur dieses eine Spiel verloren haben. Da überwiegt dann schon der Stolz und man ist dankbar, das erlebt zu haben. Aber es ist kein Spiel, das ich mir gerne anschaue. (lacht) Genau wie das verlorene Finale dieses Jahr mit der U19 gegen Köln. Aber ich glaube, aus solchen Spielen, auch aus Niederlagen, lernt man sehr viel.
Sie sind seit der U15 auch in der deutschen Nationalmannschaft unterwegs. Wie ist das, den Adler zu tragen?
Da ist jedes Spiel etwas ganz Besonderes. Natürlich bin ich nicht weniger stolz, wenn ich für Leverkusen spiele, aber ein ganzes Land zu vertreten, ist schon eine riesige Ehre. Bei Turnieren wie WM oder EM die Hymne vor dem Spiel zu hören und zu singen, ist ein unbeschreibliches Gefühl.

Ben Hawighorst bei der U17-WM.
Copyright: IMAGO/Ulmer/Teamfoto
Sie saßen auch schon bei den Profis auf der Bank, wie sehr fiebert man auf den ersten Einsatz hin?
Die Ausgangslage ist, dass ich in der U19 spiele. Wenn dann ein Anruf kommt: Du trainierst diese Woche mit den Profis, vielleicht wegen Sperren oder Verletzungen, dann freue ich mich sehr darüber. Weil es nochmal eine ganz andere Entwicklungschance ist. Da kann man sehen, wie hart die Profis tagtäglich arbeiten und was der Standard ist, um auf so einem Niveau spielen zu können. Ein Einsatz für die Profis im großen Stadion wäre unglaublich, aber aktuell steht die Entwicklung im Vordergrund. Dafür brauche ich Spielzeit, die bekomme ich bei der U19.
Wie würden Sie ihre Verbindung zur Stadt Leverkusen beschreiben?
Ich würde schon sagen, dass ich sehr lokalpatriotisch bin. Mit Leverkusen und der ganzen Region. Ich habe hier so viele Freunde, Leverkusen, Lützenkirchen, meine Schule. Ich kenne mich hier aus, hier fühle ich mich wohl. Es ist schon immer mein Umfeld.
Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht Fußball spielen?
Fußball gucken? (lacht) Wir sind eine sehr sportverückte Familie. Da läuft sehr viel Sport. Und natürlich muss ich auch einiges für die Schule machen, 2027 möchte ich Abitur machen.
Zum Abschluss von unseren Jahresendinterviews gibt einen Wunsch fürs nächste Jahr. Weil Sie noch so jung sind, darf es auch perspektivisch ein Wunsch für die nächsten fünf Jahre sein.
Mittelfristig wünsche ich mir erstmal die Deutsche Meisterschaft in der U19. Ich glaube, es wird mal langsam Zeit, dass wir da einen Titel holen, am liebsten wieder bei einem Finale in der BayArena. Da haben wir vom letzten Jahr noch was gutzumachen. Langfristig ist es mein Wunsch, dass ich mich gut entwickeln kann und dann auch in den nächsten Jahren den Standard habe, den ich für den Profibereich brauche. Am liebsten natürlich hier in Leverkusen.

